Arm werden mit Amazon: 95% aller Merchants erfolglos, so Jeff Bezos

In seinem jährlichen ‘Letter to Shareholder’ ist Amazons CEO diesmal recht offen. Er nennt viele Zahlen. Ich bin mir aber sicher, dass er diese Wahrheit seiner Zahlen gar nicht gut finden wird: Gerade mal 5% seiner Marktplatzhändler handeln erfolgreich auf Amazons Marketplace.

Die bittere Wahrheit

Nur 140.000 aller Amazon Merchants generierten einen Umsatz von mehr als 81.000 €. Und das weltweit. Bittere Zahlen, denn ein solcher Umsatz kann kaum genug Ertrag bringen, um davon zu leben. Von diesem Umsatz sind ja noch Steuern, die Gebühren und natürlich der Einstandspreis abzuziehen. Was dann übrig bleibt, ist fast nichts. Wer also 81.000 € Umsatz macht, bei dem bleiben nach Abzug der Umsatzsteuer in De 68.067 € übrig. Hiervon gehen noch einmal circa 20% an direkten und indirekten Marktplatzkosten ab. Also minus 16.200 €. Bleiben 51.867 €. Und davon muss jetzt die Ware eingekauft werden. Unterstellen wir großzügig einen Rohertrag von 50%, dann verbleiben 25.933 € VOR Steuern und weiteren Kosten. Ziehen wir davon ein paar Tool-Kosten, den Steuerberater und eine kleine Pauschale sonstiger Kosten ab und rechnen es auf den Monat um, dann reden wir hier von einem Bruttoeinkommen von nicht einmal 2.000 €. Das ist schon sehr nahe an der Armutsgrenze! (Diese liegt bei einem Nettolohn (!!) kleiner als 1.952€ für Paare). Und bitte seht, dass das noch sehr großzügig gerechnet ist. Sein wir ehrlich, kaum einer von euch wird einen Rohertrag von 50% haben.

(Einkommensgrenzen zur Einstufung in Arm und Reich für Singles und Paare auf Basis des monatlichen Nettoeinkommens)

Die meisten Händler sind auf Amazon erfolglos

Auch das liefert Jeff Bezos allen auf dem Silbertablett. Denn er schreibt:

„Millionen von kleinen und mittleren Unternehmen weltweit verkaufen mittlerweile ihre Produkte über Amazon, […] . Mehr als 140.000 KMU übertrafen im Jahr 2017 die 100.000 $-Marke bei Amazon[…].“

Wenn es also Millionen an Merchants auf Amazon Marketplace gibt und nur 140.000 einen Umsatz von mehr als 81.000€ erwirtschaften, dann bedeutet das umgekehrt, dass über 95% aller Händler auf Amazon weniger als 81.000€ pro Jahr umsetzen.

Arm werden mit Amazon

300.000 amerikanische Händler starteten 2017 auf Amazon, in der Hoffnung, erfolgreich zu sein. Nur das werden wohl die wenigsten von ihnen schaffen. Wenn nicht einmal 5% ALLER Händler einen Umsatz von mehr als 81.000 € erreichen, dann liegt die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Starter erfolgreich wird, im Promillebereich.

“Over 300,000 U.S.-based SMBs started selling on Amazon in 2017, […]” , so Jeff Bezos

Mehr als 95% der Marktplatz-Händler werden also recht schnell merken, dass sich ihr Traum vom schnellen Reichtum mit Amazon oder Amazon FBA ausgeträumt hat.
Im Jahr 2017 ist das Insolvenzrisiko der amerikanischen Firmen und KMU bereits um mehr als 1% angestiegen, so berichtet der Kreditversicherer Euler Hermes. Das Unternehmen schreibt:

„Die Zahl der Firmen und Neugründungen ist schneller gestiegen als die Gewinnmargen. Das führt in einigen Bereichen automatisch zu steigenden Insolvenzzahlen, da junge Firmen in der Regel eine wesentlich höhere Ausfallrate haben als etablierte Unternehmen.“

Das trifft sicher nicht nur für den amerikanischen Markt zu, auch Europa und Deutschland sind in dieser Betrachtung inkludiert.

Das wollte Jeff Bezos uns wohl nicht mitteilen

Es ist anzunehmen, dass Amazons CEO diese Betrachtung seiner veröffentlichten Zahlen nicht wünscht. Es ändert aber nichts an dem Umstand, dass in aller Deutlichkeit jeder KMU und jeder Händler erkennen sollte, dass die Chancen, erfolgreich auf Amazon zu handeln, äußerst gering sind.

