Warum in der Online-Marketing-Branche einiges schiefläuft
Es gibt so einen Trend in der Online-Marketing-Branche, der mich ehrlich gesagt ärgert: Die Selbstbeweihräucherung über Dinge, die entweder gar nicht clever und schlichtweg nicht legal sind. Das wird dann als der nächste holy, hot Shit abgefeiert.
Dabei geht es mir ausdrücklich nicht darum, einzelne Personen abzufackeln. Ich schätze viele Leute in der Branche sehr, und Felix Beilharz gehört absolut dazu. Er macht starken Content, keine Frage. Aber genau deshalb muss man die Dinge sauber und kritisch einordnen – gerade wenn Leute mit großer Reichweite Dinge verbreiten, die andere dann blind kopieren.
Beispiel 1: Das „kein Telefon im Impressum ist geil“-Spiel
Felix feiert auf LinkedIn und Co., dass die Agentur EPHNY Social Media Marketing von Martin Römhild keine Telefonnummer im Impressum und sonst wo auf der Webseite angibt. Cooles Konzept, modern, digital, bla bla – könnte man meinen.
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Weitere InformationenNur: Das ist wettbewerbsrechtlich ziemlich eindeutig nicht okay.
Eine Telefonnummer im Impressum ist Pflicht, außer man bietet alternativ ein vollwertiges, unmittelbar erreichbares Kontaktformular an. Und selbst dafür gibt es klare, bereits mehrfach ausgeurteilte Ausnahmen. Wir reden hier nicht über „kann man so sehen oder so“. Wir reden über: Das ist seit Jahren geklärt.
Wenn man also sagt:
„Wir machen das trotzdem, weil wir’s geil finden“ – okay.
Aber dann gehört mindestens dieser Hinweis dazu:
„Das ist rechtlich nicht sauber. Wir nehmen eine Abmahnung in Kauf.“
Aber einfach feiern, ohne das zu erwähnen?
Sorry, nein.
Das ist kein edgy Konzept.
Das ist schlicht nicht regelkonform.
Warum ist die Telefonnummer im Impressum Pflicht – und welche Ausnahmen gibt es?
- 1. Gesetzliche Grundlage: Die Pflicht ergibt sich aus § 5 TMG bzw. heute § 5 DDG und schreibt „angemessene Kommunikationsmöglichkeiten“ vor – darunter eine Telefonnummer.
- 2. Erreichbarkeit muss „unmittelbar“ sein: Kunden müssen dich schnell erreichen können – ohne lange Wartezeiten oder komplizierte Wege. Die Telefonnummer erfüllt genau dieses Kriterium.
- 3. Schutz vor Intransparenz: Die Rufnummer verpflichtet Unternehmen, tatsächlich erreichbar zu sein, statt Nutzer in endlosen Formularschleifen zu verstecken.
- 4. Wettbewerbsrechtliche Absicherung: Fehlende Telefonnummer kann eine unlautere geschäftliche Handlung sein (§ 3a UWG). Abmahnungen sind häufig und erfolgreich.
- 5. Europäische Vorgaben: Die EU-Richtlinie 2000/31/EG verlangt klare, effektive Kontaktmöglichkeiten – dazu gehört im Regelfall eine Telefonnummer.
- 6. Ausnahme 1 – vollwertiges Kontaktformular: Eine Telefonnummer kann entfallen, wenn ein Kontaktformular eine „gleichermaßen schnelle und unmittelbare“ Kontaktaufnahme ermöglicht. Das ist nur selten der Fall.
- 7. Ausnahme 2 – E-Mail + sehr schnelle Reaktionszeit: Einige Urteile haben entschieden, dass eine Rufnummer entbehrlich sein kann, wenn per E-Mail „unverzüglich“ geantwortet wird (häufig innerhalb weniger Stunden). Das ist allerdings hart an der Grenze.
