Der Kölner Anbieter eines Repricing-Tools logicsale AG hatte am Wochenende eine große Störung, sodass Händlerpreise deutlich zu niedrig auf Amazon angezeigt worden sind. Ein Worst-Case-Szenario für Händler und den Anbieter. Dieser Vorfall zeigt vor allem eines: Die Abhängigkeit der Händler von Dienstleistern und die schlimmen Folgen für die Seller, wenn etwas bei einem Lösungsanbieter in die Hose geht.

Ein Händler meldete gegenüber Wortfilter: »Kannst du mir einen Tipp geben? Logicsale, mein Preis-Tool für Amazon, hatte über das WE angeblich einen Serverfehler. Bei allen meine Artikel bei amazon.se und Amazon.pl wurde der Preis auf 19,- € runtergezeichnet. Es haben sich nun 200 Bestellungen angesammelt. Es handelt sich hauptsächlich um Schuhe VK zwischen 100-200 €. Wer haftet in solchen Fällen?« und weiter »[…] wenn ich alles verschicke, ist mein Schaden bei circa 10K. Wenn ich storniere, macht Amazon mich bestimmt dicht

Der Lösungsanbieter regierte auf den Fall wie folgt:

Liebe Kunden,

wie Sie vielleicht schon mitbekommen haben, kam es seit letzter Nacht bei uns
aufgrund eines Serverfehlers zu Problemen in einigen Accounts.

Wir sind seit den frühen Morgenstunden mit allen Kräften dabei, die entstandenen Probleme
rückgängig zu machen und die Ursache aufzudecken.

Wie gehen Sie und wir jetzt weiter vor?

Stellen Sie Ihr Amazon Konto wieder aktiv, sodass unser System die richtigen Preise senden kann.

Eröffnen Sie ein Ticket mit dem unten stehenden Inhalt bei Amazon.
Versuchen Sie die Bestellungen zu stornieren, ACHTEN Sie bitte auf Ihre Storno-Quote!
Senden Sie uns bitte eine E-Mail mit den entstandenen Problemen, damit wir diese abarbeiten und an unsere Rechtsabteilung weiterleiten können.
Wir werden uns in den kommenden Tagen mit jedem einzelnen Fall intensiv beschäftigen und Ihnen so schnell es geht eine Rückmeldung zukommen lassen
Bitte erstellen Sie ein Ticket in Ihrem Amazon SellerCentral mit folgendem Inhalt:

Liebes Amazon Team,
aufgrund eines Server-Fehlers bei unserem Drittanbieter für Repricing, der logicsale AG, wurden
seit gestern Abend und heute Nacht die Preise sowie Mengen unserer Produkte falsch zu Ihnen
importiert. Es handelt sich um alle Produkte mit einem Artikelpreis in Höhe von 18€.
Bitte stornieren Sie alle Bestellungen, die seit gestern Abend mit einer Höhe von 18€ ausgelöst
wurden. Bitte aktivieren Sie die Artikel mit Höchstpreisfehler wieder.

Bei Fragen können Sie die logicsale AG auch direkt unter 0221 67770424 erreichen.
Vielen Dank.

Mittlerweile steht der Tool-Anbieter im direkten Austausch mit Amazon und es wird gemeinsam an einer Lösung für die Händler gearbeitet. Sinnvoll wäre, dass die Händler ihre Transaktionen ohne Auswirkung auf die Storno-Quote stornieren können.

Liebe Kunden,
wir arbeiten weiter mit Hochdruck daran, alle betroffenen Accounts wieder in den „Normalzustand“ zu versetzen.

Falls Sie weiterhin Probleme mit Mengen, Preisen oder FBA Artikeln haben sollten, senden Sie uns bitte eine E-Mail mit Ihrer Kundennummer und einer kurzen Beschreibung des Problems an [email protected].

Zudem sind wir heute einen Schritt weitergekommen, was den Kontakt zu Amazon angeht und warten gerade auf eine Rückmeldung bezüglich der zu stornierenden Bestellungen und der Auswirkungen auf Ihren Händleraccount.

Wir hoffen Ihnen diesbezüglich morgen eine weitere Rückmeldung geben zu können.

Unsere Rechtsabteilung und unsere Anwälte sind aktuell damit beschäftigt, den Fall aufzuarbeiten und mögliche rechtliche Maßnahmen zu ergreifen.

Dieser Vorgang wird aller Voraussicht nach noch bis mindestens Ende nächster Woche andauern.

Bis dahin können wir Ihnen leider keine verbindliche Aussage bezüglich Schadenersatzansprüchen geben.

Bitte senden Sie etwaige Schadenersatzansprüche an folgende E-mail Adresse:

[email protected]

Unser Serviceteam steht Ihnen weiterhin für Fragen und Probleme telefonisch sowie per E-mail zur Verfügung.

Ihr logicsale Team

Logicsale informiert seine Händler laufend über die Ereignisse. Soweit der Kontext, der jedem Dienstleister und Lösungsanbieter passieren kann. Daher auch ganz deutlich: logicsale ist kein Vorwurf zu machen. Trotzdem ist es nötig, einen solchen einmaligen Vorfall etwas unter die Lupe zu nehmen.

