Zu oft ist der Name des Werkzeughändlers Contorion in den vergangenen Monaten gefallen. Ungefähr 40 Mio. € Umsatz, keinen Gewinn und ein Verkaufspreis von über 100 Mio. €? Das soll sich jemals rechnen? Der Händler entstammt dem Portfolio vom VC Projekt A rund um Florian Heinemann. Zeit, sich einmal mit dem Unternehmen Contorion und mit seinen einzelnen Verkaufskanälen zu beschäftigen.
Hans Dampf in allen Gassen
Das Unternehmen verfolgt eine Multichannel-Strategie. Das heißt: eigener Shop, Account bei eBay, Präsenz bei Amazon und ein wenig mydealz. In eigenen Beiträgen werde ich die unterschiedlichen Kanäle nacheinander untersuchen.
Ich stelle mir die Frage, ob der Verkauf eines 40 Mio. Umsatz-Unternehmens für 100 Mio € gerechtfertigt ist (ich bezweifele das), und möchte wissen, was das Unternehmen leisten kann. Ist hier Umsatz erkauft worden? Wird hier mit Hilfe der VC-Gelder der Wettbewerb verdrängt? Ist das Ding ein einziger Marketing-Gag oder steckt doch eine nachhaltige Strategie dahinter?
Auf den ersten Blick bin ich von diesem Shop enttäuscht. 1 EAN/GTIN, 2 Artikelnummern und 2 Produkte? Das geht so nicht.
Lasst uns doch als Nächstes erst einmal das Marktplatzgeschäft anschauen. Beginnen wir mit eBay.
Contorion und eBay
Kundenzufriedenheit: Mit 99.8% hat sich zwar die Kundenzufriedenheit gegenüber Anfang des Jahres verbessert, trotzdem scheint die Mängelquote noch so hoch zu sein, dass das Unternehmen den Status des Top Rated Sellers nicht erreicht und somit keine eBay Garantie und kein eBay Plus anbieten darf.
Das bedeutet: schlechtes Ranking, Umsatzverlust und schlechte Reputation. Kritikpunkt der meisten Verbraucher ist die lange Lieferzeit. Und gerade das sollte ein eCommerce Handelsunternehmen können: schnell liefern!
Die vom Händler angebotene Versandzeit von 6 bis 7 Tagen erfüllt nicht die durchschnittliche Verbrauchererwartung. Lange Lieferzeiten deuten meistens auf eine schlechte eigene Logistik hin oder aber die Ware ist schlicht nicht verfügbar. Damit wäre das Geschäftsmodell weniger der Handel, sondern eher ein ausgefeiltes Dropshipping.
Produkttitel
Ein Produkttitel kann bis zu 80 Zeichen lang sein. Er wird von der Cassini durchsucht und sollte somit wesentliche Keywords enthalten.
Auch diese Basics beherrscht Contorion scheinbar nicht, finden sich doch tausende schlechte Produkttitel in deren eBay Angebot. Ein Beispiel: ‘Loctite Rohrgewindedic
Interview mit Gründer Tobias Tschötch auf warenausgang.com: “[…] Wir kommunizieren Stier nicht aggressiv als unsere Eigenmarke, sondern als eine Marke in unserem Portfolio. Dementsprechend gibt es dazu kein gesondertes Feedback. […]”
Artikeldetailseite/Artikelmerkmale
Artikelmerkmale gehören nicht nur auf dem Marktplatz eBay zu den grundlegenden Angaben, die jeder Händler den Verbrauchern zur Verfügung stellen muss. Auch dazu ist Contorion nicht in der Lage. Die von eBay zur Verfügung gestellten Felder werden entweder nicht ausgefüllt oder mit unsinnigen Angaben bestückt.
Dass ein Schlagschrauber keine ISBN hat und dass die UPC hier in Deutschland nicht gebräuchlich sind, wird auch Contorion wissen. Aber warum füllen sie dann überhaupt die Felder mit ‘Nicht zutreffend’ aus, obwohl die Felder gelöscht werden können und somit gar nicht erscheinen müssen?
Da die Artikelmerkmale von der eBay Suchmaschine Cassini durchsucht werden, sollte jeder Händler Wert darauf legen, diese auch so vollständig wie möglich auszufüllen. Macht er das nicht, wird er in den Suchergebnissen kaum dargestellt. Die Impressions und die Visibility sinken.
Jetzt wird es strange: Contorion verfügt offensichtlich über diese Daten. Der Händler stellt sie ja auf seiner ebay-Artikeldetailseite dar.
Contorion schafft es also scheinbar technisch nicht, seine Daten in die dazu vorgesehen Felder einzufügen. Das erstaunt umso mehr, da dieses Problem z.B. über einen API Call einfach zu lösen wäre. Vor dem Hintergrund, dass beim ehemaligen VC und auch bei den Gründern durchaus fachliches KnowHow vorhanden sein sollte, ist dieser Grundlagen-Fehler hier nicht nachvollziehbar.
Mobile Optimierung
Diese ist faktisch nicht vorhanden. Weder eine mobile Kurzbeschreibung noch ein mobil optimiertes Template (Vorlage) werden verwendet. Hinzu kommt noch, dass der Quelltext fehlerhaft ist.