Oder: Mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 95% werdet ihr großartig scheitern!

Das Blendwerk der Propheten

Und jetzt überlegt einmal, wer euch in eurem Umfeld so alles erzählt, dass er erfolgreich auf Amazon handelt? Viele? Und jetzt setzt das einmal in den Kontext der gerade veröffentlichten Zahlen. Die meisten werden euch also anlügen!

Warum?

Weil sie tatsächlich nicht erfolgreich sind und durch Zusatzgeschäfte, wie Beratungen, Veranstaltungen oder Kurse, euch Geld aus der Tasche ziehen wollen.

Fazit

Der ‘Letter to Shareholder’ war eine Steilvorlage, das Drama der Amazon Merchants einmal deutlich und valide aufzuzeigen. Und willkommen ist das Zahlenwerk auch, um die Blender rund um das Amazon-FBA-Business zu enttarnen.

Aber: Die Zahlen sagen NICHTS, aber rein gar nichts darüber aus, ob denn andere Marktplätze, wie z. B. eBay oder gar andere Kanäle, z. B. ein eigener Shop, erfolgreicher für die Händler wären.

Diese Kausalität, also Amazon als Kanal sei schlecht, zu sehen, wäre in meinen Augen nicht nur falsch, sondern auch grob fahrlässig. Nicht der jeweilige Kanal ist schlecht, sondern die Händler sind die Ursache. So jedenfalls meine Vermutung und These.

Was denkt ihr? Seid ihr so schlecht oder ist es doch nur der Kanal?

Und btw.: Wenn ihr Herausforderungen bei euch seht, dann löst sie. Denn grundsätzlich habt ihr Potential. Das GMV was euch Marktplätze bieten ist phänomenal. Hebt die Schätze!

24 Gedanken zu „Arm werden mit Amazon: 95% aller Merchants erfolglos, so Jeff Bezos

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  2. Nick

    Toll, ich bin einer der 140000, die mehr als 100’000$ Umsatz p.a. machen – und das sogar deutlich. Das Umsatz-Gewinn-Verhältnis liegt jedoch bei etwas unter 10% – bei 300’000 EUR Jahresumsatz springen knapp 30’000,- EUR Jahresgewinn heraus – vor Einkommens- und Gewerbesteuer.
    Und dabei halten wir uns aus Produkten mit Cent-Marge völlig heraus. Würden wir da mitspielen, wären es vielleicht 1 Mio. Jahresumsatz mit 35000,- EUR Gewinn.
    Das verstehen die Ökonomen unter moderner Sklaverei. Aber solange es täglich neue Dumme ohne Kalkulationsvermögen gibt, werden wir Sklaven bleiben und Jeff und seine Aktionäre täglich reicher machen – also auf ewig.

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  3. pittyeah

    Die Berechnung der amazon-Provision ist falsch: amazon nimmt seine Gebühr vom BRUTTO-Umsatz (incl. UST) und nicht vom Netto. Außerdem weist AMAZON keine UST aus, so dass keine Vorsteuer abziehbar ist.
    Wir haben FBA-PAN-EU komplett eingestellt mit riesigem Verlust. Es wurden bis zu 42% Gebühren abgezogen vom Umsatz (FR) und auch in DE liegt man schnell (abhängig vom Sortiment) bei über 30% Gebühren vom Umsatz. Diese Gebühren sind aber für amazon nicht kostendeckend, weil amazon eine dezentrale Logistik hat, wo die Produkte immer genau da sind, wo sie nicht gebraucht werden (Gesetz Murphys). Die nächste Gebührenerhlöhung steht also bestimmt an und wird auch die sinnlose amazon-Logistik nicht finanzieren können.
    Und wie war das nochmals mit der geschredderten Ware (ZDF-Beitrag)?? Es wurde nicht gesagt, wem diese Ware gehört: Händlern oder amazon!! Andere haben teure Logistik, um Mehrpsoitonsbestellungen zu eienr Lieferung zu verheiraten und 50% Retouren zu handhaben: amazon verzieht die Kunden, bezeichnet das als Kundenservice und schreddert am Schluss Retouren. Hat amazon seinen Zenbit nicht längst überschritten??

