„Alle“ bekommen Millionen für Ihre Firma? Warum ich nicht?

Die Venture-Capital-Serie Part 2. Hier geht es zu Part 1.

Butter bei die Fische: So viel ist meine Firma bewertet – und was ist sie wert?

Die Bewertung einer Firma repräsentiert eine Zukunftserwartung, also die Wahrscheinlichkeit, mit der diese Firma zu einem späteren Zeitpunkt mehr wert sein kann. Die frühen Phasen wurden bereits im ersten Tel der Serie behandelt. Wie sieht es nun aus mit späteren Phasen, also vielleicht auch mit einem Onlinehändler, der schon Jahre am Markt ist? Im Allgemeinen oder generell über Firmenbewertungen zu sprechen, ist immer so eine Sache, denn sie hängen ja von einer Vielzahl vom Faktoren ab, die nicht nur Geschäftsmodell, die Branche, die Unternehmens Marge (meist als EBIT – Earnings before Interest and Taxes –  gemessen) und Umsatz erfassen. Es sind auch Faktoren wie das Team, die Entwicklung des Marktes und natürlich auch Syngerien, die sich ein potentieller Käufer vom Unternehmen erwartet. Ganz grob kann man sagen, dass für wachsende Internet-Unternehmen Kaufpreise im Median bei 1x Umsatz liegen, allerdings trifft dies beim Onlinehandel nur sehr selten zu und die Kaufpreise liegen eher darunter. Bei letzteren bewertet man lieber nach einem EBIT-Multiple, also einem Vielfachen des EBIT. Hierbei ist im Median etwa 6-8fach zu zahlen. Die Bewertungen, also die im Rahmen einer Kapitalerhöhung zugrundeliegenden Unternehmenswert, können durchaus höher sein.

So funktioniert ein klassisches VC Investment  – die Kapitalerhöhung

Bevor ein Unternehmen verkauft wird, braucht es bei einem sehr schnellen Wachstum Geld. Warum? Die klassische Entwicklung eines Unternehmens ist, einen Teil der jährlichen Überschüsse zu verwenden, um Investitionen zu tätigen. Diese können sowohl zur Steigerung des Abverkaufs (zB Marketing) sein, als auch zur Steigerung der Effizienz des Unternehmens (zB Lagersteuerung, ERP-Software etc.). Den Rest des Gewinns wird als Unternehmerlohn ausgeschüttet. Um als Unternehmen sehr schnell zu wachsen, wird der Unternehmer ein oder mehrere Jahre darauf verzichten, mehr als das unbedingt notwendige Geld aus der Firma zu nehmen. So kann er mehr in das Wachstum seiner Firma investieren und erwartet dadurch für die Zukunft noch bessere Ergebnisse (also auch mehr Gewinn). Er legt einen Teil seines Unternehmerlohns quasi selbst in seiner Firma an. Viele kennen aber auch die Situation, dass man noch viel mehr Pläne hat, wie man zukünftig mehr Umsatz machen könnte, als man aktuell Geld aus Überschüssen zur Verfügung hat. Hier kommen die VC´s ins Spiel: Sie investieren mehr Geld um in Zukunft mehr Gewinne erzielen zu können, also das Wachstum über das sogenannte „organische Wachstum“ hinaus zu beschleunigen. Dazu geben Sie Geld im Rahmen einer Kapitalerhöhung in die Firma. Das bedeutet, dass der derzeitige Wert der Firma festgestellt wird und dann einfach Geld im gleichen Verhältnis in die Firma gesteckt wird. So erhöht sich der Firmenwert, und der Investor hat am finalen „Wert“ der Firma genau den Anteil seines Investments.

Beispiel: Ein Onlinehändler macht einen Umsatz von 10 Millionen Euro und derzeit ein EBIT von 500.000 Euro. Sein Geschäft wächst im Jahr mit 25%. Unternehmer und Investor einigen sich auf eine Unternehmensbewertung von 4 Millionen Euro. Das ist die in Fachkreisen sogenannte Pre-Money-Bewertung, also vor dem (Investoren-)Geld. Der Investor investiert nun 1 Million Euro als Kapitalerhöhung. Die Firma ist nun 4 Millionen plus die 1 Million, also 5 Millionen Euro „wert“. Der Investor hält also 20% des Unternehmens nach der Kapitalerhöhung. Technisch läuft das dann wie folgt ab: Bei einer GmbH mit 25.000 Euro Stammkapital würde der Investor dabei das Stammkapital um 6250 Euro erhöhen auf 31.250 Euro und zusätzlich ein sogenanntes Agio in Höhe von 993.750 Euro einzahlen. Er hält dann 6250 Euro an 31.250 Euro Stammkapital (ergo: 20%) und die Gesellschaft besitzt 1 Million Euro mehr Eigenkapital.

