Die Versprechen sind großspurig: „KI macht den Rechtscheck deiner Website“, „LLM scannt dein eBay- oder Amazon-Listing und findet jeden Fehler“, „Tiefenprüfung auf Knopfdruck“. Klingt nach Erlösung für Händler, die zwischen PAngV, Impressumspflichten und Garantiefallen jonglieren. Die Realität ist nüchtern – und für manche KI-Pitchdecks schmerzhaft: Unser Wortfilter-Test kommt zu einer klaren Antwort: Nein, KI ersetzt heute keine Shop-Tiefenprüfung. Punkt.

Wir haben mit mehreren marktbekannten Systemen getestet: ChatGPT (4 und 5), Grok, Gemini, Perplexity und Specter (ein KI-gestützter Rechtsassistent). Geprüft wurden drei Klassiker, an denen Shops und Listings regelmäßig hängenbleiben: Garantie-Hinweise, Impressum und PAngV. Ergebnis: Alle Modelle sind durchgefallen – teils mit gravierenden Auslassungen, teils mit falschen oder veralteten Normbezügen (ja, TMG-Zitate an Stellen, an denen heute andere Regeln greifen). So schade das ist: Für Rechtssicherheit taugt das heute nicht.


Warum diese Frage jetzt brennt

Der Druck steigt. Abmahnvereine, spezialisierte Kanzleien, neue Regulierungen wie BFSG, PAngV-Detailstrecken und Plattformregeln, die sich im Monatsrhythmus drehen – und gleichzeitig KI-Tools, die dir versprechen, aus Textblöcken rechtsfeste Gutachten zu zaubern. Die Hoffnung ist verständlich: Automatisierung statt Dauerstress. Genau deshalb wollten wir nicht in Marketingfolien glauben, sondern selbst testen – an realitätsnahen Snippets aus eBay- und Amazon-Listings sowie typischen Shop-Seiten.


So haben wir getestet

Wir haben allen Modellen dasselbe Setting gegeben: kurze Kontexte (Produkt, Kategorie, Angebotsform), Ausschnitte aus Listing-Texten bzw. Shop-Seiten und klare Prüfaufträge:

  • Garantie: Wird „Garantie“ sauber von gesetzlicher Gewährleistung abgegrenzt? Werden Pflichtinfos erkannt (z. B. Garantiegeber, Dauer, räumlicher Geltungsbereich, Bedingungen)?
  • Impressum: Sind Pflichtangaben vollständig und korrekt? Wird auf aktuelle Normen abgestellt und nicht auf Zombie-Paragrafen?
  • PAngV: Grundpreis-Pflicht und Mengeneinheiten richtig? Endpreis klar? Versand-/Zusatzkosten korrekt dargestellt? Sichtbarkeitsanforderungen berücksichtigt?

Die Erwartung war bescheiden: Wir wollten keine Kanzlei ersetzen, aber wenigstens eine verlässliche Risiko-Markierung („Hier stimmt etwas nicht – bitte prüfen“). Selbst dafür reichte es nicht.


Das Ergebnis im Klartext

  • Falsch-Negative: Offensichtliche Verstöße blieben unentdeckt.
  • Falsch-Positive: Die Modelle erfanden Pflichten, die so nicht existieren, oder verwechselten Plattform-„Best Practices“ mit Rechtszwang.
  • Veraltete Normbezüge: Wiederholt Bezug auf TMG und sonstige nicht (mehr) einschlägige Vorschriften.
  • Kontextblindheit: Marktplatzlogik (z. B. Feldabhängigkeiten, Varianten, Kategorie-Overrides, Frontend vs. Backend-Quelle) wurde nicht sauber erkannt.
  • Scheinbegründungen: Selbstbewusste Antworten ohne belastbare Stellenangaben, ohne Versionsstand, ohne nachvollziehbare Herleitung.

Besonders ehrlich fiel eine Selbstbeschreibung aus unserem Test mit Gemini aus: „Eine verlässliche, vollautomatische KI, die ein bestehendes Impressum auf Knopfdruck umfassend auf Rechtssicherheit prüfen kann, gibt es in dieser Form für Deutschland aktuell nicht.“ Treffender können wir es nicht formulieren.


