Und wieder hat Wortfilter über das Whistleblower Formular Informationen zum Exit der beiden Gründer Thomas und Janusch Lisson erhalten. Vermutlich aus JTL internen Kreisen.
Was war passiert
Am 6. Oktober hat der Private Equity Fonds HG Capital nach vorliegenden Informationen eine Mehrheitsbeteiligung an der JTL Software übernommen. Der Anbieter ist seit 2007 im Markt der E-Commerce ERP Systeme aktiv. In den letzten Monaten kamen vermehrt Gerüchte auf, dass die beiden Gründer Janusch und Thomas Lisson die Firma verkaufen wollen. Vermutet wurde, dass sich die Firma schwer tut in der Migration von einer On-Premise-Lösung (Einzelinstallation auf Kundenservern) hin zu einer modernen SaaS-Architektur (Zentrales in der Cloud des Anbieters gehostetes System).
Daten. Zahlen. Fakten
In der Presse war zu lesen, dass HG eine Kapitalerhöhung in Höhe von 8 Millionen Euro durchgeführt habe. Das ist natürlich Unsinn: JTL ist seit Jahren profitabel und macht mehrere Millionen Euro Gewinn. In den Verkaufsprozess ging die Firma angeblich mit einem EBITDA-Ergebnis (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) von 10 Millionen Euro. Diese Zahl wird sich wohl nicht bei Veröffentlichung im Bundesanzeiger wiederfinden, da es bei Firmen dieser Größenordnung üblich ist, Adjustierungen vom Ergebnis vorzunehmen. Hier wird man das insbesondere deshalb gemacht haben, um in den zweistelligen (Millionen)Bereich des Gewinns zu kommen. Denn unter dieser Größenordnung sind Software-Unternehmen schwer verkäuflich und erzielen deshalb auch viel geringere Preise. Erreicht man aber durch das übersteigen gewisse Umsatz- und insbesondere Ergebnisschwellen den Käufermarkt Private Equity, wie hier geschehen, so sind die Unternehmensbewertungen um ein vielfaches höher. Deshalb wollte man einen Wert von 270 Millionen Euro für JTL erzielen, konnte das Ziel mit dem Verkauf an HG Capital aber wohl nicht ganz erreichen. Die vermuteten Gründe hierfür hatte wurden ja bereits oben genannt.
Fazit
Auch wenn das Kaufpreis-Ziel nicht erreicht wurde, scheinen die beiden Brüder Thomas und Janusch Lisson mit Ihrer Firma einen Wert von über 200 Millionen Euro realisiert zu haben. Und hieraus einen Großteil wohl in Cash, da der Käufer HG Capital einen Mehrheitsanteil der Firma übernommen hat. Damit sind die beiden heute Multimillionäre und haben damit meinen vollen unternehmerischen Respekt. Zur richtigen Zeit und mit einem super Ergebnis verkauft. Beide hatten sich schon im Verkaufsprozess aus dem Geschäft zurückgezogen und werden wohl auch nicht mehr zurückkehren. Die neue Freizeit gönne ich den beiden Gründern, aber natürlich ist das schade und risikoreich für die Firma, die für den Erfolg maßgeblich verantwortlichen Personen zu verlieren. Ich gehe deshalb davon aus, dass HG Capital sehr schnell ein komplett neues Führungsteam einsetzen wird und dieses aus CEO, CTO und CFO bestehen wird. Dieses Trio wird dann die neue Strategie, welche ich im letzten Artikel bereits umrissen hatte, umsetzen müssen
seit heute wissen wir was die Investoren so planen, mächtige Preiserhöhungen.!!!
@Friedrich:
Wie schon ein JTL-Nutzer im Smalltalk-Thread schrieb:
Wenn es um 200-300 Millionen geht, dann wäre es auch ihm egal, wenn er mal eben z.B. sein Partner-Netzwerk belügen müßte. Oder eben seine Kunden in der Luft hängen lassen. Oder seinen früheren Mitarbeitern eine lange Nase drehen. Der luxuriöse Ruhestand mit dreistelligem Millionenbudget geht vor.
Ich denke, erstmal wird der neue Eigentümer alles weiterlaufen lassen wie bisher. Nennenswerte Veränderungen werden vermutlich erst ab 2024 kommen. Daher würde ich als Händler sehen, dass ich ab Januar 2024 für die nächsten 12-24 Monate ein mögliches alternatives Setting parat hätte.
#agree
Es stellt sich die Frage, wie es für die Kunden und Mitarbeiter im neuen Jahr weitergeht. Wie man u.a. auf kununu lesen kann, ist die Zufriedenheit der produktiven Mitarbeiter von JTL schon seit Jahren im Sinkflug, in den letzten ca. 3 Jahren klingt es gar eher nach Sturzflug.
Es zeigt sich einmal mehr, dass man nicht einmal ein gutes bis sehr gutes Produkt braucht, um sich via Exit die Taschen zu füllen..
Wirklich schade finde ich es (langjähriger und nicht ganz kleiner JTL Kunde), dass wir von JTL in keiner Weise informiert werden. Dies führt zu Vertrauensverlust, Unsicherheit über die Zukunft von JTL – Marktpositionierung- Chancen, Entwicklung – alles Fragezeichen.
Müssen wir Kunden jetzt proaktiv Maßnahmen ergreifen, um unsere eigenen Geschäftsprozesse abzusichern?