Retourenbetrug: Jetzt in der heißen Zeit richtig reagieren
Retouren gehören zum Onlinehandel wie Versandlabel und Paketband. Das Problem: Mit steigenden Rücksendemengen steigt auch der Missbrauch – vom „einmal getragen, dann zurück“ bis zum klaren Betrug mit vertauschter, gefälschter oder leerer Ware.
Für 2025 wird in Deutschland mit rund 550 Millionen Retourenpaketen gerechnet – ein Rekord. (Retourenforschung ) Gleichzeitig wächst das Gesamtpaketvolumen: Der BPEX rechnet 2025 mit rund 4,37 Milliarden Sendungen. (BPEX ) Je mehr Volumen, desto mehr Angriffsfläche – und desto häufiger wird Retourenabwicklung zur Betrugsbühne.
Inhaltsverzeichnis
- Retourenbetrug: Jetzt in der heißen Zeit richtig reagieren
- Erstmal sauber trennen: Graubereich vs. echter Betrug
- Was kostet dich das? (Zahlen, die du für die BWA brauchst)
- Wie du Retourenbetrug identifizierst: Muster, Signale, „Red Flags“
- Was du konkret tun kannst: Maßnahmen, die wirklich wirken
- 1) „Return Authorization“ (RMA) mit Mindestdaten
- 2) Gewicht & Scan als Standardprozess am Wareneingang
- 3) Seriennummern/IMEI/Batch-Tracking für Elektronik & Premium
- 4) „Good Customer“-Fastlane & Risiko-Flow trennen
- 5) Fotodokumentation – aber richtig
- 6) Verpackungs- und Siegelstrategie (tamper-evident)
- 7) Wertersatz konsequent nutzen (rechtlicher Hebel)
- 8) „Serial Returner“-Policy, aber DSGVO-sauber
- 9) Plattform- und Zahlungsdienstleister: Beweise gewinnen
- Weihnachtszeit = Peak-Zeit: Operative Sofortmaßnahmen (die du diese Woche noch umsetzen kannst)
- Betrug senkst du nicht mit Bauchgefühl – sondern mit Beweiskette + Selektivität
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Eine Bamberger Forschungslinie (Retourenforschung) ist dabei besonders interessant, weil sie das Thema nicht nur moralisch, sondern empirisch betrachtet: 17,8 % der Befragten geben an, das Widerrufsrecht schon einmal „ausgereizt“ zu haben. (Hi Heute ) Der gewichtete Missbrauchsanteil liegt bei rund 3,6 % aller Retouren – im Fashionbereich deutlich höher, in manchen Kategorien nahezu irrelevant. (Hi Heute )
Und jetzt die Wahrheit: Selbst wenn „nur“ 3,6 % missbräuchlich sind, ist die absolute Zahl bei 550 Millionen Retouren gigantisch.
Erstmal sauber trennen: Graubereich vs. echter Betrug
Damit du die richtigen Maßnahmen wählst, musst du unterscheiden:
1) Graubereich („Retourenmissbrauch“)
- Wardrobing: Kleidung/Schuhe einmal nutzen (Event/Urlaub), dann Rücksendung
- „Anprobe-Exzesse“: bewusst mehrere Größen/Varianten bestellen ohne Kaufabsicht
- „Mietmentalität“: Gerät kurz nutzen, zurückschicken
Hier bist du oft im Spannungsfeld Widerrufsrecht ↔ Wertverlust. Du kannst nicht pauschal „verbieten“, aber du kannst Wertersatz durchsetzen, wenn die Nutzung über das Prüfen hinausging. Und du das beweisen kannst.
2) Krimineller Retourenbetrug
- „Box of rocks“: falscher Inhalt / Füllmaterial statt Ware
- „Switch fraud“: Original gegen defektes/älteres Gerät getauscht
- Fälschungen statt Original zurückgeschickt
- Leere Rücksendung + „Paket zugestellt“-Beleg
- Refund ohne Rücksendung durch Eskalation/Manipulation
- Identitäts-/Zahlungsmissbrauch in Kombination mit Retouren
Hier brauchst du Beweiskette, Prozesse, ggf. Strafanzeige – und vor allem: ein System, das solche Fälle früh erkennt.
