Wann ist ein Verkäufer gewerblich? – Der EuGH muss entscheiden.

Das latente Ärgernis vieler gewerblicher Onlinehändler: Sie sehen ihre Angebote im Wettbewerb von privatgewerblichen Händlern. Diese Händler entziehen sich aller gesetzlichen Pflichten. Sie räumen keine Widerrufsmöglichkeit ein, leisten keine Gewährleistung und nur selten führen sie ihre Steuern ordentlich ab. Sie stellen also eine tatsächliche Behinderung des Wettbewerbs dar.

Abmahnungen richtig eingesetzt

Verkauft ein Unternehmer Waren über eine Internetplattform, muss er sich unter anderem an das Wettbewerbsrecht halten. Verkauft dagegen eine Privatperson etwas im Internet, gilt das Wettbewerbsrecht für diese nicht.

In Deutschland wurden viele tausend private Verkäufer bei eBay abgemahnt. Meist waren die Unternehmer der Ansicht, dass es sich nicht mehr um private Verkäufer handelte, sondern um gewerbliche, die alle Informationspflichten erfüllen müssen. Der EuGH wird sich mit der Frage beschäftigen, wann ein Verkäufer als Unternehmer zählt.

Ab wann gilt man als Unternehmer?

Die Rechtsprechung in Deutschland hat sich schon sehr oft mit der Frage auseinander gesetzt, ab wann ein Verkäufer zu einem Unternehmer wird. Dabei kam das OLG Frankfurt z.B. zu dem Ergebnis, dass unternehmerisches Handeln vorliegt, wenn pro Jahr 484 bewertete Verkäufe bei eBay vorliegen.

Einheitliche Grenzwerte gibt es allerdings nicht. Denn es kommt den deutschen Gerichten bei dieser Frage immer auf alle Umstände des Einzelfalls an.

Acht Angebote gleichzeitig

Aber nicht nur die deutsche Rechtsprechung beschäftigt sich mit dieser Frage. Beim EuGH (Rs. C-105/17) ist eine Vorlagefrage des Verwaltungsgerichtes Varna (Bulgarien) anhängig.

Das bulgarische Gericht will vom EuGH wissen, ob ein Verkäufer als Unternehmer im Sinne der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken gilt, wenn dieser auf einer Internetseite für den Verkauf von Waren registriert ist und gleichzeitig acht Verkaufsanzeigen online geschaltet hat – und zwar über den Verkauf von verschiedenen Waren.

„Ist Art. 2 Buchst. b und Buchst. d der Richtlinie 2005/29/EG1 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken dahin auszulegen, dass eine Tätigkeit einer natürlichen Person, die auf einer Internetseite für den Verkauf von Waren registriert ist und gleichzeitig insgesamt acht Anzeigen für den Verkauf verschiedener Waren über die Website veröffentlicht hat, eine Tätigkeit eines Gewerbetreibenden im Sinne der Legaldefinition nach Art. 2 Buchst. b ist, Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Sinne von Art. 2 Buchst. d darstellt und in den Anwendungsbereich der Richtlinie gemäß Art. 3 Abs. 1 fällt?“

Kommt eine neue Abmahnwelle?

Weitere Informationen zu dem Fall liegen aktuell nicht vor, sondern lediglich die Vorlagefrage des bulgarischen Gerichts.

Sollte der EuGH aber zu dem Ergebnis kommen, dass bereits das gleichzeitige Anbieten von 8 unterschiedlichen Artikeln über Internetplattformen ausreichend sein soll, um als Unternehmer zu gelten, dann werden sich Abmahnvereine wie der IDO wohl die Hände reiben. Denn dann wächst der Kreis der Abmahnopfer um ein Vielfaches.

Sobald die Schlussanträge des Generalanwaltes vorliegen – und natürlich dann auch, wenn das Urteil vorliegt – wird Trusted Shops über die Ergebnisse in dem Verfahren und seine möglichen Konsequenzen berichten.

Ist die jetzige Regelung nicht ausreichend?

Ich denke nicht, dass es eine starre ‘Richtlinie’ geben kann, darf und muss. Es kommt in der Tat immer auf den Kontext an. Eine Haushaltauflösung bedeutet nun einmal, dass viele Angebote gleichzeitig zum Verkauf stehen. Aber: Über Jahre Neu- und Gebrauchtware anzubieten ist in meinen Augen ein deutliches Indiz für ein gewerbliches Handeln. Eine Einzelfall Betrachtung scheint mir daher die beste Lösung zu sein. Was meint ihr?

