Um es einmal ganz deutlich zu schreiben. Die meisten Thrasio-Klone können ihre Versprechen nicht einlösen. Ja, Geld haben sie. Manche können es auch frei verwenden. Die meisten jedoch sind an Vorgaben ihrer Geldgeber gebunden und werden euch selten einen Top-Preis zahlen können. Aber lassen wir das einmal beiseite und betrachten zwei Dinge. Wie setzt sich ein Kaufpreis zusammen und welche Bedeutung hat der zweite, variable Anteil?

up front vs. earn out

Der Kaufpreis, den ihr in einem Angebot seht, setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen. Einmal das Geld, was ihr sofort erhaltet (up front), und einen weiteren Teil, den ihr später (earn up) in der Regel über mehrere Tranchen ausbezahlt bekommt. Die Verteilung kann differieren. Sie liegt regelmäßig zwischen 50 bis 70% sofort, also up front, und von 30 bis 50% später, also earn up.

Genau um den letzten Teil geht es. Er ist variabel und NIE festgeschrieben. Das bedeutet, der zweite Teil der Kaufpreiszahlung ist davon abhängig, wie erfolgreich sich eure ehemalige Brand entwickelt.

SellerX-Gründer Malte Horeyseck (r.) bei der Podcast-Aufnahme mit Philipp Westermeyer

(Quelle: omr.de | SellerX-Gründer Malte Horeyseck (r.) bei der Podcast-Aufnahme mit Philipp Westermeyer)

Glaube vs. Fakten

Welche der Thrasio-Klone ist also in der Lage, eure Brand größer zu machen? Klar, im Amazon-Kosmos mag das gehen, aber reicht das? Und vor allem, wie seid ihr bereits im Amazon-Kosmos unterwegs? Gibt es bereits Erfolgsgeschichten des Aufkäufers? Verfügt der Klon über ausreichend Erfahrung und Infrastruktur?

Aber wie kann sein Start-up die selbst als Ziel ausgegebenen ›Category Leader‹ überhaupt noch besser machen? »Wir sehen da vier Haupthebel«, sagt der SellerX-Gründer. Den ersten Hebel nennt er ›operative Effizienzen‹: »Wir versuchen einfach, alles besser zu machen, was bisher gemacht wird.« Dazu zähle es, die ›Supply Chain‹ zu optimieren und das Inventar langfristig effektiver zu managen – aber auch den Content auf Amazon selbst inklusive Produktbildern, Reviews und Preis im Blick zu behalten. Allein darüber könne das Unternehmen bei jeder gekauften Marke die Effizienz um 20 bis 30 Prozent steigern«, so SellerX-Gründer Malte Horeyseck auf omr.de.

Als Verkäufer solltet ihr sehr kritisch hinterfragen, ob der Käufer überhaupt in der Lage ist, die vereinbarten Ziele zu erfüllen. Ein Blick in die Glaskugel sagt: »Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering, dass gerade die neu gegründeten Aufkäufer in der Lage sein werden, euer Business deutlich zu skalieren.«

Learning: Prüft unbedingt die Vereinbarungen und Wachstumskorridore. Denn, wenn Ziele nicht erreicht werden, reduziert sich euer Erlös.

Wachsen mit denen, die es bereits bewiesen haben

So einfach ist das. Wer hat den in der Aufkäufelandschaft bewiesen, dass er Marken aufbauen kann? Wer ist auch außerhalb von Amazon erfolgreich? Wer kann Internationalisierung? Wer verfügt über ein eigenes Ökosystem, in das eure Brand integriert werden kann?

Ja, da wird es eng, sehr eng. Übrig bleiben drei: Thrasio, BBG und KW-Commerce. Thrasio hat ohne Zweifel bewiesen, dass sie ihr Geschäft können. Aber auch KW-Commerce hat seine Position erklommen. Zwar sind Jens Wasel und Max Kronberg noch sehr Amazon-lastig unterwegs, aber sie verfügen über eine eigene Logistik, sind international aufgestellt und bedienen auch andere Verkaufskanäle.

Das ganze Leistungsportfolio hat jedoch ausschließlich BBG unter Beweis gestellt. In einigen Bereichen sind die Berliner sogar Thrasio weit überlegen. Keiner der Aufkäufer hat eine solche Logistik, bedient über 100 Vertriebskanäle, diese Erfahrung im Brand-Building, Sourcing und Internationalisierung. Keiner der Aufkäufer ist unabhängiger von Amazon und hat ein eigenes funktionierendes Ökosystem. Auch Thrasio nicht!

Exkurs: Wortfilter hat sich alle bekannten D2C-Aufkäufer angeschaut, bewertet und festgelegt. Aus Händlerperspektive ist es am wahrscheinlichsten, dass BBG seine Versprechen einlösen kann. Daher machen wir auch gemeinsam unsere Experten-Talks. Ich kenne Peter Chaljawski schon seit über zehn Jahren sehr gut. Das spielt eine Rolle, jedoch keine entscheidende.

Fazit

Es gibt kaum Player, die ihre Werbeversprechen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einlösen können. Im Gegenteil, einige dürfen wohl getrost als Luftpumpen bezeichnet werden. Die Versprechen von SellerX und deren Geschichte ist sicherlich mit ganz vielen Fragezeichen zu verstehen. Bisweilen ist das Unternehmen jedenfalls Storys schuldig geblieben – auch oder gerade im aktuellen OMR-Podcast – , dass sie tatsächlich in der Lage sind, Potenziale bei den aufgekauften Brands zu heben. Aber, das ist wichtig, für die Verkäufer. Eure zweite Kaufpreiszahlung ist variabel und eng an die Versprechen der Aufkäufer geknüpft. – Drum prüfe wer sich lange bindet!