von Roger Gothmann, taxdoo.de

Wenn ihr eure Produkte grenzüberschreitend verkauft, wird sich früher oder später die Frage für euch stellen, ob ihr dabei auf ausländische Warenlager zurückgreifen solltet.

Diese haben den Vorteil, dass zum einen die Versandkosten und Lagergebühren meist niedriger sind als beim Versand aus Deutschland heraus. Zum anderen verringert sich oftmals die Lieferzeit, wenn die Ware bereits im Land eures Kunden eingelagert wurde.

Im Fokus steht zur Zeit das Programm Paneuropäischer Versand von Amazon. Amazon hat bereits zahlreiche Lager innerhalb der Europäischen Union (EU) errichtet und arbeitet laufend daran, diese Kapazitäten weiter auszubauen. Zur Zeit gibt es Amazon Fulfillment Center in den folgenden Mitgliedstaaten:

  • Deutschland
  • Frankreich
  • Großbritannien
  • Italien
  • Polen
  • Spanien
  • Tschechien

Um eure Produkte im Rahmen des Paneuropäischen Versandes verkaufen zu können, müsst ihr zustimmen, dass Amazon eure Waren in alle oben genannten Ländern disponieren darf.

Doch welche steuerlichen Herausforderungen sind mit der Verwendung ausländischer Warenlager bzw. Fulfillment Center verbunden?

Innergemeinschaftliche Verbringungen oder: Ich liefere an mich selbst

Der erste Schritt bei der Nutzung eines ausländischen Warenlagers wird immer sein, dass ihr—bzw. Amazon in eurem Namen—die Ware in ein ausländisches Lager verbringt. Dabei treten zwei umsatzsteuerlich relevante Transaktionen auf.

Betrachten wir als Beispiel den Händler Anton Meier aus Deutschland.

Anton Meier liefert Ware in ein Lager in Polen ein, da die Lager- und Versandgebühren dort niedriger sind als für ein deutsches Warenlager. Von dort aus können seine Waren z.B. weiter nach Tschechien oder Großbritannien disponiert werden—also immer dorthin, wo die Nachfrage und/oder die Lagerkapazitäten das gerade verlangen.

Wir schauen uns nun in diesem Beispiel das Verbringen nach Polen genauer an. Das Folgende gilt aber auch für Verbringungen in alle anderen EU-Staaten.

Transaktion 1: Innergemeinschaftliches Verbringen

Anton lässt seine Produkte von Amazon zunächst in ein Warenlager nach Polen verbringen. Dabei handelt es sich um eine steuerfreie Lieferung von Anton aus Deutschland nach Polen an sich selbst—eine sogenannte innergemeinschaftliche Verbringung.

Transaktion 2: Innergemeinschaftlicher Erwerb

Gelangt Anton’s Ware nun in das polnische Lager, tätigt Anton aus umsatzsteuerlicher Sicht einen sogenannten innergemeinschaftlichen Erwerb in Polen. Dieser Erwerb ist steuerpflichtig und unterliegt der Umsatzsteuer in Polen—zur Zeit also 23%.

Letztendlich wird die steuerliche Zahllast aus dieser Transaktion in der Regel aber Null sein, da Anton einen Vorsteuerabzug aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb in der selben Höhe haben dürfte.

Letztendlich weiß der polnische Fiskus durch dieses Verfahren aber, dass Anton Ware nach Polen verbracht hat, um diese von dort aus zu verkaufen.

Wie und wo erkläre ich Verbringungen?

Die Erklärung der Verbringung erfolgt sowohl in Deutschland als auch in Polen. Wir zeigen euch im Folgenden, wie das funktioniert.

Deutschland: Innergemeinschaftliche Verbringung

In dem Land, in dem die Verbringung startet—hier in Deutschland—erklärt ihr die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung (Verbringung). Ihr gebt dabei die kumulierten Einkaufspreise aller verbrachten Waren eines Monats bzw. eines Quartals im Feld 41 an.

