Die bereits zum achten Mal erscheinende Abmahnstudie des Rechtsdienstleisters Trusted Shops zeigt einmal wieder deutlich die Entwicklung im deutschen Abmahn-Business auf. Spannend ist zu erkennen, dass der Abmahnverein IDO offensichtlich wesentlich weniger Abmahnungen auszusprechen scheint. Sein Anteil ist von 55 % im letzten Erhebungszeitraum auf jetzt nur noch 25 % deutlich gesunken. An der Studie nahmen ĂŒber 2.800 OnlinehĂ€ndler teil.
Basics, es fehlt an Basics
Zum hĂ€ufigsten Abmahngrund zĂ€hlen VerstöĂe in der Widerrufsbelehrung. Und das dĂŒrfte eigentlich gar nicht sein, denn diese erhaltet ihr z.B. kostenlos vom Trusted Shops Rechtstexter.
Jedoch scheint es so zu sein, dass es vielen HÀndlern an ProfessionalitÀt fehlt. Anders ist diese NachlÀssigkeit nicht zu erklÀren.
Existenzbedrohung?
51 % aller befragten Unternehmen und damit mehr als jedes zweite gaben an, durch Abmahnungen die eigene Existenz bedroht zu sehen. Auch Teilnehmer, die in der Vergangenheit noch keine Abmahnung erhalten haben, sehen sich durch potenzielle Abmahnungen in ihrer Existenz bedroht. Hier liegt der Wert mit 56 % sogar noch höher. Abmahnvereine adressieren zunehmend wirtschaftlich schwĂ€chere, kleinere Unternehmen, bei denen schon wenige Abmahnungen oder Vertragsstrafen zur GeschĂ€ftsaufgabe fĂŒhren können. Befragt nach der Existenzbedrohung wurden alle Teilnehmer, also auch die, die noch gar keine Abmahnung erhalten haben.
Anmerkung: Die Frage der Existenzbedrohung sollte offen diskutiert werden, denn tatsĂ€chlich >tötet< eine Abmahnung nicht. Eine Abmahnung sollte mitunter als kalkuliertes wirtschaftliches Risiko bewertet werden, welches ordentlich in eine Kalkulation einflieĂen kann.
Vertragsstrafen
Bei einem erstmaligen erneuten VerstoĂ wird meist eine Vertragsstrafe in Höhe von 3.000 bis 5.000 ⏠geltend gemacht. Lag der Durchschnittswert im Vorjahr noch bei 3.800 ⏠pro Fall, sank er im aktuellen Erhebungszeitraum um 8 % auf âlediglichâ 3.500 âŹ. HĂ€ufig suchen sich Abmahner jedoch gerade solche RechtsverstöĂe heraus, die kĂŒnftig mit hoher Wahrscheinlichkeit noch einmal begangen werden, etwa weil bestimmte rechtliche Vorgaben beim Handel ĂŒber MarktplĂ€tze technisch nur sehr schwer einzuhalten sind (z. B. Grundpreisangaben bei eBay oder die Auflistung wesentlicher Produktmerkmale auf dem Amazon Marketplace). Ein erneuter VerstoĂ ist also oft schon vorprogrammiert. So kommt es dazu, dass HĂ€ndler, die bereits mehrfach gegen die UnterlassungserklĂ€rung verstoĂen haben, im Schnitt 7.300 ⏠zahlen. Dies ist das GeschĂ€ftsmodell unseriöser Abmahner.
Die Lösung: LĂ€sst der Abgemahnte hingegen vor Gericht eine einstweilige VerfĂŒgung ergehen und gibt er eine so genannte AbschlusserklĂ€rung ab, wird bei einem erneuten VerstoĂ ein sehr viel geringeres Ordnungsgeld fĂ€llig, das der Staatskasse (und nicht dem Abmahner) zuflieĂt und hĂ€ufig auch gar nicht verfolgt wird, weil es keinen wirtschaftlichen Anreiz fĂŒr den Abmahner gibt.
Wer mahnt am hÀufigsten ab?
Erfreulich ist die Entwicklung, dass die Abmahnungen des Abmahnverein IDO so stark zurĂŒckgegangen sind. Ăber die Ursachen, warum das so passierte, kann treffend diskutiert werden.
Zu beobachten war jedoch, dass der IDO hinsichtlich seiner >Abmahnberechtigung< im Jahr 2019 einige Schlappen hinnehmen musste.
Mehr Abmahnungen als je zuvor
Nicht nur die durchschnittlichen Kosten pro Abmahnung haben sich erhöht, auch die Anzahl der durchschnittlich erhaltenen Abmahnungen stieg in den letzten Jahren kontinuierlich. Lag der Wert 2017 noch bei 1,8, stieg die Anzahl der erhaltenen Abmahnungen 2018 um 22 % auf 2,2, bis die HĂ€ndler 2019 durchschnittlich 2,4 Abmahnungen erhielten â noch einmal eine Steigerung um 9 % gegenĂŒber dem Vorjahr. Offenbar lassen Abmahner nach einem erfolgreichen Angriff von ihrem âOpferâ nicht ab, sondern suchen gezielt nach weiteren Fehlern.
Mehr Widerstand?
Gaben im Vorjahr 48 % aller Unternehmen an, sich gegen Abmahnungen zur Wehr zu setzen, waren es 2019 64 %. Das zeigt, dass abgemahnte OnlinehĂ€ndler nicht einfach aufgeben, wenn eine Abmahnung sie erreicht, sondern sie sich damit auseinandersetzen und Widerstand leisten. Aber noch immer knapp jeder zehnte scheute das Kostenrisiko und wehrte sich nicht â auch das ist Ausdruck der Existenzbedrohung durch zu hohe Kosten. Wer eine Abmahnung erhĂ€lt, sollte sie auf keinen Fall ignorieren oder ungeprĂŒft die UnterlassungserklĂ€rung unterschreiben.
Anmerkung: Mehr Widerstand bedeutet auch, dass ein Anwalt zur eigenen Vertretung mandatiert wird. Nicht zu verkennen ist der Umstand, dass immer zwei AnwĂ€lte an der Abmahnung verdienen. Euer Anwalt ist also nicht der >weiĂe Ritter<, sondern teilnehmender Partner des Abmahnbusiness. Denkt bitte immer daran!
Die vollstÀndige Studie zum Download findet ihr hier.
(Hinweis: Bei der vorliegenden Umfrage handelt es sich nicht um eine reprĂ€sentative Umfrage, sondern lediglich um ein Meinungsbild solcher OnlinehĂ€ndler, die von Trusted Shops oder ĂŒber die Industrie- und Handelskammern zu der Befragung (ĂŒber einen entsprechenden Link) eingeladen worden waren und daran teilgenommen haben.)
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4.5