Besondere Klauseln: Liquidation Preference

Bei einer solchen Kapitalrunde gibt im sogenannten Beteiligungsvertrag sehr viele Klausel, die extrem wichtig sind, und einen oberflächlich gutes Geschäft später sehr schlecht aussehen lassen. Deshalb sollte man in jedem Fall einen professionellen Anwalt zu Rate ziehen. Alles andere kann später sehr teuer werden. Eine der wichtigsten und speziellen Klauseln im VC-Segment, ist die sogenannte Liquidation Preference. Sie dient im Grundsatz dazu, einen Investor im Fall, dass die Firma liquidiert werden soll (oder zu einem geringen Wert verkauft) mit seinem Investment abzusichern. Er erhält dabei – bei einer einfachen Liquidation Preference – bei einem Verkauf des Unternehmens in jedem Fall zuerst sein investiertes Geld zurück, ganz egal wie hoch der Kaufpreis ist. Erst, wenn sein Geld zurückgezahlt ist, dann erhalten alle anderen beteiligten Personen einen Kaufpreisanteil. Die Liquidation Preference kann einfach sein (also 1x die Höhe des getätigten Invests) oder auch mehrfach. Im letzteren Fall sichert der Investor nicht nur sein investiertes Geld ab, sondern sichert sich im Fall eines Verkaufs sogar eine Mindestrendite – sobald der Kaufpreis die investierte Summe übersteigt. Ferner kann noch vereinbart werden, ob die Liquidation Preference später auf den Ertrag auf den Anteilsverkauf angerechnet wird oder nicht. Also ob die vorab erhaltene Summe dann für die Verteilung des restlichen Kaufpreise nach Anteilen dann quasi ein „Freibetrag ist“, oder ob der Restbetrag unabhängig von der Liqidation Preference einfach stur nach Anteilen aufteilt wird.

Beispiel: Unsere oben betrachtete Firma läuft sehr gut. Nach 3 Jahren macht sie mit dem Investment einen Umsatz von 20 Millionen Euro und ein EBIT von 2 Millionen. Sie wird für 15 Millionen Euro verkauft. Der Investor hatte eine zweifache Liquidation Preference, die jedoch voll angerechnet wird. Er erhält von den 15 Millionen also vorab 2 Millionen. Nach Anteilen stehen nun noch 13 Millionen zur Verfügung. Der Investor hält 20%, also stehen ihm 2.6 Millionen Euro aus dem Kaufpreis zu. Da er bereits 2 Millionen erhalten hat, erhält er noch 600.000 Euro aus der Verteilung nach Anteilen. Wäre seine Liquidation Preference nicht angerechnet worden, so hätte er 2 Millionen Liquidation Preference erhalten und zusätzlich 2.6 Millionen. Im ersten Fall hätte der Investor damit 1.6 Millionen verdient (2.6 Millionen minus 1 Million Investment), im zweiten Fall 3.6 Millionen (2 Millionen plus 2.6 Millionen abzüglich 1 Million Investment). Also ein gravierender Unterschied, der sich nur auf eine Klausel im Vertrag stützt.

Der Unternehmensverkauf (Exit) – was passiert dann?

Wie schon im ersten Teil der Serie angesprochen, ist der Exit eines der Szenarien, die im Fall des Einstiegs eines Investors notwendig werden. Durch seine Rendite-Erwartung wird es für einen Unternehmer fast unmöglich sein, einem klassischen VC seine Anteile wieder abzukaufen. Ihm wird einfach das Geld hierzu fehlen. Und einen Käufer zu finden, der für einen Teil des Unternehmens einen so hohen Multiple (= Vielfaches z.B. des EBIT) zahlt, das wird in den meisten Fällen sehr schwer. Entsprechend wird das Unternehmen dann meistens verkauft. Wichtig dabei ist zu wissen, dass das Management (also meistens ihr selbst), zumeist verpflichtet wird, eine gewisse Zeit (2-5 Jahre) weiter im Unternehmen zu arbeiten und es weiterzuführen. Eigentlich auch logisch: Man will die Personen, die den Erfolg ermöglicht haben, auch weiterhin an Bord haben. Man wird also damit rechnen können, dass man in den meisten Fällen nur teilweise den Kaufpreis ausgezahlt bekommt und/oder man im Fall eines vorzeitigen Rückzugs, einen Teil des Kaufpreises zurückerstatten muss.

Gibt es ein Fazit? Ja, es gibt zwei:

1.) Der Rasen beim Nachbarn ist immer grüner.

Also es sieht alles immer so einfach und toll aus, wenn man von hohen Bewertungen oder Investments hört. Man vergisst dabei leicht, dass eine Menge von Risiken, Verpflichtungen etc. dahinter stecken. Einen Teil hat diese Serie versucht zu erklären.

2.) Grundregel: Verdiene viel Geld, dann ist Deine Firma auch wertvoll.

Natürlich gibt es eine Menge von Firmen, die durch ihre Modelle, durch gute Daten und Betrachtungen aller KPI, auch mit Verlusten einen hohen Unternehmenswert verdient haben. Aber es gibt mindestens genauso viele, die das nicht haben. Also wenn Du Dich darauf konzentrierst, einfach viel Geld mit Deiner Firma zu verdienen, dann wird das seltener ein Fehler sein, als wenn Du keins verdienst.

Und jetzt gib Gas: Die meisten wirklich erfolgreichen Unternehmer, die ich kenne, die sprechen auf keiner Konferenz wie toll sie sind. Die geben keine Interviews (oder nur selten) und die lancieren auch nicht jeden Tag neue Presse. Die sitzen einfach im Büro und ackern sich den A**** auf. Ganz trivial und unpretentiös.

 

Der Artikel wurde zusammen mit Valentin Schütt von SevenMiles verfasst.