Noch können die Insolvenzverwalter hier zu Lande die Füße hochlegen. Viel gibt es nicht zu tun. In einem kürzlich geführten Telefonat mit einem Insolvenzverwalter der einen bekannten Amazon Coach in seiner Privatinsolvenz betreut berichtete dieser, dass er uns seine Kollegen Däumchen drehen und bereits Büroklammern aufsammeln um sich zu beschäftigen. Gibt es einen Dominoeffekt? Wie schaut es in Deutschland aus und welche Konsequenzen hat das für euch als Onlinehändler?
Die gute Nachricht zuerst: Der Onlinehandel wird von der drohenden und vorhergesagten insolvenzwelle nicht betroffen sein. Die Onliner sind die Profiteure der Covid-19-Krise und werden auch danach auf besserem Niveau weiterarbeiten. So jedenfalls die Vorhersagen der meisten Experten.
Was passiert außerhalb unserer Blase?
Hier sieht es düster aus. Die Kreditei Euler Hermes hat sich in einer Studie hierrüber Gedanken gemacht und Statista hat einige Daten visuell aufbereitet. Die von dem Kreditversicherer erstellte Prognose sieht einen Anstieg der Insolvenzen ab dem 3. Quartal 2019 und eine Ausweitung in das erste Halbjahr 2021.
Ganz vorne mit einem Anstieg an Insolvenzen von 57% liegt die USA. Bereits an 4. Stelle folgt China mit einem Anstieg von gigantischen 40%.
Wir ein Dominoeffekt zu beobachten sein?
Jedenfalls sehen die Experten des Versicherers ein Risiko, dass es entlang der Lieferkette zu erheblichen Störungen kommen kann welche Insolvenzen provozieren können.
Besonders wenn große Buden in die Pleite gehen erhöht sich das Risiko eines Domino-Effekts. Euler-Hermes empfiehlt einen Blick in die USA zu werfen, denn die Ereignisse dort können ein guter Indikator sein was im Rest der Welt passieren wird.
„Die Insolvenzen großer Unternehmen erhöhen den Druck entlang der Lieferketten. Sie gefährden Kunden nicht nur, indem sie möglicherweise ihre Versorgung unterbrechen und sie dazu zwingen, dringend (kostspielige) Alternativen zu finden, sondern sie gefährden auch ihre eigenen Lieferanten finanziell, indem sie sie nicht bezahlen – und zwingen sie, lange und teure rechtliche Verfahren einzuleiten. Je größer das Unternehmen ist, das Insolvenz anmeldet, desto höher ist das Risiko eines Dominoeffekts. Die USA sind diesem Risiko besonders ausgesetzt und auch für den Rest der Welt ein guter Indikator für die Intensität des Risikos.“, so die Experten des Kreditversicherers.
Das was sich jetzt noch sehr abstrakt anhört kann aber spürbaren Einfluss auf euer eigenes Geschäft haben. Daher wird es wichtig sein, dass ihr eigene Vorsichtsmaßnahmen ergreift.
Was bedeutet das konkret für den Onlinehandel?
Gehen große Buden pleite kann das bedeuten, dass Lieferanten von euch betroffen sind oder Herstellern mit denen ihr arbeitet Material oder Vorprodukte fehlen. Und schon hängt ihr selbst mitten in dem Dilemma drin.
Ein anderes Szenario: Ihr zahlt nach China 30-70% Vorkasse. Die China-Bude geht pleite und >fott< ist eure Kohle. So schnell kann es gehen. Diese und ähnliche Szenarien solltet ihr denken und euch auf mögliche Störungen vorbereiten. Natürlich solltet ihr auch euer Kapital maximal schützen.
Europäische Lieferanten: Sprecht regelmäßig mit euren >Key-Accountern< und versucht herauszufinden wie die Lage eures Lieferanten/Herstellers ist. Vermeidet große Vorkassezahlungen. Das ist schwierig, denn auf der anderen Seite könnt ihr mit einem großzügigen Zahlverhalten beste Konditionen verhandeln. Passt auf und lasst nicht die Gier euer Hirn fressen!
Von weit weg Lieferanten: Hier sieht es ungleich herausfordernder aus, denn bei Bestellungen aus Drittländern ist es üblich, dass ihr einen Großteil des Warenwert bereits per Vorkasse bezahlt. Der internationale Handel kennt natürlich schon immer hier ein Hilfsmittel und zwar den L/C (Letter of Credit) also ein Akkreditiv. Nur meistens ist der Einsatz etwas komplizierter und vor allem teuer.