(Mit Material von Martin Raetze, shopbetreiber-blog.de)

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Über Mark Steier

Mark Steier war von 2001 bis 2012 aktiver und größter eBay Händler in Deutschland und wurde mehrfach mit dem Platin-Powerseller-Award ausgezeichnet. Er hat mit eBay zusammen etliche heutige Funktionen für eBay Motors entwickelt. Ende 2012 zog sich Mark Steier aus dem aktiven eBay Geschäft zurück und lebt nun als Privatier in der Südwestpfalz. Seit 2015 betreibt und betreut Mark wortfilter.de. Zudem ist er regelmäßig auf Veranstaltungen anzutreffen, wo er rund ums das Thema Onlinehandel spricht. Aktuelle Informationen und Austausch mit anderen Onlinehändlern findest du in der Wortfilter-Gruppe bei Facebook.

9 Gedanken zu „Wann ist ein Verkäufer gewerblich? – Der EuGH muss entscheiden.

  1. Paul

    Frau Merkel will keine Regelungen, weil diese Auslegung den Anwälten, Steuerberatern und Finanzämtern viel Geld einbringt.

    Es dauerte auch fast 10 Jahre bis eine “Deckelung/Limit” bei Filesharing von Filmen endlich aufgesetzt wurde und man von ehemals
    von bis zu 9000 Euro pro Film man heute pro Film nur bis max. 150-180 Euro pro Film in einer Abmahnung auferlegen kann.

    Die deutsche Justiz ist eine “Nutte”, weil in keinem Land der EU die Justiz so hilfreich zur Hand geht wie in DEU.

    In Frankreich muss ein Abmahner oder Kläger sehr klar “beweisen”, dass ein Rechtsbruch stattgefunden hat und solche
    Dinge wie IP-Adresse oder den “Schuldigen” klar identifizieren.

    In DEU nimmt der dt. Staat diese Aufgaben ab und verlangt
    oft keine “richtigen” Beweise, dabei werden Ip Adresse, Namen des “vermuteten Täters” etc durch den dt. Staat ermittelt oder
    man gibt bei “Abmahnungen” einen Persilschein aus, weil im Wettbewerbsrechts krasse Regelungen für Firmen dann
    automatische Anwendung bei Privatleuten stehen!

    Sogar US Firmen loben wie bei Copyright-Vergehen die dt. Justiz die Beweismittelführung komplett abnimmt und US Firmen mehr
    Probleme haben – bei anderen US Bundesstaaten bei Abmahnungen eine Unterstützung zu bekommen! Wir sind der Sklave der Wirtschaft.

    Das dt. Justizsystem ist seit den 1980er Jahren extrem Reformbedürftig, aber wird nur zum Vorteil der “Wirtschaft”, “Reichen” oder zur “Rechtsbeugung des Staates” selber geändert. Der Beleg findet sich in den EU Studien zu Justizvergleich die alle 4-5 Jahre ermittelt werden.

    Im EU weiten Vergleich liegt unser “ach so tolles dt. Rechtssystem” derzeit zwischen Belgien und Polen im unteren Mittelfeld.

    Der Deutsche denkt immer – man sei so toll, modern und tolerant. Nein, wir sind seit 1998 sehr rückständig.

    Unser Datenschutzgesetz in 1996 war das beste in der Welt (nach Schweden), aber heute ist unser Datenschutz von 2018
    ca. 50% schlechter als in 1996. Unsere Löhne von 2017 sind auf dem Niveau von 2003! Rückständigkeit ist unser Credo!

    Ein Gerichtsvollzieher (alte Regelung = Beamter! Nicht die “neue Regelung” als freiberufliche Inkasso-Eintreiber!) sagte mir einmal,
    dass er seit der Einführung der “dt Abmahnregelung” mehrheitlich “Haarsträubende” Abmahnungen überbringen musste.

    Omis werden von einem “Second Hand Kleidungshop” abgemahnt, weil Sie alte Kleidung Ihrer Kinder (40 Teile) in ebay verkaufte
    um Ihren Enkeln dafür neue Kleidung zu kaufen! Die Omi wurde vor Gericht gezerrt und zu saftigen Kosten verurteil, weil Sie 40 Teile über 4-5 Monate angeboten hatte. Eine Einstweilige Verfügung wurde schon nach 4 Tagen erlassen und eine Summe von 200 000 Euro angesetzt.

