Laut Pressemitteilung hat das Bundeskartellamt seine Zustimmung für den Kauf von Honey durch PayPal gegeben. In einem Fallbericht beschreibt das Amt seine Argumentation, warum einem Erwerb nichts im Wege steht. Honey ist Herausgeber einer Browsererweiterung, die automatisch Gutscheine & Rabatte im Check-out eines Shops einfügt.
Fallbericht zu Aktenzeichen: B6-86/19
Das Bundeskartellamt hat den geplanten Erwerb der Honey Science Corp. (Honey) durch die PayPal Inc. (PayPal) freigegeben. Der anmeldepflichtige Zusammenschluss ließ keine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs erwarten.
Hauptprodukt von Honey ist eine für den Nutzer kostenlose Browserweiterung, die automatisch Gutschein- und Rabattcodes beim virtuellen Check-Out – also dem letzten Schritt zum Abschluss eines Einkaufsvorgangs – findet und anwendet. Solche Codes werden Online-Händlern von Werbetreibenden über Vermittler (sog. Affiliate-Netzwerke) verfügbar gemacht, die bei einem Kauf von Produkten über diese Codes eine Provision erhalten. Nach öffentlichen Zahlen hat Honey weltweit 17 Mio. monatlich aktive Nutzer.
PayPal ist in erster Linie Anbieter einer Reihe verschiedener Zahlungsdienstleistungen. Wichtigstes Produkt von PayPal ist die digitale Geldbörse (“digital wallet”), die es Verbrauchern und Händlern ermöglicht, Zahlungen online vorzunehmen und zu empfangen.
Das Bundeskartellamt sah diesen Zusammenschluss wegen des Überschreitens der mit der 9. GWB-Novelle eingeführten Transaktionswertschwelle des § 35 Abs. 1a GWB als anmeldepflichtig an. Die Beteiligten erreichten nicht die Umsatzschwellenwerte des § 35 Abs. 1 GWB, die eine Anmeldepflicht eines Zusammenschlusses begründen. Insbesondere erzielte das Zielunternehmen Honey im maßgeblichen Geschäftsjahr 2018 nur sehr geringe Umsätze in Deutschland. Damit wurde die zweite Inlandsumsatzschwelle von 5 Mio. € nicht erreicht. Die Anmeldepflicht nach § 35 Abs. 1a GWB war jedoch zu bejahen, da der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mit rund 4 Mrd. US-$ (rund 3,6 Mrd. €) mehr als 400 Mio. € betrug und Honey bereits erheblich im Inland tätig war.
Für die Erheblichkeit der Inlandstätigkeit war maßgeblich auf die Anzahl der Nutzer, die ihren Standort im Inland haben, abzustellen, da dies beim Online-Handel und den zugehörigen Werbemaßnahmen der Ort ist, an dem die Dienstleistung tatsächlich erbracht wird. Unerheblich ist insoweit, dass die Inanspruchnahme der Gutschein-Codes durch die inländischen Nutzer unentgeltlich erfolgt. Die Erfassung solcher Leistungen ist vielmehr gerade die Ratio der Transaktionsschwelle. Das Zielunternehmen hatte dabei im September 2019 trotz des erst im Aufbau befindlichen Inlandsgeschäfts bereits eine relativ hohe Anzahl inländischer Nutzer und im abgelaufenen Geschäftsjahr in nur geringem Umfang in Deutschland Umsätze erzielt.
Es handelte sich damit nicht nur um eine marginale Tätigkeit, die nach der Gesetzesbegründung aus dem Anwendungsbereich der Fusionskontrolle ausgenommen werden soll. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Transaktionsschwelle diejenigen Fälle erfassen soll, die bislang deshalb nicht der Fusionskontrolle unterlagen, weil das Zielunternehmen (noch) keine nennenswerten Umsätze erzielt, es aber dennoch ein hohes wirtschaftliches und wettbewerbliches Potenzial aufweist, das durch die niedrigen Umsätze nicht widergespiegelt wird und eine Umsatzbetrachtung daher kein angemessener Gradmesser darstellt, vgl. Rz. 82 des Leitfadens TransaktionswertSchwellen1 . Dieses war vorliegend anzunehmen.
Die Tätigkeit von Honey auf nicht-englischsprachigen Märkten wie Deutschland befindet sich noch im Aufbau. Honey hat bislang keine deutschsprachige Browsererweiterung entwickelt und eine Reihe von Funktionalitäten (noch) nicht in Deutschland eingeführt. Das Unternehmen hat demnach bislang sein Geschäft in Deutschland in nur geringem Umfang aktiv entwickelt. Gerade der Umstand, dass Honey dennoch bereits eine relativ hohe Anzahl an inländischen Nutzern für seinen Dienst gewinnen und zwischen 2014 und 2018 in mehreren Finanzierungsrunden erhebliche Mittel aus Venture Capital-Finanzierungen akquirieren konnte, zeigt das erhebliche wirtschaftliche und wettbewerbliche Potenzial des Unternehmens, das noch nicht durch die bislang erzielten inländischen Umsätze bemessen werden kann, vgl. Rz. 103 des Leitfadens Transaktionswert-Schwellen.