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  5. christian Peter

    Frag doch mal Medimops & Co. Die haben immer mehr Gewinnspanne als 50 % manchmal liegt diese bei 90 % . Es is doch klar das ein Einzelhändler nach der üblichen Art kein Erfolg hat . Er kauft seine Waren beim Zwischenhändler , die Gewinnspanne ist sehr klein.
    Grosse Händler , verdienen alleine durch Werbung ( Werbebeilagen in den Sendungen ) um die 2000,- Euro im Monat . Es war schon früher so : Nicht die Qualität bringt den Erfolg sondern nur die Masse. Es ist viel besser 1000 x 50 Cent zu verdienen als 20 x 5 Euro. Den es geht um Marketing. 1000 Sendungen mit einer Werbebeilage Qute für den Erfolg liegt meistens bei 2 % bringen wieder neue Stammkunden für sein eigenen Onlineshop. Viele Grosse Händler benutzen Ebay nur noch fürs Marketing und zum Restposten verkauf.

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  6. SteffeN

    Sollte der Amazon CEO dann vielleicht nicht einmal darüber nachdenken seine Provisionsmodell zu überdenken um alle etwas mehr verdienen zu lassen. Er kann sein Geld zu Lebzeiten nicht mehr ausgeben.

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  7. Pingback: Slechts 5% Amazon-verkopers heeft boven de 100k omzet

  8. BJoern

    Erschreckende Zahlen!

    Das einzige, was ich für mich ableiten kann, aus den Zahlen ist: Das die Augenwischrei mit der mittleriweile großen Industrie von Firmen/Freelancer mit Ihren Events, Büchern und der “wir sind alle Geil Einstellung” rund um Amazom nur für wenige Sinn macht und das völlig überbewertet wird.

    Die Leute springen auf den Zug und gehen den ganzen Hype auch noch mit und vergessen ganz und gar auf was es ankommt.

    Jeden Monat aufs neue komme ein Event mit neuen “Superlativen” kaum zu bendigen sind rund um den eCommerce. Wer zur hölle soll da noch Differenzieren bei der Auswahl und Blender. (siehe Facebook Gruppen)

    Keiner ist mehr bereit sich tief in die Materie einzuarbeiten und hofft auf externe Hilfe die natürlich (je nach Expertise) recht teuer ist wenn man die Deckungsbeiträge anschaut.

    Wenn man sich die erfolgreichen anschaut haben diese ein profundes Wissen und kaufen sich nur punktuell Erfahrung bzw. Wissen ein.

    Alle anderen, wie man sieht, liegen eben im negativen Viertel.

    Damit ist dann wohl erklärt woher die Preisspiralen kommen…nicht der Repricer ist Schuld… Notverkäufe weil keine Kohle da ist und sich im Einauf -> Kalkulation vertan hat.

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    1. michael wiechert

      Naja, das mit den Events hat ja auch seinen Vorteil – wer seinen eigenen Amazon-Account nicht ins Laufen bringt oder mit schlechten Bewertungen schrottet, kann zumindest noch ne Zweitkarriere als gefeierter “Top-Speaker” starten 🙂

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  9. michael wiechert

    Zum ersten fehlt in der Kostenbetrachtung von dir etwas ganz wesentlich – nämlich die Versandkosten bzw FBA-Gebühren.

    Zum zweiten muss man natürlich unterscheiden, welche Bedeutung der Marktplatz für den Händler hat – für den stationären Händler mag dies einfach ein Zubrot sein, um für seinen Laden Schwungmasse und bessere Konditionen zu bekommen. Für den Angestellten, der nebenbei ne Firma hat und 10, 30 oder 50 Produkte per FBA vertickt, dürften 2000 oder 3000 Euro Gewinn oft seinem Netto-Gehalt entsprechen.

    Zum Dritten muss man beim Rohertag natürlich gleichfalls differenzieren – bei Handelsware hast du natürlich Recht, da kann es nur die Masse machen und in der Tat bezweifel ich, dass viele Händler – inklusive Amazon selbst – bei manchen Preisen überhaupt was verdienen. Bei Exklusiv-Ware hingegen mag die Rechnung schon wieder ganz anders ausschauen.