    Sie musste einen Anwalt einschalten, einen Steuerberater (weil man dann seine Steuer korrigieren muss) und sogar eine Ordnungsstrafe
    wegen “Handel ohne Gewerbe” von 700 Euro zahlen. Mit Abmahnkosten, Schadenersatz für den Kleidungsshop und Gerichtskosten” hat die Omi dann locker mal 8000 Euro hinlegen müssen.

    In Ihrer Abmahnung war die Frist zu Zahlung der “Abmahnkosten von 3700 Euro” mit 3 Tagen angegeben und wurde an einem Freitag nachmittag durch einen speziellen Postdienst nach 15 Uhr zugestellt – damit die Frist “legal” schon am Montag abläuft.

    Das ist alles Unsinn und wir brauchen klare Limits und vertretbare “Strafen”, da Privatleute nicht mal kurz 3500 bis 5000 Euro aus dem
    Handgelenk schütteln können!

    In 7 Jahren habe ich viele privatleute erlebt, welche massiv vom Staat, Justiz und beruflichen Abmahnern ausgepresst wurden und vor Gericht gehen förderte oft nur “verrückte” Urteile zum Nachteil der Privatperson.

    Bsp:
    * der Verkauf von 4 gebrauchten und alten Industrie-Akkus für 400 EUro das Stück wurde als Gewerblich eingestuft, obwohl der Privatverkäufer die Einnahmen als Privatmann korrekt in seiner Einkommensteuer-Erklärung angegeben hatte.
    * eine Mutter verkaufte in 1 Jahr ganze 80 Baby-Kleidungsstücke in ebay – damit sie Ihren Heranwachsenden Kind mit dem Geld neue “gebrauchte” Kleidung kaufen konnte. Kinder wachsen schnell und in 1 Jahr kann ein Kleinkind schnell aus Kleidungsstücken rauswachsen! Das Gericht sah das anders, weil die hohe Zahl von 80 als Gewerblich eingestuft wurde.
    * der Verkauf von 3000 gebrauchten Bierdeckel aus einer alten Liebhabersammlung in 6 Jahren wurde als Gewerblich eingestuft.
    * der Verkauf von einer Privaten COmicsammlung aus 800 Comics zu 1 Euro das Stück (also mit Verlust gegenüber Kaufpreis) wurde als
    Gewerblich eingestuft.

    DIe Abmahner schicken dann auch nach Zahlung der Abmahnsumme Hinweise an Krankenkassen, Finanzamt und Rentenkasse.
    Dann muss man sich mit den Behörden rumschlagen, weil man nachdem Gericht nun den Behörden “beweisen” muss was man mit dem
    Geld gemacht hat? Obwohl oft die Privatverkäufe ein Nullsummenspiel sind! Aber arabischen und rumänischen Clan-Familien kann man nix, weil die einfach sagen “Geld von Oma aus Rumänien/Syrien”. Da hat dann ein Hartz4 Araber dann mal kurz 100 000 Euro in Bar zu hause und der dt. Staat kann nix machen!

    Nochmal….unser Justizsystem rangiert im EU Vergleich ca. auf dem Niveau von Polen und Bulgarien.

    Merkel sagte einmal “Wir leben in einem schönen Land”.
    Das gilt nur für die Landschaft, aber nicht für unsere Justiz, Gesetze, Gesellschaft oder Arbeitsmarkt.

    Kein dt. Gericht wandte sich wegen Abmahnungen an den EuGh und ein bulgarisches Gericht traute sich es zu, weil eine “instabile Demokratie” wie Bulgarien eher sich Gedanken darüber macht, ob man mit gewerblichen Abmahnungen nicht dem Volk eher schadet.