- 8. Ausnahme 3 – spezielle Branchenfälle: Wenn aus objektiven Gründen keine Telefonberatung erforderlich oder möglich ist (z. B. rein automatisierte Dienste), können Ausnahmen gelten. Diese sind extrem selten.
- 9. Ausnahme 4 – Plattform-Intermediäre: Bei Marktplatzhändlern gilt die Impressumspflicht primär für den Plattformbetreiber – der Händler selbst ist jedoch weiterhin zur schnellen Kontaktmöglichkeit verpflichtet.
- 10. Praxisfazit: In 95 % aller Fälle ist eine Telefonnummer im Impressum Pflicht. Wer sie weglässt, riskiert Abmahnungen, Bußgelder und Wettbewerbsverfahren.
Und ja: Wenn Agenturen, die sich „Online-Marketing-Profis“ nennen, nicht einmal die Basics des Wettbewerbsrechts beherrschen, dann würde ich nicht mal meine Fahrradklingel bei denen kaufen. Denn wenn die schon beim Impressum scheitern – was empfehlen die dir dann erst bei Kampagnen, Landingpages, Funnels oder rechtlich relevanten Claims?
Genau: Dinge, die dir später um die Ohren fliegen.
Beispiel 2: Das „Fake-Assistentin zum Verhandeln“-Narrativ
Das gleiche Muster sehen wir beim Fall „Fake-Assistentin“ von Hans Neubert
neulich:
Ein Marketer erzählt stolz, wie er sich eine nicht existierende Assistentin ausgedacht hat, um bessere Preise auszuhandeln.
Und auch da wurde wieder abgefeiert, wie genial und kreativ diese Idee doch sei.
Nein.
Das ist Täuschung.
Das ist vorsätzliches Irreführen.
Das ist im Kern vertragsrelevant.
Nicht alles, was vermeintlich clever ist, ist automatisch erlaubt. Und nicht alles, was im ersten Moment witzig klingt, ist am Ende rechtlich sauber oder unternehmerisch verantwortungsvoll.
Die Grundsatzfrage: Warum werden illegale Ideen gefeiert?
Die Online-Marketing-Branche ist voll von kreativen Köpfen, die ständig neue Konzepte suchen, testen, ausprobieren. Das ist gut so. Das brauchen wir. Kreativität und Innovation sind ein wichtiger Motor.
Aber:
Kreativität & Innovation darf niemals auf der Missachtung von Gesetzen basieren.
Ich beobachte aber seit einiger Zeit eine Unart:
- Ideen werden gefeiert, weil sie Regeln umgehen.
- Rechtsverstöße werden als „Hack“ oder „Trick“ verkauft.
- Dinge werden hyped, die es nur deshalb nicht gibt, weil sie illegal sind.
Das ist Marketing auf dem Holzweg. Oder halt: Shit-Marketing.
Wenn Marketer morgens aufstehen, müssen sie die Basics des Wettbewerbsrechts singen können.
Jede Anzeige, jede Landingpage, jede Copy muss durch einen gedanklichen Rechts-Check laufen.
Nicht als Spaßbremse, sondern als Teil des Jobs.
Und ja: Auch ich selbst war schon begeistert von Ideen und habe später gemerkt, dass da rechtlich etwas nicht stimmt. Fehler passieren. Das gehört dazu.
Aber:
Wir dürfen uns nicht angewöhnen, das Abfeiern von Rechtsverstößen als kreative Disziplin zu akzeptieren.
Meinung: Innovation ja – Rechtsbruch nein
Marketing – wenn es seriös sein soll – funktioniert nur dann langfristig, wenn es auf einem Fundament steht, das trägt.
Und dazu gehören drei Dinge:
- Kreativität
- Saubere Umsetzung
- Rechtskonformität
Wer eines davon ignoriert, spielt nicht clever, sondern gefährlich.
Wir brauchen keine Branche, die Dinge feiert, weil sie illegal sind.
Wir brauchen eine Branche, die Dinge feiert, weil sie funktionieren – und zwar rechtssicher.