Zusätzlich muss Anton die Verbringung in der Zusammenfassenden Meldung (ZM) erklären. Darin erklärt er denselben Betrag wie in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung.

Der Grund dafür ist, dass die Daten aus der ZM EU-weit ausgetauscht werden. Diese Daten werden an die polnische Finanzverwaltung gemeldet, damit das Finanzamt in Polen dann prüfen kann, ob Anton dort denselben Betrag als innergemeinschaftlichen Erwerb gemeldet hat. So ist sichergestellt, dass die Finanzverwaltungen in der EU immer einen Überblick zum Verbleib eurer Waren haben—bis hin zum steuerpflichtigen Verkauf an den Endverbraucher.

Polen: Innergemeinschaftlicher Erwerb und Vorsteuerabzug

In dem Land, in dem die Verbringung endet—hier in Polen—erklärt ihr den steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb und macht den Vorsteuerabzug geltend, so dass der Saldo grundsätzlich gleich Null ist. Bemessungsgrundlage sind wieder die Einkaufspreise, welche ihr im Fall von Polen noch in Zloty umrechnen müsstet. (Hinweis: Das haben wir hier aus didaktischen Gründen nicht getan, um zu zeigen, dass die 100.000 Euro, welche ihr in Deutschland erklärt, auch 100.000 Euro in Polen entsprechen sollten, um Nachfragen des polnischen Finanzamtes zu vermeiden.)

In Polen greift zur Zeit ein Standardsteuersatz in Höhe von 23%. Aus Gründen der Verständlichkeit haben wir keine polnische Umsatzsteuer-Voranmeldung (UStVA) verwendet—sondern eine deutsche UStVA mit polnischen Steuersätzen.

Wie aus dem Beispiel zu erkennen ist, muss Anton bereits Umsatzsteuer-Erklärungen in Polen einreichen, bevor er auch nur ein einziges Produkt von dort aus an Endverbraucher verkauft hat. Aus diesem Grund solltet ihr zwingend in den entsprechenden Ländern steuerlich registriert sein, bevor ihr eure Waren dorthin verbringt—bzw. von Amazon verbringen lasst.

Intrastat-Erklärungen

Überschreiten eure innergemeinschaftlichen Verbringungen oder innergemeinschaftlichen Erwerbe bestimmte Grenzwerte, müsst ihr noch weitere Meldungen an die jeweiligen Statistikämter machen—in Form der sogenannten Intrahandelsstatistik (Intrastat). In Deutschland ist dafür das Statistische Bundesamt zuständig. Eine Übersicht der aktuellen Grenzwerte und Zuständigkeiten in den übrigen EU-Staaten findet ihr hier.

Was muss ich für das Finanzamt dokumentieren?

Wann immer ihr eine umsatzsteuerfreie Lieferung tätigt, wird das Finanzamt genau hinschauen und prüfen, ob ihr die Steuerfreiheit auch tatsächlich in Anspruch nehmen durftet. Insofern müsst ihr eure steuerfreien innergemeinschaftlichen Verbringungen sauber dokumentieren. Was benötigt ihr dafür?

Pro-Forma-Rechnung

Im Fall der steuerfreien innergemeinschaflichen Verbringungen muss für jeden Verbringungsvorgang eine sogenannte Pro-Forma-Rechnung erstellt werden. Dabei handelt es sich um eine Rechnung, in der ihr mit eurer deutschen Adresse und deutschen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer als Absender steht. Zudem seid ihr aber auch (in dem oben genannten Beispiel) mit der Adresse des polnischen Warenlagers (c/o) und eurer polnischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Rechnungsempfänger.

Auf dieser Pro-Forma-Rechnung sollten zwingend die Mindestangaben enthalten sein, welche in § 17 Absatz 2 und Absatz 3 UStDV aufgelistet werden.

Das Nettoengelt dieser Rechnung setzt sich dabei aus euren Einkaufspreisen bzw. Wiederbeschaffungskosten zusammen.