„Ein Akkreditiv (englisch letter of credit, abgekürzt L/C, auch bankers letter of credit) ist ein abstraktes und bedingtes Schuldversprechen eines Kreditinstituts gegen Vorlage der im Akkreditiv genannten Dokumente und Erfüllung der weiteren im Akkreditiv genannten Bedingungen an den im Akkreditiv genannten Begünstigten den im Akkreditiv genannten Geldbetrag zu zahlen oder einen auf sie gezogenen Wechsel zu akzeptieren.“ (Quelle: Wkipedia)
Der gangbarste Weg wird jedoch das Nachverhandeln der Zahlungsmodalitäten sein. Sprecht das Risiko offen an und macht konkrete Vorschläge. Bezahlt nur noch 30% anstatt 70& Vorkasse oder und das ist die geilste Lösung: Zahlt gegen Vorlage der B/L, also das Dokument welches die Verladung dokumentiert.
Pro Tipp: Lässt sich euer Lieferant darauf ein. Zahlt das erste Mal pünktlich und beginnt danach die Zahlweise zu verschieben. Ihr könnt euch so noch einmal circa 20 Tage an Zahlungsziel rausholen. Spätestens wenn der Dampfer in die Nähe von Europa kommt solltet ihr zahlen, denn ihr benötigt ja die Dokumente zur Einfuhr!
Wenn nix geht, aufpassen solltet ihr
Jeder von euch wird das eigene Risiko differenziert bewerten und ihr werdet alle unterschiedliche Möglichkeiten haben zu reagieren. Nutzt sie. Die Minimalisten unter euch sollten wenigsten die Augen auf halten und wachsam sein.
Mark, ist schon klar, dass man seine Interessen wahren und Vorsorge treffen muss.
Deine Tipps, vor allem Reduzierung Vorkasse und “dehnen” der Zahlungsziele, können aber Lieferanten, die schon Probleme haben, weiter schwächen und erst Recht dadurch in die Pleite treiben. Vor allem, wenn viele Kunden so handeln wie von Dir als Möglichkeit vorgestellt.
Die meisten Onlinehändler wird es weniger treffen, aber es wird zu einer stärkeren Konzentration kommen und es werden einige Federn lassen. Bei uns sind weder unsere Hersteller noch wir selber gefährdet, da wir nie um die letzten Cent gefeilscht hatten und immer orderdenilich die Zahlungen geleistet hatten. So haben wir ausreichend volle Lager. Einziges Problem sind die Transporte, die sich schweirig gestalten. Das läuft aus China einfacher, wenn das die Chinesen selber organisieren – vermutlich kennt man sich 😉
Man darf aber nicht wie oben Insolvenzen bei uns mit welchen in den USA vergleichen. Dort ist das oft Standard und wird niemandem krumm genommen. Bei uns ist das einzige Ziel der Insolvenzverwalter, das eigene Honorar zu sichern – Arbeitsplätze usw. sind egal. Da gab es mal einen interessanten Bericht im Fernsehen, in den der Unterschied der wieder in den Markt eintretenden Firmen in DE und AT aufgezeigt worden ist. In DE waren das wenige in AT, wenn ich mcih recht erinnere um die 90%.
Äh, warum sollten Online-Händler prinzipiell überleben und nicht insolvenzgefährdet sein?
Wenn gesamtwirtschaftliche eine Krise anrollt wird automatisch weniger konsumiert. Leute haben weniger Geld und kaufen weniger ein. Es kommt eine Abwärtsspirale in Gang, die nicht unbedingt steuerbar oder umkehrbar ist. Also werden auch Online-Händler pleite gehen, einfach mangels Nachfrage.
Vielleicht schreibst du hier den Artikel aus Sicht von großen Händlern die ein breit aufgestelltes Sortiment führen. Kleine Betriebe mit 1-5 Mitarbeitern kann es ebenfalls erwischen. Nicht jeder kann flexibel sein Sortiment umstellen innerhalb Kürze. Und wenn jetzt wegen Reisebeschränkungen oder abgesagten Festivals niemand mehr Produkte der Kategorie XY kaufen mag, dann putzt es auch diese Online-Händler.
Ich würde mich da nicht in Sicherheit wiegen. Wir haben es mit kollabierenden Märkten zu tun und mit dem Fakt, dass momentan sehr viele Menschen das Geld zurückhalten. Nicht jeder verfällt in einen Konsumrausch wenn global Kurzarbeit und Massenarbeitslosigkeit herrscht.
Eventuell fehlt hier der Blick auf das gesamte Geschehen.