Abhängigkeit & Schadensfolgen der Seller

Wer Drittanbieter-Lösungen nutzt, der begibt sich in eine zusätzliche Abhängigkeit mit ganz bösen Folgen. Besonders dann, wenn solche Lösungen aktiv eure Listings – hier den Preis – verändern, könnt oder konntet ihr bewerten, welche Sicherheitsmaßnahmen eure Anbieter integriert haben. Selbst wenn ihr es erfahren würdet, könntet ihr diese Informationen verstehen? Und wer von euch hat sich schon einmal Gedanken gemacht, was ein Worst-Case-Szenario für euch an Folgen haben kann? Wahrscheinlich nein, ihr vertraut in einer Blauäugigkeit auf die Dinge: Es wird schon nichts passieren. Aber jetzt ist etwas passiert und was jetzt? Bringen wir es auf den Punkt: Geholfen wird euch kaum. Zunächst steht ihr im Regen und habt den Schaden. Ob und wie ihr ihn ersetzt bekommt, steht meistens in den Sternen.

Zur Verdeutlichung des Risikos: Bei euch sind 500 Käufe betroffen. Ein Repricer hat den Preis versehentlich von 100 € auf 50 € reduziert. Der Schaden: 25.000 €. Eine Stornierung aller 500 Käufe würde eure Stornoquote ins Unendliche treiben.

Wer haftet? Da hilft ein Blick in die jeweiligen AGB

Eigentlich solltet ihr VOR (!) Vertragsschluss einen aufmerksamen Blick in die jeweiligen AGB werfen. Was lest ihr dort? Den Haftungsausschluss bzw. die Haftungseinschränkungen. Meistens wird nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gehaftet. Das bedeutet in der Realität: Ihr habt die A-Karte aber dermaßen grandios gezogen.

Nur, was hat die Erkenntnis für Konsequenzen? Keine, denn euer Partner ändert seine AGB nicht. Ihr bucht die Lösung und damit auch das Risiko. Was tatsächlich hilft bzw. helfen wird, ist eine langfristige Kampagne – gerichtet an alle Dienstleister – welche alle Lösungsanbieter zur Partizipation an den Risiken zwingt und nur minimalistisch technische Sicherheitsvorsorgen offenlegt.

Das Versagen der Lösungsanbieter

In etlichen Störungen, die wir alle in den vergangenen Jahren beobachten konnten, hat sich eines gezeigt: Die Dienstanbieter sind sehr selten auf Ausfälle und Worst-Case-Szenarien vorbereitet. Sie haben weder eine Blaupause noch irgendeinen Plan B in der Schublade. Die Konsequenz: Ihr als Seller tragt häufig den Schaden, denn tatsächlich passieren durch Ausfälle sehr selten Kündigungen. Das ist nachvollziehbar. Denselben Risiken seid ihr in der Regel bei den Marktbegleitern auch ausgesetzt. Die Forderung sollte klar sein: Dienstleister müssen einen Plan B in der Schublade haben, gerade dann, wenn sie durch eigene Fehler Händlerexistenzen gefährden können.

Ein weiterer Aspekt ist, dass ihr alle darauf vertraut, dass eure Lösungsanbieter selbst ein großartiges Sicherheitssystem haben, um ihre Tools vor Fehlern zu bewahren. Haben sie das tatsächlich? Wir wissen es nicht, das ist eine große Blackbox und die Anbieter kommunizieren es leider auch nicht ausreichend.

Und ganz oben in der Nahrungskette steht die Plattform

Die Plattform – hier Amazon – kann natürlich alle Herausforderungen lösen. Aber was ist, wenn – was hier nicht der Fall ist – das Unternehmen nicht erreichbar ist, sich tot stellt und nicht supportet? Genau, ihr seid auch hier in den Allerwertesten gekniffen. Hilfreich wäre also, dass die Plattformen für solche Fälle ein Team oder einen Ansprechpartner vorhalten. Nur welche Plattform macht das?

Und was lernen wir daraus? Das Onlinehändlerleben ist doof!

Das, was hier den Händlern bei der Benutzung eines Repricers passiert ist, ist dramatisch aber nicht einzigartig. Ihr seid alle Gefahren und Risiken ausgesetzt, die ihr faktisch kaum beherrschen könnt. Wie auch in dem aktuellen Fall werden wohl alle Beteiligten mit einem ›blauen Auge‹ davonkommen. Trotzdem sind das Risiken, die ihr als Händler eigentlich nicht tragen solltet. Daher sollten klare Forderungen formuliert werden, welche das Risiko transparent und deutlich beschreiben. Aber es sollten auch bei den Lösungsanbietern und Plattformen Mechanismen installiert sein, die euch maximal schützen. Ja, und auch das gilt: Eine Garantie gibt es nur auf eine Waschmaschine.

Das sind also die Forderungen:

  • Plattformen müssen einen Ansprechpartner für Drittanbieter-Tools installieren
  • Lösungsanbieter müssen Risiken ab-/versichern
  • Lösungsanbieter sollten Kernrisiken nicht in den AGB einschränken dürfen
  • Risiken sollten, ähnlich wie in Wertpapierprospekten, deutlich kommuniziert werden
  • Anbieter müssen Konzepte für einen Ausfall vorhalten
  • Lückenlose Kommunikation zu allen Parteien