    Die Zukunft in Deutschland ist die Bürger von “Privatperson” in eine “ICH-AG” zu verwandeln, dann gelten viele
    Rechte aus dem Grundgesetz nicht mehr, weil man dann ein “Unternehmer/Unternehmen” ist und da haftet man mit
    dem ganzen Vermögen 😉

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  2. Neumann

    Schon wenn man an einem Geburtstag oder bei einer Hochzeit 10 verschiedene Artikel bekommt, die man nicht brauchen kann oder wenn man eine Sammlung auflöst und Münzen einzeln verkaufen möchte, wäre man dann ein gewerblicher anbieter, dem man unterstellt,, er hätte seine Sammlung vor 40 jahren angelegt, um diese dann nmach 40 Jahren bei ebay zu verkaufen.
    Aber auch Teile für ein Auto, das man dann verkauft oder wenn man in eine kleinere Wohnung umzieht.
    Und diese Artikel stehen mnachmal auch über Jahre im Angebot bis sie mal verkauft werden.

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  3. jo

    Als echter Privater (hauptberuflich im ÖD) war ich bis 2011 bei ebay, und weil nach dem Tod meiner Eltern sehr viel Kram anfiel, habe ich alles über vier Accounts verteilt und in jedem nicht mehr als sieben Teile gleichzeitig eingestellt. Damals habe ich allen echten Privaten geraten, die Herkunft der Artikel aus eigenem Gebrauch, aus eigenem Haushalt, aus dem Nachlass der Eltern u. dergl. in der Beschreibung deutlich zu machen. Denn jedes seriöse Gericht muss bei der Gewerblichkeitsprüfung berücksichtigen, ob die Ware zum eigenen Gebrauch oder zum Primärzweck des Weiterverkaufs beschafft wurde. Ist der Weiterverkauf nicht als Primärzweck zu beweisen, sollte die Gewerblichkeitsfestellung fallengelassen werden.
    Dumm nur, dass nicht jeder Jurist offen für logisches Denken ist. Da gab es in 2004 jenen Fall einer Mutter, die die abgelegten Sachen ihrer Kinder anbot und allein die Anzahl von 98 Teilen sollte Indiz für Gewerblichkeit sein, nicht jedoch die von der Rechtsprechung entschiedene Frage, ob es ein nur kurzzeitiges, akutes Angebot war oder eine auf Dauer angelegte Verkaufstätigkeit,

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  4. Zach

    Großartig fand ich den Verkäufer bei ebay, der in seinem Laden Fotos gemacht hatte und im Hintergrund war das Schaufenster teilweise zu sehen. Aber natürlich als privater Anbieter angemeldet.

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  5. Michael

    Das machst Du Dir zu einfach. Ich habe zwei Kinder. 3 und 7 Jahre alt. Alleine die Klamotten zu verkaufen da wäre ich Jahre mit beschäftigt und die ganzen Spielsachen. Das kann locker 10 Jahre lang gehen. Und mich deshalb als Händler zu brandmarken ist auch nur in Deutschland möglich damit die Abmahnindustrie weiterhin ihre Daseinsberechtigung hat.

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  6. Christoph Baumgarten

    “Über Jahre Neu- und Gebrauchtware anzubieten ist in meinen Augen ein deutliches Indiz für ein gewerbliches Handeln.” => Bitte den Aluhut absetzen. Man hat in unserer Wegwerfgesellschaft IMMER Kram, den man nicht mehr braucht, sei es, weil man alle 2 Jahre sein Smartphone oder Tablet ersetzen muss, oder weil jeder mal den Keller entrümpelt, auch mal von der Mutti, oder was manche scheinbar gar nicht auf den Schirm bekommen: Es gibt ja tatsächlich auch noch Weihnachten und die Geburtstage, manche bemerken sogar, dass sich da scheinbar eine jährliche Regelmäßigkeit abzeichnet, so kommt da zwangsweise noch OVP-Neuware dazu, sowas aber auch.. Dann kommt wohl ein konstantes Angebot über Jahre zustande, ….und? Was ist den dass für eine Welt, wo man sich dann auch noch über sowas sorgen muss?
    Ganz ehrlich, wer mit solchen Vorgaben (8 private Angebote, bestenfalls die Liebestöter von Omi => Gewerblich => Abmahnen) un bescholtende Bürger angeht, der ist einfach nur ein gieriger, kleinkarrierter Korinthenkacker, der das Geschäft einfach lassen sollte, denn ohne ihn wären die Marktplätze einfach ein schönerer Ort…

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      1. neumann

        Das ist wie beim Flohmatkt. Dort gibt es ja auch keine Mengengrenzung. Aber wer nur Neuware oder nur eine Sorte Altware (z.B. 200 Matchboxautos oder Hndycovers) anbietet, dem kann man unterstellen, das gewerblich zu tun.

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