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  10. mICHAEL

    Diese Zahlen glaube ich sofort. Man muss sich das System bei Amazon doch nur genau ansehen. Es verkauft pro Artikel nur ein Verkäufer, alle anderen sind nur Zuschauer. Und in vielen Fällen ist dieser Verkäufer dann noch Amazon selber. Wir sind seit 14 jahren auf Ebay und ca. 9 Jahre bei Amazon. Bei Ebay haben viele Verkäufer etwas vom Kuchen, bei Amazon nur wenige. Deswegen verstehe ich auch den ganzen Hype um Amazon nicht. Für uns Händler ist Aamzon wiklich kein Segen. Und auch viele Kunden jammern immer mehr. Viele Produkte im Katalog sind so miserabel im System hinterlegt das man dort auch nichts verkauft wenn man als einziger Verkäufer gelistet ist. Genau das wären interessante Produkte. Aber durch dieses komische Amazon System hat man so gut wie keine Chance die Produktdaten zu ändern bzw. zu verbessern. Ich denke Amazon wird immer mehr zu einem Laden für “Priavte-Label-Produkte”. Ob die Kunden sowas wünschen wird sich noch herausstellen. Wirklich cool wäre es wenn die ganzen Händler die Markenprodukte anbieten wieder zu Ebay wechseln, damit die Kunden endlich auch richtige Produktdaten zu den Markenartikeln erhalten. 🙂

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  11. Pingback: Sind 80.000 Euro Amazon-Umsatz jetzt gut oder schlecht? - Blog für den Onlinehandel

  12. Rainer

    Mark..

    die Interpretation ist falsch.

    140k Händler haben 2017 die 100K USD Umsatzkategorie ZUSÄTZLICH erreicht.

    Zur Berechnung der Zahlen fehlt:

    1) Anzahl der Händler, die schon jahrelang in der 100K Klasse verkaufen ( z.B. Anker 83 Millionen USD)
    2) Anzahl der Händler, die aktuell weniger als 100K Umsatz erzielen.

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    1. Mark Steier Beitragsautor

      Nein, das ist so nicht richtig von dir übersetzt. Wenn du hier noch den Aktionärsbrief für 2016 hinzunimmst, dann wirst du feststellen, dass meine Übersetzung richtig ist. In 2016 waren es nur 70.000 Händler, in 2017 sind es 140.000. Es wird immer von der Gesamtzahl ausgegangen und nicht ‘hinzuaddiert’. Und: Es gibt auch noch weitere andere Quellen die diese zahlen in ähnlicher Ausprägung liefern, z.B. Marketplacepulse. Hier einmal die automatische Übersetzung von deepl.com: “Millionen von kleinen und mittleren Unternehmen weltweit verkaufen mittlerweile ihre Produkte über Amazon, um neue Kunden rund um den Globus zu erreichen. SMBs verkaufen bei Amazon kommen aus allen Staaten der USA und aus mehr als 130 verschiedenen Ländern der Welt. Mehr als 140.000 SMBs übertrafen im Jahr 2017 die 100.000 $-Marke bei Amazon und über 1.000 unabhängige Unternehmen.” – Die Gesamtmenge wird eingangs des Absatzes definiert und auf diese bezieht sich der restliche Text: “Millionen von kleinen und mittleren Unternehmen weltweit verkaufen mittlerweile ihre Produkte über Amazon” Auch der zweite Satz bezieht sich auf die Gesamtheit aller Merchants. Der Dritte Satz extrahiert nunmehr aus der Gesammtmenge, so dass der Text so zu übersetzen/lesen/verstehen ist: “Von allen Sellern machten 2017 mehr als 140.000 einen Umsatz von mehr als 100.000 US$”

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  13. andreas

    was ist denn mit den Umsätzen, die die betreffenden Händler auf anderen Kanälen erwirtschaften ?
    Kaum ein Händler ist doch nur auf Amazon unterwegs….

    Gruß
    Andreas

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  14. Marc

    “Nicht der jeweilige Kanal ist schlecht, sondern die Händler sind die Ursache”…
    Würde ich soooooo nun auch nicht unterschreiben.
    Natürlich ist der Mensch die grösste Fehlerursache bzw. Hindernis, aber es kommt auch hier immer auf das Sortiment und den Marktplatz an.
    Alle Marktplätze steuern ihre Angebote via SEO, SEA etc. aus. Aber halt nicht alle gleich, sondern das was Kohle bringt wird natürlich bevorzugt.
    Hier müsste man dann schon differenzieren können welcher Marktplatz wozu gut ist, ebenso welche Kunden zu finden sind.

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  15. Wilko Steinhagen

    Kann es nicht sein, dass gemeint ist “allein im Jahr 2017 haben 140k Händler die 100k-Umsatzgrenze erfolgreich übersprungen” und gar kein Bezug auf absolute Zahlen genommen wird?

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    1. Mark Steier Beitragsautor

      Die Zahl bezieht sich auf alle Seller und betrachtet das jeweilige Jahr. 2016 waren es 70.000 Seller. Sie ist also so zu lesen: 2017 haben mehr als 140k aller Händler mehr als 100k USD….

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