Amazon-Händler und -Aggregatoren werden in den kommenden Jahren wegen Amazons Lagerbeschränkungen vor immensen Herausforderungen stehen. Denn große Logistikflächen sind schwer durch Behörden zu genehmigen und die Fulfiller sind oftmals langfristig ausgelastet. Glücklich ist also der, der bereits das Szenario kommen gesehen und ausreichend vorgeplant hat. Amazon selbst wird die Lagerbeschränkung so schnell nicht auflösen. Sie wird bleiben. Lange.

Wie ist die derzeitige Amazon-FC-Situation zu bewerten?

Um es kurz und knapp zu machen: Nicht gut! Zwar sind einige neue Fulfillment-Standorte geplant, aber – und die Frage ist wichtig – reichen sie aus? Wahrscheinlich nicht. Und die Genehmigungen neuer Logistikflächen sind kompliziert. Die Kommunen mag die zusätzliche Emissionsbelastung nicht und die nur geringe Schaffung von Arbeitsplätzen pro Quadratmeter.

Da sind wir schon bei der nächsten Frage: Wenn wir wissen, dass große Flächen eine Herausforderung sind, wie lange wird die derzeitige Situation andauern? Wie lange benötigt Amazon, um für die FBA-Seller eine Entlastung zu schaffen? Dazu müssen wir alle keine Hellseher sein, es wird noch gut 1 bis 3 Jahre dauern. Das ist dramatisch. Jedenfalls dann, wenn ihr auf die Lagerung (Amazon FBA) bei Amazon angewiesen seid.

Kleine Seller haben es einfacher

Kleinere Seller mit wenigen ASIN und geringeren Lagermengen werden es einfacher haben als die Dickschiffe und Aggregatoren. Kleine Flächen, egal ob selbst angemietet oder bei einem Fulfiller, werden immer ›irgendwie‹ verfügbar sein. Ihr solltet euch also rechtzeitig um einen eigenen Versand kümmern. Die heiße Saison steht kurz bevor.

Große Händler und Amazon-Brand-Aufkäufer haben es schwer. Sehr schwer.

Big Player inklusive der Aufkäufer haben es verdammt schwer. Große Händler finden kaum geeignete Flächen. Aber die Aggregatoren trifft es am härtesten, denn ihr gesamten Geschäftsmodell – wachsen mit Amazon FBA – wird nicht nur in Frage gestellt, es wird zerstört! Warum? Wenn das Kernleistungsversprechen das Heben von Potenzial auf der Amazon-Plattform ist, ohne das grundsätzliche Geschäftsmodell (FBA) anzufassen, dann wird genau das zukünftig kaum realisierbar sein. Denn wenn nicht ausreichend Ware eingesendet werden kann, dann kann auch nicht mehr verkauft werden. Einige der Markenkonsolidierer haben das Problem erkannt und meiden Volumen-Artikel wie der Teufel das Weihwasser. Aber kann das eine langfristige Lösung sein?

Ein Ansatz wäre eine eigene Logistik aufzubauen. Nur ist das in angemessener Zeit möglich? Wie ist denn der Performance-Bedarf bei Aufkäufern mit mehr als 10 Marken an Bord? Da dürfen schon Tagesversandzahlen von 2.000 und viel mehr Sendungen angenommen werden. Und jetzt stellt euch einmal vor, dass eine solche Logistik geplant, eingerichtet und in Betrieb genommen werden soll? Diese Herausforderung ist zeitnah kaum zu stemmen. Es wird also abzuwarten sein, was die großen Player ankündigen UND dann tatsächlich umsetzen können.

Wer kann, der kann …

Anlass zu diesem Beitrag sind Branchengespräche und eine Pressemitteilung der Berlin Brands Group. Denn die BBG kündigt an, in Deutschland ein weiteres – bereits im Bau befindliches Logistikzentrum – bald in Betrieb zu nehmen und darüber hinaus weitere Hubs in England (Ende 2021), Spanien, Frankreich und Osteuropa für das Jahr 2022. Damit steigt die Tagesversandleistung nur in Deutschland auf 100.000 Paketsendungen pro Tag. Bisher werden Zentren in Kamp-Lintfort für Westeuropa, ein weiteres in Bratislava für Osteuropa, weitere in Hongkong, Los Angeles und Istanbul betrieben.

»Wir hatten recht früh analysiert, dass es zu logistischen Knappheiten im Markt kommt. Deswegen haben wir uns entschlossen, die Logistik in die eigenen Hände zu nehmen. Das war beim ersten Lager eine harte Erfahrung. Heute verschaffen uns eigene Logistikzentren einen Wettbewerbsvorsprung«, so Gründer Peter Chaljawski gegenüber dem Handelsblatt.

Oder auf Kölsch: Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn. Nur, BBG hat bereits eine Menge Körner gefunden! Es ist also nicht abwegig, zu glauben, dass die Berliner ein besonders gutes Händchen bei ihren strategischen Planungen haben.

Die Zukunft wird es zeigen

Die wenigsten Seller werden um eine eigene Versandeinrichtung nicht drum herum kommen. Da stehen auch die Chancen recht gut. Aber ob die Großen und die Amazon FBA Brand-Aufkäufer eine Lösung umsetzen können, steht in den Sternen.

Am Rande sei noch angemerkt: Der Verkaufspreis, den ihr bei einem Verkauf eurer Amazon Brand erzielt, setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen. Einmal das Geld, welches ihr sofort bekommt, und dann ein Anteil, der über die Zeit ausbezahlt wird. Er richtet sich danach, wie sich eure Marke unter den neuen Besitzern entwickeln wird. Und die Gretchen-Frage: Kann sich eure ›alte‹ Brand überhaupt entwickeln, wenn nicht genug eingelagert oder versendet werden kann? Beachtet bitte diese Frage, wenn ihr mit Thrasio, Razor, SellerX & Co. verhandelt.