Über 50.000 Versandhändler setzen auf die ERP-Softwarelösung aus dem Hause JTL Software. Sie decken damit auch Teile ihrer Buchhaltung ab. Nur ist diese Softwarelösung nicht GoBD-konform. Das bringt erhebliche Risiken im Falle einer Betriebsprüfung mit sich. Erst ab Version 1.6 soll sich das ändern.

Was sagen die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)?

Hier hilft ein Blick in die RZ 58 des Rundschreibens vom Bundesministerium der Finanzen aus dem Jahr 2019: »3.2.5 Unveränderbarkeit (§ 146 Absatz 4 AO, § 239 Absatz 3 HGB) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist.«

»[…] es ist meiner Meinung nach den Händlern gegenüber unverantwortlich, das Rechnungen im Nachgang verändert werden können. Dies entspricht in keinster Weise den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung«, so ein im Onlinehandel bekannter Steuerberater exklusiv gegenüber Wortfilter.

»Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind (§ 146 Absatz 4 AO, § 239 Absatz 3 HGB).« Das vollständige Rundschreiben könnt ihr euch hier downloaden.

Unveränderbarkeit. Nicht mit der ERP-Lösung der JTL Software GmbH

JTL lässt die Veränderung der Rechnungen und Aufträge zu. Erst ab Version 1.6 soll sich das ändern. Im JTL Guide könnt ihr folgendes Lesen: »Nach Rechnungserstellung Auftrag/Rechnung nicht änderbar: Diese Option bewirkt, dass bereits erstellte Rechnungen nachträglich nicht mehr verändert werden können. Auch eine Änderung des Auftrags ist nicht mehr möglich

JTL Software Screenshot

(Quelle: JTL Guide)

Mehrere Tests haben bestätigt, dass die Rechnungen jederzeit veränderlich sind (Version 1.6 noch nicht getestet). Natürlich nur dann, wenn der Haken entfernt worden ist. Dieser Umstand schafft für Händler ein unüberschaubares Risiko, wenn diese Möglichkeit ein Betriebsprüfer bzw. eine Betriebsprüferin entdeckt.

Schätzungen, Schätzung & mehr Steuern

Die Erkenntnis, wenn ihr eine nicht ordnungsgemäße Buchführung führt, eröffnet dem Finanzamt die Möglichkeit der Schätzung. Dabei ist es unerheblich, ob ihr tatsächlich eine Rechnung geändert habt oder nicht. Entscheidend ist, dass die Möglichkeit besteht.

»[…] Systemische Fehler fallen dann erst auf, wenn es vielleicht schon zu spät ist: Der Betriebsprüfer verwirft die komplette Buchhaltung und spricht eine Zuschätzung aus. […]«, so Dekodi Geschäftsführer Stefan Kaumeier in seiner JTL Software Webinar Beschreibung.

Das bedeutet nichts anderes, als dass das Finanzamt für sich optimal beginnt, eure Umsätze zu schätzen.

»Wenn gegen die genannten Grundsätze verstoßen wird, kann das Finanzamt die Ordnungsmäßigkeit der Buchhaltung anzweifeln und die Umsätze schätzen. Die fallen dann höher aus«, berichtet ein bekannter hamburgischer Tax Solution Provider gegenüber Wortfilter, nachdem ihm der Umstand geschildert worden ist.

Einordnung: Die Hoffnung stirbt zuletzt …

aber sie stirbt. Wenn ihr Glück habt, entdeckt kein Prüfer diese nicht GoBD-konforme Möglichkeit der Veränderung und ihr kommt davon. Auf jeden Fall solltet ihr aber über diesen Umstand euren Steuerberater informieren, um mit ihm eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten.

»Die rechnungsschreibenden Programme manipulieren zu können, öffnet den Prüfern Tür und Tor.

Einfacher kann ein Steuerpflichtiger sich nicht selbst sein Grab schaufeln!

Die Auswirkungen, durch den nun leicht zu erbringenden Beweis der ertrags- und umsatzsteuerlichen Steuerverkürzung, werden zudem sofort zur Straf- und Bußgeldstelle weitergeleitet. Das möchte definitiv niemand !

Durch den digitalen Fußabdruck sind zudem sämtliche Beweise vorrätig!

Als Steuerberater, der auf den E-Commerce spezialisiert ist und in dem Bereich zu den größten Kanzleien Deutschlands zählt, kann ich hiervon nur dringend abraten! Die Konsequenzen werden dramatisch sein«, so eine weitere bekannte Kanzlei exklusiv gegenüber Wortfilter.

Das Risiko nicht zu quantifizieren und einfach abzuwarten ist die denkbar schlechteste Problembehandlung. Solche Risiken schlummern, bis es zu einer Prüfung kommt. Sie kommt meistens im denkbar schlechtesten Moment, wo ihr gerade eben keine hohe Nachzahlung gebrauchen könnt. Daher geht bitte proaktiv mit der Herausforderung um.

Und leider bleibt euch nichts anderes übrig als zu hoffen!

Hinweis: Diese Szenarien treffen auf alle Buchhaltungs- und ERP-Lösungen zu, welche eine Unveränderbarkeit gemäß der GoBD-Richtlinien nicht gewährleisten können.