Auch hier sind die handwerklichen Grundlagen die Ursache der fehlerhaften Darstellung. Dabei ist ein entsprechendes kostenloses Tool auch Contorion bekannt. Warum wird es dann nicht genutzt?
Weder ist eine mobile Kurzbeschreibung festgelegt, noch sind die CSS auf HTTPS umgestellt. Das wird nun kurzfristig dazu führen, dass die Artikeldetailseiten bei eBay für Contorion Angebote ausgeblendet werden.
Über 60% der Verbraucher haben einen mobilen Touchpoint während ihrer Customer Journey. Warum Contorion nicht in der Lage ist, längst bekannte und einfache Basics umzusetzen, verstehe ich nicht.
Contorions eBay Angebote sind wettbewerbswidrig
Das mag sich jetzt reißerisch anhören, aber faktisch trifft es den Nagel auf den Kopf:
Der Link zur europäischen Streitbeilegungs-Plattform muss anklickbar sein. Technisch ist das auch bei eBay umsetzbar. Die Grundmengenangabe ist eine andere rechtliche Grundlage, die jeder Händler beherrschen sollte. Contorion nicht:
Hier wäre die Grundmenge in ‘ml’ anzugeben gewesen.
Fazit: Contorion kann kein eBay
Das ein solch hochgelobtes und gehyptes Unternehmen KEINE Grundlagen beherrscht und bereits an den einfachsten Dingen scheitert, hätte ich nicht erwartet und erschreckt mich. Erst recht, wenn ich mir vor Augen halte, dass das Unternehmen gerade für ca. 100 Mio. € den Besitzer gewechselt hat.
In weiteren Artikeln werde ich Contorions Amazon-Auftritt und auch den Shop einmal genauer betrachten. Ich bin gespannt, welche Überraschungen und Erkenntnisse mich dabei erwarten.
Und ich frage mich jetzt schon, warum ich dort Besseres erwarten können sollte, wenn das Unternehmen noch nicht einmal die Grundlagen und absoluten Basics auf eBay umsetzen kann.
Ich befürchte aber auch, dass Contorion hier Grundlagen wie die Preisangaben-Verordnung (PAngV) nicht beherrscht:
Zum guten Schluß frage ich mich, ob da die Käufer nicht einem Marketing-Gag eines bekannten VC aufgesessen sind. Einem Blinden lässt sich auch noch eine verwelkte Rose als farbenprächtig andrehen.
Unter Warenausgang wird Contorion als ganz großer Erfolg präsentiert.
Was ist jetzt richtig?
…ja, das weis ich. Dem muss ich mich aber nicht anschließen 🙂 Und das tue ich auch nicht 🙂
Ich finde es gut, sehr geehrter Herr Steiger, dass Sie einmal mit den Legenden, die in Blogs wie “warenausgang.com” (Herausgeber: Lennart A. Paul) um CONTORION herum gesponnen wurden und noch immer werden, Schluss machen und unwiderlegbare Tatsachen zur nicht vorhandenen Qualität dieses Online-Werkzeughändlers aufzeigen.
Mit mehreren Jahresverlusten im knapp 8-stelligen-Bereich wären andere längst aus dem Business ausgestiegen und hätten ihren Plan aufgegeben, die riesige Armada von etablierten Werkzeughändlern hierzulande zu verdrängen, die beileibe nicht alle so verschnarcht sind, wie es Dr. Frederick Roehder, Dr. Richard Schwenke und Tobias Tschötsch geglaubt haben, sondern den Markt ganz genau kennen und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen.
Aber Geldgeber, die offenbar keine andere Möglichkeit mehr sehen, auf andere Weise ihre Kohle zu verbrennen, haben stets fleißig Kapital nachgeschossen, bis Hoffmann bereitwillig in die Bresche gesprungen ist. Selbst erklärte Fanboys von CONTORION vertraten und vertreten sogar die Meinung, dass das ein besonders kluger Schachzug von Hoffmann gewesen sei, weil man damit ja eine ganz tolle Systemtechnik und eine ganz tolle Mannschaft eingekauft habe. Jedoch: Ihr Artikel beweist das Gegenteil.
Ich bin mit Ihnen der Meinung, dass Hoffmann sich eine verwelkte Rose als farbenprächtig andrehen ließ. Aber keine Angst, die Hoffmann Group wird diese Fehlinvestition über jährliche Abschreibungen gut verdauen können.
Das Geschäftsmodell von Contorion scheint doch gut zu funktionieren:
– Verkaufspreise kaputt machen
– Keinen Gewinn erzielen
– Viele Kunden dadurch anziehen
=> Unternehmen teuer verkaufen
Es gab einmal ein Interview (ich glaube in Marktintern) wo über den großen Erfolg von Contorion berichtet wurde. Vom kleinen Startup zum Vorzeigeunternehmen. Wenn ich mit Dumpingpreisen ohne Gewinn und nur über teure Sponsoren einen Betrieb groß mache dann kann das denke ich jeder von uns.