Je qualifizierter Mitarbeiter sind, umso selbstbewusster sind und agieren sie meist auch. Vielen Führungskräften fällt es schwer, solche Mitarbeiter zu führen. Wie es dennoch gelingt, erklärt Michael Schwartz.
Die Arbeitsstrukturen und -beziehungen in den Unternehmen haben sich verändert. Während noch vor 20 Jahren die Leistung eher selten in Team- und Projektarbeit erbracht wurde, ist sie heute zumindest in den Kernbereichen fast aller Unternehmen dominierend. Außerdem lautet ein Grundanforderung an alle Mitarbeiter: Sie sollen ihre Aufgaben weitgehend eigeninitiativ und -verantwortlich wahrnehmen. Das setzt voraus, dass die Mitarbeiter sich mit dem Unternehmen und ihren Aufgaben identifizieren – unter anderem, weil sie
- selbst die gewünschte Wertschätzung erfahren,
- wissen, was die Ziele des Unternehmens sind, und
- ihr Tun als sinnvoll erfahren.
Das wiederum erfordert einen anderen Führungsstil und ein verändertes Führungsverhalten.
Ein verändertes Führungsverhalten ist auch nötig, weil die Führungskräfte heute oft keinen fachlichen Wissens- und Erfahrungsvorsprung vor ihren Mitarbeitern mehr haben. Denn ihre Mitarbeiter sind hoch qualifizierte Spezialisten, die bezüglich gewisser Fachaufgaben häufig ein größeres Know-how und Tiefenwissen als ihre disziplinarischen Vorgesetzten haben.
Entsprechend selbstbewusst sind diese Mitarbeiter insbesondere dann, wenn sie wissen, dass das Unternehmen auf ihre Expertise angewiesen ist. Sie treten selbstbewusst ihren Vorgesetzten entgegen und wollen in der Alltagskommunikation mit ihnen die Wertschätzung spüren, die ihnen und ihrer Arbeit nach ihrer Auffassung gebührt. Sonst sinkt ihre Arbeitsmotivation, und im Extremfall wechseln sie den Arbeitgeber – speziell in einer Arbeitsmarktsituation, in der viele hoch qualifizierte Spezialisten eine heiß umkämpfte Mangelware sind.
Führungskräfte müssen mehr und anders kommunizieren
Solch selbstbewusste Mitarbeiter zu führen, fällt vielen Führungskräften schwer – auch, weil sie nicht selten insgeheim noch das Credo verinnerlicht haben: Mitarbeiter haben die Anweisungen ihrer Vorgesetzten blind zu befolgen. Das tun besagte Mitarbeiter aber nicht: Sie hinterfragen mehr oder minder offen die Anweisungen und Entscheidungen ihrer Führungskräfte. Zumindest wollen sie von ihrer Führungskraft eine in ihren Augen plausible Begründung haben, warum aus deren Warte gewisse Dinge nötig sind.
Für die Führungskräfte bedeutet dies: Sie müssen mehr und anders als früher mit ihren Mitarbeitern kommunizieren. Statt Top-down-Anweisungen ist heute ein Einbeziehen der Mitarbeiter in die Ent-scheidungsprozesse angesagt. Und wenn dies nicht möglich ist? Dann müssen die Führungskräfte zumindest akzeptieren, dass ihre Mitarbeiter ihre Entscheidungen hinterfragen. Doch nicht nur das. Sie müssen auch akzeptieren, dass nicht nur sie zuweilen das Verhalten ihrer Mitarbeiter hinterfragen; ihre Mitarbeiter tun dies umgekehrt auch.
Zumindest theoretisch ist dies heute den meisten Führungskräften klar. Das bedeutet aber nicht, dass sie im Führungsalltag stets das richtige Führungsverhalten zeigen. Im Betriebsalltag registriert man oft, dass Führungskräfte gerade in Situationen, in denen sie selbst angespannt sind, ein Führungsverhalten zeigen, das eher einem autoritären als partnerschaftlich-kooperativen Führungsstil entspricht. Dadurch provozieren sie oft vermeidbare Konflikte in der Beziehung zu ihren Mitarbeitern.