Deep Dive: Wo die Modelle konkret scheiterten

1) Garantie – Scheinpräzision statt Rechtssicherheit

„Herstellergarantie“ klingt in vielen Antworten glatt, ist aber unscharf: Modelle verwechseln freiwillige Garantie mit gesetzlicher Gewährleistung, nutzen schwammige Formulierungen zu Dauer/Bedingungen, und ignorieren, dass die Erwähnung einer Garantie Pflichtinformationen auslösen kann. Ergebnis: Scheinsicherheit – genau das, was Händler nicht brauchen.

2) Impressum – TMG-Zombies und tote Normen

Hier wurde es peinlich. Statt die aktuellen Anforderungen sauber abzubilden, stolperten mehrere Modelle über historische Telemedien-Regelungen, setzten falsche Paragrafenketten und lieferten Musterformulierungen, die zwar juristisch klingen, aber nicht belastbar sind. Wer so etwas in sein Impressum kopiert, erhöht das Risiko statt es zu senken.

3) PAngV – der Klassiker bleibt ein Minenfeld

Grundpreis? Mengeneinheit? Sichtbarkeit neben dem Gesamtpreis? Zusatzkosten? In der Theorie wird vieles richtig beschrieben, in der Praxisprüfung aber inkonsequent angewandt. Teilweise wurden korrekte Grundpreise bemängelt, in anderen Fällen fehlten Hinweise auf verpflichtende Einheiten komplett. Marktplatz-Besonderheiten (z. B. wie eBay Grundpreise zieht oder Amazon Kategorien übersteuert) wurden ignoriert.


Warum KI heute scheitert – und das nichts mit „Dummheit“ zu tun hat

  1. Rechtsdaten-Stand: Viele LLMs arbeiten mit veralteten oder lückenhaften Rechtsständen. Ohne verlässliche, laufend aktualisierte Normdaten (und Kommentare!) entstehen zwangsläufig Fehler.
  2. Subsumtion statt Muster: Recht ist Anwendung auf einen konkreten Sachverhalt. LLMs sind stark im Wahrscheinlichkeits-Texten, nicht im prüfbaren Subsumtionsgang.
  3. Plattform-Kontext: eBay ≠ Amazon ≠ eigener Shop. Felder, Automatiken, Overrides, Sichtbarkeitslogik – all das muss ein Prüfer kennen. LLMs verwechseln UI-Schein mit Datenquelle.
  4. Begründung & Haftung: Saubere Rechtsprüfung braucht Belegstellen, Datum, Versionsstand und risikoadäquate Empfehlung (inkl. „Was passiert, wenn…?“). LLM-Outputs sind nicht haftbar – und verhalten sich auch so.
  5. UX-Gefahr: Weil Antworten glatt klingen, steigt das Risiko, dass Händler unkritisch übernehmen. Genau das ist brandgefährlich.

Sind Rechtstexte-Anbieter damit „gerettet“?

Ja, vorerst. Wer aktuelle, gepflegte und haftungsgerahmte Texte braucht (AGB, Widerruf, Impressum, Datenschutz, Marktplatz-Module), kommt heute an spezialisierten Anbietern nicht vorbei. Ob das kostenpflichtig sein muss? Nicht zwingend. Trusted Shops und andere Player stellen kostenlose Rechtstexte bereit – für viele Standardfälle völlig ausreichend. Bezahlmodelle bleiben dort sinnvoll, wo du Sonderfälle, API-Updates, individuelle Klauseln oder echte Haftungszusagen brauchst.


Was du jetzt tun solltest – ohne Hype, ohne Panik

  • KI nur assistierend einsetzen. Lass dir Stellen highlighten, verifiziere alles gegen verlässliche Quellen.
  • PAngV sauber aufsetzen. Grundpreis-Logik, Einheiten, Sichtbarkeit – einmal systematisch klären, dann in Templates gießen (Marktplatz + Shop).
  • Garantie nur, wenn du lieferfähig bist. Kannst du alle Pflichtinfos geben? Wenn nein: Garantie weglassen.
  • Impressum straff & aktuell. Pflichtangaben konsistent, schneller Kontaktweg ersichtlich, keine Zombie-Paragrafen.
  • Dokumentiere. Änderungen mit Datum + Grund notieren; Screenshots/Versionen ablegen. Das spart Nerven, falls es ernst wird.
  • Regelmäßige Wartungsintervalle. Lieber vierteljährlich kleine Checks als irgendwann der große Knall.

