„Echte Bewertungen von echten Menschen“? – Von wegen.

Bewertungsplattformen wie Trustpilot haben eine immense Macht. Sie entscheiden maßgeblich über den digitalen Ruf eines Unternehmens, beeinflussen Kaufentscheidungen, schüren Vertrauen – oder Misstrauen. Umso schwerer wiegt der Vorwurf, den die Wettbewerbszentrale aktuell erhebt: Die Plattform verspricht Authentizität, liefert sie aber nur bedingt. Eine neue Studie zeigt: 36 % der eingereichten Fake-Bewertungen auf Trustpilot wurden veröffentlicht – und das mit weitreichenden Folgen für Unternehmen.


Die Studie: Fake-Bewertungen als Systemtest

Das Deutsche Innovationsinstitut für Künstliche Intelligenz (DIKI) und Prof. Dr. Thomas Liebetruth (OTH Regensburg) haben gemeinsam mit dem Magazin DUP UNTERNEHMER einen realitätsnahen Test durchgeführt. 79 Testpersonen reichten insgesamt 86 absichtlich gefälschte Bewertungen auf Trustpilot ein – 43 positiv, 43 negativ.

Das Ergebnis: Nur 55 Bewertungen wurden entfernt, 31 blieben online. Auffällig dabei: Besonders die negativen Bewertungen hatten Bestand. Lediglich 10 positive Einträge schafften es durch den Filter, 21 negative hingegen blieben online – und beeinflussten damit gezielt den TrustScore des getesteten Unternehmens.


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Strukturelle Schieflage: Wer zahlt, gewinnt?

Besonders kritisch: Die Studie wirft Trustpilot einen Interessenkonflikt vor. Denn: Unternehmen, die kostenpflichtige Zusatzleistungen wie Analyse- oder Einladungsfunktionen nutzen, können ihr Bewertungsprofil gezielt verbessern. So zeigte ein interner Test: Der Abschluss eines Abos bringt sichtbare Vorteile – vollkommen legal, aber ethisch fragwürdig.

Konkret: Wer zahlt, kann besser steuern, welche Bewertungen sichtbar werden. Die Neutralität einer Plattform, die sich selbst mit dem Versprechen „echter Bewertungen“ rühmt, ist damit stark in Zweifel gezogen. Das kennen wir bereits von den manipulierten JTL Software Bewertungen oder den Händlerbund Fake-Bewertungen.


Wettbewerbszentrale greift ein

In einem Anschreiben vom 16. April 2025 fordert die Wettbewerbszentrale eine Erklärung von Trustpilot. Im Raum steht der Vorwurf der Irreführung (§ 5 UWG). Besonders die Werbeaussage „Echte Bewertungen von echten Menschen“ sei angesichts der Studienergebnisse nicht haltbar. Trustpilot wurde zur Stellungnahme bis zum 6. Mai aufgefordert – anderenfalls drohen rechtliche Schritte.


Die Folgen für Unternehmen

Die Vorwürfe sind schwerwiegend, denn sie berühren nicht nur Fragen der Transparenz, sondern auch der Chancengleichheit im E-Commerce. Ein negatives Bewertungsprofil – sei es berechtigt oder manipuliert – kann Unternehmen schaden, ohne dass diese sich adäquat wehren können. Gleichzeitig bevorzugt das System zahlende Kunden, während nicht zahlende Unternehmen unter der Intransparenz leiden.

Besonders absurd: Unternehmen, die sich gegen ungerechtfertigte oder gefälschte Bewertungen juristisch zur Wehr setzen wollen, haben es schwer. Häufig fehlen belastbare Informationen über die Bewerter. Trustpilot selbst gibt diese nur in Ausnahmefällen heraus.


Was sich jetzt ändern muss

Bewertungen sind ein wichtiges Element im Onlinehandel – aber sie müssen nachvollziehbar, überprüfbar und fälschungssicher sein. Darum braucht es dringend strukturelle Änderungen:

  1. Nachweispflicht für Bewertungen: Nur Kunden, die einen tatsächlichen Geschäftskontakt belegen können – etwa durch Rechnung, Angebot oder E-Mail-Verkehr –, dürfen bewerten.
  2. Identifizierbarkeit der Bewerter: Bewertungen dürfen nicht anonym erfolgen. Auf Verlangen müssen Plattformen die Daten der Bewerter an die betroffenen Unternehmen herausgeben – datenschutzkonform und mit rechtlichem Rahmen.
  3. Zustelladresse in jedem EU-Land: Hat die Plattform ihren Sitz im Ausland, muss sie in jedem EU-Land eine empfangsberechtigte Zustelladresse vorhalten.
  4. Gleichbehandlung von Unternehmen: Bewertungsplattformen dürfen keine Vorteile für zahlende Kunden schaffen, die sich auf die Sichtbarkeit oder Filterung von Bewertungen auswirken.
  5. Haftung bei grober Pflichtverletzung: Plattformen, die offensichtlich manipulierte Inhalte dulden oder selbst Rankings verzerren, müssen haftbar gemacht werden können.

Fazit: Es geht um Glaubwürdigkeit – und um fairen Wettbewerb

Bewertungsplattformen wie Trustpilot nehmen direkten Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung von Unternehmen. Umso wichtiger ist es, dass diese Plattformen transparent, neutral und überprüfbar agieren. Der aktuelle Fall zeigt, dass hier noch viel im Argen liegt. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen sind den Algorithmen oft schutzlos ausgeliefert – oder müssen zahlen, um „gesehen“ zu werden.

Das ist nicht nur unfair – es ist ein systemisches Problem. Die Politik ist gefordert, Bewertungsplattformen strenger zu regulieren. Denn Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.


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