Was kostet dich das? (Zahlen, die du für die BWA brauchst)
Retouren sind nicht nur „Porto hin und her“. Händler kalkulieren laut EHI-Studien/Erhebungen Retourenkosten pro Artikel häufig in diesen Bandbreiten:
- bis 5 € (18 % der Befragten)
- 5–10 € (30 %)
- 10–20 € (26 %)
- in Einzelfällen bis 50 € und mehr (EHI Retail Institute )
Je höher dein Warenwert und je höher der Anteil „nicht wieder verkaufsfähig“, desto schneller wird aus Retouren ein Ergebnis-Killer.
Und das ist nur Deutschland. In den USA erwartet die NRF 2025 Returns im Wert von hunderten Milliarden Dollar und nennt für Onlinehandel eine Rücksendequote von 19,3 % der Online-Sales. (National Retail Federation ) Das ist kein 1:1-Vergleich, aber es zeigt: Retouren sind global ein systemisches Thema.
Wie du Retourenbetrug identifizierst: Muster, Signale, „Red Flags“
A) Kunden- und Kontomuster
- auffällig viele Retouren im Verhältnis zu Bestellungen („Serial Returner“)
- hohe Retourenquote nur bei bestimmten Warengruppen (z. B. Sneaker, Elektronik, Parfum)
- wechselnde Namen, aber gleiche Adresse / gleiche IP / gleiche Device-Fingerprint
- viele Bestellungen kurz vor Feiertagen/Events (Wardrobing-Hochsaison)
- wiederkehrende „Ware fehlt“, „Paket leer“, „falscher Artikel“-Claims
B) Bestell- und Zahlungsindikatoren
- Erstbestellung + hoher Warenwert + Expressversand
- Adressabweichungen (Billing/Shipping), Paketshop/Packstation als Ziel
- auffällige Payment-Kombinationen (z. B. PayLater + hochpreisig + kurze Kontohistorie)
- ungewöhnliche Warenkörbe: viele Varianten, viele Größen, „Testkauf-Muster“
C) Retouren- und Paketindikatoren (harte Fakten)
Das ist die größte Hebelstelle, weil du hier objektive Daten bekommst:
- Gewicht der Rücksendung passt nicht zum Sollgewicht (Differenzschwelle definieren)
- fehlende oder falsche Seriennummer/IMEI/Batch
- Manipulationsspuren an Siegeln, Etiketten, Originalverpackung
- „Artikel unbenutzt“ deklariert, aber Spuren (Abrieb, Geruch, Make-up, Kratzer)
- Retourenlabel wurde mehrfach genutzt / ungewöhnlicher Einlieferungsort
Wenn du nur zwei Dinge standardisierst, nimm diese:
- Sollgewicht je SKU im System hinterlegen
- Seriennummern/Unique IDs bei riskanten Warengruppen erfassen
Was du konkret tun kannst: Maßnahmen, die wirklich wirken
1) „Return Authorization“ (RMA) mit Mindestdaten
Kein Rücksendeetikett „auf Zuruf“. Für risikoreiche Warengruppen:
- Grund auswählen (Dropdown)
- Foto-Upload bei Defekt/Schaden (vor Rücksendung)
- Seriennummer abfragen (wenn vorhanden)
- Rücksendung nur über deine RMA-ID
Das senkt spontane Betrugsversuche massiv, weil es Hürden aufbaut – ohne ehrliche Kunden zu quälen.
2) Gewicht & Scan als Standardprozess am Wareneingang
- Waage am Retourentisch (automatisiert ins System)
- Sollgewicht-Logik: „innerhalb Toleranz = normal“, „außerhalb = Prüfung“
- Foto-Checkpoint bei Abweichung (Beweiskette)
Das ist banal, aber brutal effektiv – besonders bei „leeren Paketen“ und Switch-Fraud.
3) Seriennummern/IMEI/Batch-Tracking für Elektronik & Premium
- Seriennummer beim Versand erfassen (Pick/Pack Scan)
- Seriennummer bei Retoure gegenprüfen
- bei Abweichung: keine automatische Erstattung
Wenn du das nicht machst, lädst du Switch-Fraud praktisch ein.