Und morgen? Unsere Prognose ist steil – und begründet

2026 wird diese Geschichte anders aussehen. Warum wir uns das trauen:

  • Bessere Datenpipelines: LLMs werden an aktuelle Gesetzes- und Verordnungsstände samt Kommentarlage angeschlossen. „Stand: Datum“ und Zitierkette werden zur Norm.
  • Agentische Prüfketten: Crawler → Parser → Norm-Matcher → Subsumtions-EngineBegründungsreport mit Quellen. Nicht „Text“, sondern prüfbarer Prüfpfad.
  • Platform-Awareness: Feld-Muster eBay/Amazon/Shop werden nativ verstanden; Varianten, Overrides, Grundpreis-Regeln werden kontextsensitiv validiert.
  • Explainability by Design:Warum ist das ein Verstoß?“ – mit §-Zitat, Gültigkeitsstand, Konsequenz und konkreter Handlungsempfehlung.

Heißt: Rechtstexte-Muster wandern zunehmend in die Gratis-Ecke, der Mehrwert verschiebt sich zu Audits, Updates, Haftung. Händlerbund & Co. werden ihr Modell anpassen müssen – oder vom Markt angepasst werden.


Fazit: Heute nein, morgen vielleicht – und dann richtig

Heute kann keine der getesteten KIs deine Shop-Tiefenprüfung oder die Rechtssicherheits-Checks für eBay/Amazon verlässlich übernehmen. Unser Test zeigt: Garantie, Impressum, PAngV – überall Lücken, teils gravierend. Für dich heißt das: KI als Helferlein nutzen, Entscheidungen aber selbst (oder mit Profi) treffen.

Morgen, realistisch ab 2026, kippt das Spiel: Wenn Datenqualität, Subsumtionslogik und Plattform-Kontext zusammenfinden, wird automatisierte Rechtsprüfung in Standardfällen massentauglichmit Begründung, mit Quellen, mit Versionsstand. Bis dahin gilt: Lass dich nicht von glatten Antworten blenden. Sicherheit entsteht nicht aus schönen Sätzen, sondern aus korrekten Prüfpfaden.


FAQ: KI & Rechtssicherheit im Onlinehandel

Kann KI heute eine Shop-Tiefenprüfung ersetzen?

Nein. In unserem Wortfilter-Test erkannten die Modelle zentrale Fehler nicht und zitierten teils veraltete Normen. Als Assistent okay, als Prüfinstanz ungeeignet.

Welche Modelle wurden getestet?

ChatGPT (4 und 5), Grok, Gemini, Perplexity und Specter (KI-gestützter Rechtsassistent).

Was wurde geprüft?
  • Garantiehinweise (Abgrenzung zur Gewährleistung, Pflichtinfos)
  • Impressum (Vollständigkeit, aktuelle Normverortung)
  • PAngV (Grundpreis, Einheiten, Sichtbarkeit, Zusatzkosten)
Warum fallen die Systeme aktuell durch?

Veraltete/lückenhafte Rechtsdaten, fehlender Plattform-Kontext (eBay/Amazon/Shop), unsaubere Subsumtion, selbstbewusste Antworten ohne belastbare Belegstellen.

Kann ich meine eBay-/Amazon-Listings mit KI auf Rechtssicherheit checken lassen?

Nur unterstützend. Für einen verlässlichen Rechtscheck reicht KI heute nicht. Risiken: Falsch-Negative, falsche Pflichten, Ignorieren von Marktplatz-Spezifika.

Sind Rechtstexte-Anbieter damit obsolet?

Noch nicht. Gepflegte, haftungsgerahmte Texte sind weiterhin sinnvoll. Für Standardfälle reichen oft kostenlose Angebote; Premium lohnt bei Sonderfällen, API-Updates, Haftungszusagen.

Was ist jetzt der beste Mix in der Praxis?

Solide (gern kostenlose) Rechtstexte + saubere PAngV/Impressum-Prozesse + KI als Highlighter – aber jede Aussage manuell verifizieren und dokumentieren.

Wann könnte KI das verlässlich können?

Realistische Prognose: ab 2026 in vielen Standardfällen – mit aktuellen Rechtsdaten, prüfbarer Begründung (Zitierkette) und Plattform-Bewusstsein.

Gilt das als Rechtsberatung?

Nein. Dieser FAQ-Block ist redaktionell. Für Einzelfälle solltest du fachkundigen Rat einholen – besonders vor Abmahnung/EV oder heiklen Produktkategorien.


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