Gerade internetbasierte Geschäftsmodelle, wie von Honey betrieben, zeichnen sich aber regelmäßig durch hohe Skalierbarkeit aus und können oft mit nur überschaubarem Aufwand und sehr schnell auf weiteren Märkten ausgerollt werden. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, dass es sich bei dem Internetdienst von Honey um eine Transaktionsplattform handelt, die über eine unentgeltliche Seite (die Nutzer) und eine entgeltliche Seite (die Händler bzw. die AffiliateNetzwerke) verfügt. Es ist davon auszugehen, dass beide Seiten in nicht unerheblichem Maße von indirekten Netzwerkeffekten beeinflusst sind, da die Händler von einer hohen Zahl an Nutzern, die Nutzer aber auch von einer hohen Zahl an angebotenen Gutscheinen und teilnehmenden Händlern profitieren. Honey konnte bereits im ersten Jahr seiner Tätigkeit im Inland die Zahl der aktiven User stark erhöhen. Es ist zu erwarten, dass Honey seinen Dienst langfristig umso besser finanzieren kann, je stärker der Dienst auf beiden Marktseiten wächst. Daher werden Transaktionsplattformen oft erst deutlich nach Markteintritt in größerem Umfang monetarisiert. Die Umsätze solcher Dienste spiegeln deshalb in den ersten Jahren nach Markteintritt regelmäßig nicht das Umsatz- und Wettbewerbspotenzial wider.
Schließlich war bei der Bewertung der genauen Anzahl der Nutzer im Hinblick auf die Erheblichkeit der Inlandstätigkeit zu berücksichtigen, dass das Zielunternehmen auf einem eher jungen Markt tätig ist, der sich noch in der Entwicklung befindet und stark wächst. Honey bietet in Deutschland derzeit nur einen Teil der Funktionalitäten an, die mit der Browsererweiterung in anderen Ländern bereits am Markt eingeführt sind. Die bisherigen inländischen Nutzer von Honey dürften bereits einen erheblichen Teil des noch jungen Marktes darstellen. Vorliegend sprach aber auch die durchaus erhebliche Zahl von Partnerschaften mit deutschen Händlern für die Annahme einer erheblichen Inlandstätigkeit.
Für die materielle Prüfung waren vor allem die Haupttätigkeit des Zielunternehmens mit seiner Browsererweiterung, die Gutscheine aus Affiliate-Netzwerken für Endkunden sucht und anwendet sowie der Markt für Bezahlverfahren im Internet von Bedeutung. Der Markt für Bezahlverfahren im Internet wurde vor allem aufgrund der relativ starken Marktstellung von PayPal sowie möglicher vertikaler oder konglomerater Effekte näher betrachtet.
Auf dem Markt für Bezahlverfahren im Internet war trotz der verhältnismäßig starken Marktstellung von PayPal keine erhebliche Behinderung des wirksamen Wettbewerbs durch den Zusammenschluss zu erwarten. Wesentlicher Grund hierfür war, dass in den vergangenen Jahren eine Reihe stark wachsender Zahlungsdienstleister entstanden ist, wie Klarna, WireCard oder Adyen. Darüber hinaus sind in jüngerer Vergangenheit mit Apple Pay und Google Pay zwei Unternehmen mit erheblichen Ressourcen und sehr großer Nutzerbasis dem Markt zugetreten, von denen auch zu erwarten ist, dass sie in der Lage sein könnten, starke Netzwerkeffekte zu entfalten. Von diesem Markt ausgehende vertikale oder konglomerate Effekte, etwa in Form von Abschottungsoder Bündelungspraktiken, sowie die Übertragung von Marktmacht auf Drittmärkte waren daher nicht zu erwarten.
Im Hinblick auf die Tätigkeit des Zielunternehmens entsteht durch den Zusammenschluss keine kritische Marktposition, sofern die Tätigkeit von Honey einem weiter gefassten nationalen Markt für die Bereitstellung von nicht-suchgebundenen Online-Werbeflächen zuzurechnen wäre. Ginge man von einem enger abgegrenzten Markt für Affiliate-Werbung aus, kommt es durch den Zusammenschluss nicht zu horizontalen Überschneidungen. Gleiches gilt für einen noch enger abgegrenzten und von einem möglichen Markt für Affiliate-Werbung getrennten Markt für das spezifische Dienstleistungsbündel von Honey.