Gelangensbestätigungen?

Einige Steuerberater empfehlen ihren Mandanten als Nachweis für die steuerfreien Verbringungen, sich zusätzlich die Frachtbriefe bzw. Versandbelege zu beschaffen oder sich gar eine Gelangensbestätigung zu erstellen.

Aus unserer Sicht ist dieser Aufwand aufgrund der aktuellen Gesetzeslage nicht erforderlich. Das Finanzgericht Köln hat diese Ansicht im Jahr 2015 ebenfalls bestätigt (4 K 3157/11). Da die streitende Finanzbehörde in dem Fall jedoch in die Revision gegangen ist, liegt dieses Verfahren nun dem Bundesfinanzhof vor. Sobald hier ein abschließendes Urteil vorliegt, werden wir zeitnah über den Ausgang berichten. Aktuell könnt ihr euch jedoch auf die aktuelle Gesetzeslage und ggf. das Urteil des Finanzgerichts Köln berufen.

Was, wenn ich noch nicht im Ausland registriert bin?

Verbringt ihr Ware in einen Mitgliedstaat, in dem ihr steuerlich noch nicht registriert seid, könnt ihr keine hinreichende Pro-Forma-Rechnung erstellen, da euch die UStID-Nr. dieses Landes fehlt.

Da dieses Problem in der Praxis sehr häufig auftritt, wollen wir euch bzw. euren Steuerberater auf ein aktuelles Urteil hinweisen, dass euch vor hohen Nachzahlungen bewahren kann.

In dem Sachverhalt wollte ein deutsches Finanzamt eine innergemeinschaftliche Verbringung nachträglich versteuern, da der Unternehmer über keine UStId-Nr. des Bestimmungslandes verfügte.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 20.10.2016 (C-24/15) entschieden, dass das Finanzamt in dem Fall, dass keine ausländische UStID-Nr. aufgezeichnet wurde bzw. werden kann, nicht ohne Weiteres eine innergemeinschaftliche Verbringung nachträglich versteuern darf. Liegen keine objektiven Beweise vor, dass Ware aus betrügerischer Absicht in das Ausland verbracht wurde, bleibt diese Verbringung grundsätzlich auch ohne gültige UStID-Nr. steuerfrei.

Verbringungen automatisch erfassen—mit Taxdoo

Da für elektronische Marktplätze in erster Linie die Zufriedenheit des Konsumenten im Vordergrund steht, ist es z.B. für Amazon eines der Hauptziele, dass Kunden ihre Waren so schnell als möglich erhalten.

Basierend auf der Auslastung der jeweiligen Lager sowie der erwarteten Nachfrage vor Ort wird Amazon eure Produkte oft von einem Land in ein anderes disponieren. Allerdings führt das auch dazu, dass ihr—bzw. Amazon als Logistikdienstleister in eurem Namen—eine Vielzahl steuerlich relevanter Transaktionen (Verbringungen) durchführt. Diese müsst ihr buchhalterisch erfassen und steuerlich erklären. Das sollte zwingend automatisiert erfolgen.

Spricht man mit Händlern oder Steuerberatern über das Thema innergemeinschaftliche Verbringungen, hört man oft die Aussage: “Ich würde meinen Erklärungspflichten (gerne) nachkommen, aber mir fehlen einfach die Informationen darüber, in welche Länder meine Waren ständig verbracht werden.”

Mithilfe von Taxdoo ist das kein Problem mehr. Unsere Software erfasst jede einzelne Transaktion mit allen steuerlich relevanten Daten—sei es ein Verkauf, eine Erstattung oder das Verbringen eurer Waren.

 

(zuerst erschienen bei taxdoo.de)

 

Roger ist der Umsatzsteuer-Experte bei Taxdoo. Er war 14 Jahre für die Finanzverwaltung als Umsatzsteuer-Sonderprüfer und zuletzt im Bereich des Bundesfinanzministeriums tätig. https://www.taxdoo.com