Wenn über den deutschen Fiskus gesprochen wird, dreht sich die Debatte häufig um neue Steuern und zusätzliche Abgaben. Doch was bringt all das, wenn nicht einmal die bestehenden Regeln ordentlich umgesetzt werden? Gerade für den Onlinehandel ist das ein brennendes Thema. Die Verstrickung von veralteten Prozessen, unzureichender Personalausstattung und ineffizienten digitalen Lösungen sorgt dafür, dass Milliarden an Umsatzsteuer von Drittlandhändlern einfach nicht erhoben werden – ein Zustand, der europäische Onlinehändler in Bedrängnis bringt.
500 Millionen Euro pro Jahr – ein Problem, das niemand anpackt
Eine der schockierendsten Enthüllungen kommt aus dem Finanzamt Berlin International, das sich speziell um internationale sogenannte China-Händler kümmert. Laut dem Jahresbericht des Berliner Rechnungshofs entgingen dem deutschen Staat durch einfache und völlig offensichtliche Versäumnisse knapp 500 Millionen Euro Umsatzsteuer – pro Jahr. Der Hauptgrund? Eine massive personelle Überlastung und absurde Arbeitsprozesse. Als die Marktplatzhaftung 2019 eingeführt wurde, um Marktplätze für nicht abgeführte Umsatzsteuern der Händler zur Verantwortung zu ziehen, schossen die Registrierungszahlen durch die Decke. Tausende neue Händler, überwiegend aus China, meldeten sich elektronisch an. Doch die Daten, die so mühsam digital gesammelt wurden, mussten von den Finanzbeamten erst ausgedruckt und dann manuell in die Systeme übertragen werden. Dieses Vorgehen ist nicht nur völlig unzeitgemäß, sondern auch unglaublich ineffizient. Laut Rechnungshof wurde hier ein regelrechtes Fass ohne Boden geschaffen.
Offenkundige Probleme bleiben unbeachtet
Dr. Roger Gothmann (ehem. Steuerprüfer und CEO Taxdoo) brachte es treffend auf den Punkt: „Es ist absurd, dass Milliarden an Umsatzsteuer einfach nicht erhoben wurden – und das nur wegen veralteter Prozesse und personeller Überlastung.“ Ein Großteil der gemeldeten Händler aus China gab regelmäßig Nullmeldungen ab, ohne dass diese jemals hinterfragt wurden. Die angeblichen Risikosignale, die die Behörden problemlos hätten erkennen können, wurden nicht beachtet, weil schlicht das Personal und die richtigen Systeme fehlten. Mit anderen Worten: Es war bekannt, dass Steuern in riesigem Umfang verloren gingen, aber niemand hat etwas unternommen. Stattdessen wurde der deutsche Steuerzahler unbewusst zum Subventionär von großen internationalen Plattformen wie Amazon und unzähligen Händlern aus der Volksrepublik China.
Warum neue Steuern, wenn die alten nicht umgesetzt werden?
Anstatt über neue Steuerideen nachzudenken – etwa über Kapitalertragsbeiträge oder andere Abgaben – sollte der Fokus darauf liegen, bestehende Gesetze endlich effizient durchzusetzen. Es ergibt keinen Sinn, mehr Steuern zu fordern, wenn bereits jetzt Milliardenbeträge verloren gehen, weil grundlegende Verwaltungsprozesse nicht funktionieren. Laut Gothmann wäre eine konsequente Digitalisierung der Finanzverwaltung ein entscheidender Schritt, doch solange manuelle Übertragungen nötig sind, bleibt das ein Wunschtraum.
Das muss sich ändern: Handeln statt Diskutieren
Die Lösung liegt klar auf der Hand. Deutschland muss seine Finanzverwaltung technisch und personell so ausstatten, dass sie in der Lage ist, die bestehenden Steuergesetze effizient durchzusetzen. Das bedeutet: Mehr Personal, automatisierte Datenprozesse und vor allem eine schnelle und umfassende Digitalisierung. Alles andere ist Augenwischerei.
Der Fall des Finanzamts Berlin International zeigt, dass diese Missstände nicht nur hypothetisch sind. Sie kosten uns Milliarden, verzerren den Wettbewerb und benachteiligen alle europäischen seriösen Händler, die ihre Steuern korrekt abführen. Jetzt ist die Zeit, das zu ändern. Wir dürfen nicht länger zusehen, wie veraltete Strukturen den deutschen Onlinehandel ausbremsen und den Staat Einnahmen kosten, die ihm zustehen.
Ihr als Händler könnt diese nötigen Veränderungen unterstützen, indem ihr euch politisch engagiert! – Werdet Mitglied beim BuVeC – Bundesverband eCommerce e. V.