4) „Good Customer“-Fastlane & Risiko-Flow trennen
Du willst nicht pauschal streng werden – du willst selektiv sein:
- bekannte gute Kunden: schnelle Erstattung
- neue/auffällige Profile: erst Prüfung, dann Erstattung
- höhere Schwelle für „Refund ohne Rücksendung“
Das schützt Umsatz und Trust gleichzeitig.
5) Fotodokumentation – aber richtig
Viele Shops machen Fotos „irgendwie“. Besser:
- Standard-Hintergrund am Retourentisch
- Foto von Außenkarton + Label
- Foto vom Öffnungsschritt (Siegel/Manipulation)
- Foto vom Artikel + Seriennummer/Etikett
- alles an RMA gebunden
Das ist dein Rettungsring bei Payment-Disputes und Plattformfällen.
6) Verpackungs- und Siegelstrategie (tamper-evident)
Für missbrauchsanfällige Kategorien:
- Siegelaufkleber, die beim Ablösen zerstören
- spezielle Klebebänder mit Muster
- Innenbeileger mit eindeutiger Markierung
Das verhindert nicht alles – aber es macht Manipulation sichtbar.
7) Wertersatz konsequent nutzen (rechtlicher Hebel)
Wenn Ware offensichtlich genutzt wurde, ist „Widerruf = Vollrefund“ nicht automatisch. Das deutsche Recht kennt Wertersatz bei Wertverlust, wenn die Nutzung über das Prüfen hinausging. (Händlerbund
)
Wichtig ist: sauber dokumentieren (Fotos, Prüfprotokoll, ggf. Geruch/Spuren, Verpackungszustand) und klare Kommunikation im Prozess.
(Hinweis: Das ist keine Rechtsberatung – bei Streitfällen lohnt der Blick mit Anwalt/Legal-Dienstleister auf deine Widerrufsbelehrung und Prozesskette.)
8) „Serial Returner“-Policy, aber DSGVO-sauber
Du kannst auffällige Muster intern bewerten (Risikoscoring), aber:
- Zweckbindung, Datenminimierung, Löschkonzept
- keine „Blacklist“ ohne saubere Grundlage
- transparente Prozesse bei eingeschränkten Serviceleistungen
Wenn du hier unsauber arbeitest, handelst du dir Datenschutz- und Reputationsstress ein.
9) Plattform- und Zahlungsdienstleister: Beweise gewinnen
Bei Disputes zählt Belegbarkeit:
- Versandnachweis + Zustellung
- Seriennummern-Logik
- Fotodokumentation der Retoure
- Gewichtsprotokolle
- Kommunikationshistorie
Je stärker deine Beweiskette, desto besser deine Quote bei Chargebacks und Plattformentscheidungen.
Weihnachtszeit = Peak-Zeit: Operative Sofortmaßnahmen (die du diese Woche noch umsetzen kannst)
- Schwellenwert definieren: „ab X € Warenkorb → Prüfung vor Refund“
- Pflichtgewicht am Retourentisch einführen
- Foto-Standard bei „falscher Artikel/leer“ als SOP
- Seriennummern-Check für Elektronik aktivieren
- RMA-Pflicht für Premium-Kategorien
- Support-Skripte: freundlich, klar, faktenbasiert („Bitte Foto/Seriennummer/Gewichtsdifferenz“)
Betrug senkst du nicht mit Bauchgefühl – sondern mit Beweiskette + Selektivität
Retourenbetrug ist kein Trick, sondern ein System aus Gelegenheiten. Du musst nicht „härter“ zu allen Kunden werden. Du musst besser unterscheiden: gute Kunden schneller, Risikofälle kontrollierter. Je mehr du messbar machst (Gewicht, Seriennummer, Fotos), desto weniger kann man dich mit „ist halt so“ überrollen.
Und wenn du bei 550 Millionen Retouren in Deutschland nur ein kleines Stück Betrug rausfilterst, ist das schnell ein echter Ergebnishebel. (Retourenforschung )
(Zu diesem Beitrag wurde ich durch diesen Artikel auf neuhandeln.de inspiriert)





