Die Anzahl der Amazon-Verteilerzentren wächst kontinuierlich. Aktuell wurde eine Neueröffnung im Saarland in der Kleinstadt Völklingen unweit der französischen Grenze angekündigt. Aber was machen die Verteilerzentren und warum profitiert der Onlinehandel davon? Und wie sagt Amazon den Paketkollaps ab?

Amazon okkupiert die Wertschöpfungskette

Nicht ganz unbekannt ist die steile These, dass der amerikanische Online- und Tech-Riese die gesamte Wertschöpfungskette besetzen möchte.

„Der Amazon-Lieferdienst beschränkt sich jedoch nur auf urbane Regionen. In weiten Teilen ist er nicht verfügbar und auf die Post angewiesen.“, so Christian Rusche fälschlicherweise vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) gegenüber Businessinsider.

Von der Hand zu weisen ist diese Vermutung nicht. Genau in diesem Kontext ist auch die Strategie von Amazon, immer mehr Verteilerzentren zu eröffnen, zu bewerten. Der Onlinehändler und Marktplatzbetreiber versucht hier die Lücke der letzten Meile zu schließen, um so die vollständige Logistikkette selbst zu bedienen. Es war abzusehen: Amazon nimmt sich alles.

Anzahl der beförderten Pakete durch die Deutsche Post in Deutschland von 2016 bis 2018 (in Millionen Stück)

Diese Statistik zeigt die Anzahl der beförderten Pakete durch die Deutsche Post in Deutschland von 2016 bis 2018. Im Jahr 2017 beförderte die Deutsche Post insgesamt rund 1,4 Milliarde Pakete, im darauf folgenden Jahr waren es mehr als 1,5 Milliarden Pakete. (Statista 2019)

Was passiert in den Verteilerzentren?

Nachts fahren viele LKW aus den Logistiklagern in diese Logistikzentren. Dort werden die Pakete auf eine Vielzahl von Auslieferfahrzeugen umverteilt. Die ›Sprinter‹ fahren von dort Verbraucher an und liefern ihre Bestellungen aus. Im Idealfall erhält der Kunde seine Ware innerhalb von maximal 24 Stunden. In einigen Regionen werden sogar Zustellzeiten von gerade mal 3 Stunden erreicht. Ergo: Amazon bewerkstelligt die gesamte Logistikkette bis hin zur letzten Meile, also der Zustellung selbst.

Amazons Macht im KEP-Markt

KEP ist die Abkürzung von ›Kurier Express Paketdienst‹. In dieser Branche ist Amazon mächtig. Sehr mächtig sogar. Das Handelsblatt berichtete, dass Amazon für fast 18% der DHL-Paketmenge steht. Laut Branchen-Insidern werden in einigen Paketzentren über 50% der Kapazitäten durch Amazon-Sendungen belegt. Laut Manager-Magazin zahlt Amazon pro Sendung an DHL gerade einmal 1,80 €.

›Wir beliefern mit Amazon Logistik Kunden in den Regionen München, Berlin, Hamburg, Rhein/Main, Mannheim und Rhein/Ruhr über Verteilzentren«, so ein Amazon-Sprecher zum aktuellen Status quo zu Wortfilter.de.

Paketkollaps abgesagt?

Sämtliche Medien malen seit fast 2 Jahren für die Weihnachtszeit den Zusammenbruch der gesamten Paketbranche an die Wand. Die WELT titelte 2017 ›Drei Milliarden Pakete: Logistik-Firmen droht der Kollaps‹. Die Bundesvereinigung Logistik (BVL) diskutiert »[…] dass die Paketdienstleister die rasante Entwicklung des E-Commerce womöglich verschlafen haben« und ruft zum Handeln auf: »Sämtliche Möglichkeiten nutzen, die sich bieten«.

Ist der angedichtete Paket-Infarkt nun passé? – Ja, es gab und gibt Spitzen, aber mittelfristig nimmt Amazon das Geschäft selbst in die Hand und entlastet damit die KEP-Branche massiv. DHL & Co. dürften alsbald also über eine Stagnation klagen.

Die Kapazitätenlüge

Die Akteure – und so wurde es ihnen vorgeworfen – haben nicht falsch geplant. Nein, sie haben es kommen gesehen. Es wäre falsch gewesen, langfristig die Kapazitäten stark zu erhöhen. Jetzt dürfen die Protagonisten hoffen, dass der Wegfall der Amazon-Sendungen sich durch den gestiegenen internationalen Paketverkehr und durch die allgemeine Akzeptanz des Onlinehandels substituiert. Die KEP-Dienstleister haben sich nicht verplant, sie haben die Entwicklung kommen gesehen und den Peak geschickt genutzt.

Diese Ängste wurden ausgenutzt

Alle haben ja fein mitgespielt. Die Medien, die einzelnen Dienstleister und so glaubte am Ende jeder an dieses Horrorszenario. Selbstverständlich nutzen DHL, GLS, DPD & Hermes die Gunst der Stunde und erhöhten erst einmal kräftig ihre Preise. So wurde ein gutes ›Verhandlungsniveau‹ künstlich geschaffen. Es fehlt leider der Beweis für diese These, aber sie ist wohl nicht weit hergeholt.

Bildergebnis für paket entwicklung bis 2025
KEP-Studie 2018 – BIEK

Rosige Zukunft für die Onlinehändler

Je mehr Amazon vom Paketvolumen der Dienstleistern abzieht desto vorteilhafter verändert sich die Situation bei den Onlinehändlern, die über eine eigene Logistik selbst versenden. Was wird passieren? Während in den vergangenen Jahren alle Paketversender unisono ihr Leid klagten und sogar kaum noch Kunden annahmen, wird es hoffentlich bald wieder zu einem gesunden Wettbewerb zwischen DHL & Co. kommen. Nutznießer sind die Onlinehändler, denn um sie wird gebuhlt werden.

Purzeln bald die Paketpreise?

Wer die Chancen zu nutzen weiß, für den werden in Bälde die Paketpreise purzeln. Nicht heute, auch nicht Morgen aber innerhalb der kommenden 36 Monate wird sich eine Entspannung erkennen lassen. Das ist auch wichtig, denn viele Onlinehändler kamen sich wegen des fehlenden Wettbewerbs wie eine Kuh vor, die nur noch gemolken werden sollte.