Gefühlt ist es im Wettbewerbsrecht, also bei Abmahnungen, doch so: Den kleinen und mittleren Händlern kann es kostentechnisch mal eben an die Existenz gehen, wohingegen die großen nur müde lächeln. Aber es ist nicht nur gefühlt so, es ist die Realität. Und genau das ist auch meine Kritik bei der gegenwärtigen Ausgestaltung des Wettbewerbsrechts.
Puh! Wenn Abmahnungen doch nicht so teuer wären …
Na ja, Abmahnungen müssen teuer sein, denn sie sollen schließlich jeden Händler dazu anhalten, wettbewerbsrechtlich einwandfrei zu handeln. Durch die hohen Kosten machen sich die Unternehmer vorher Gedanken, fair im Wettbewerb zu agieren. Daher sind gerade die Kosten für die schwarzen Schafe unter den KMU absolut in Ordnung. Aber eben nur hier. Für größere und große Marktteilnehmer sind die lächerlich gering!
Der Streitwert ist schon ne schräge Sache und er ist der Casus knacksus!
Der Streitwert ist die Größe, nachdem sich die Kosten und Gebühren der Anwälte und Gerichte berechnen. Genau hier liegt der Hase im Pfeffer, warum für die Kleinen eine Abmahnung empfindlich ist, für die Großen aber nicht. Dieser Streitwert berechnet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Abmahnenden. Damit ist festgelegt, dass KMU, aufgrund ihrer Positionen und wirtschaftlichen Möglichkeiten, immer ein geringeres wirtschaftliches Interesse besitzen. Des Weiteren sind die meisten Verstöße in ihrem Streitwert bereits festgelegt. Egal also, wie dick das Bankkonto ist.
Das Ding mit den Großen und Kleinen
Ein normaler Verstoß, zum Beispiel eine falsche Widerrufsbelehrung, kostet, bei abgegebener Unterlassungserklärung, den Abgemahnten ca. 1000€. Verstößt er dagegen, wird in der Regel eine Vertragsstrafe fällig, die zwischen 3000€ und 5000€ liegt. Sind es mehrere Verstöße, multipliziert sich die Vertragsstrafe um deren Anzahl. Für Kleinere bedeutet das in der Regel das Ende ihrer Existenz!
Das Abmahnverfahren, ohne Vertragsstrafen, juckt einen großen Händler nicht. Die 1000€ zahlt er mal eben aus der Portokasse. Kommen tatsächlich Vertragsstrafen hinzu, mag er sich zwar ärgern, aber es ist bei Weitem nicht so, dass ihn diese empfindlich treffen.
Die Frage ist jetzt vielleicht noch: Wer ist klein? Die Großen müssen nicht immer gleich OTTO oder Zalando sein. Da reicht auch die Größe eines Plattformhändlers, den Abmahnungen nicht wirklich stören. Hand aufs Herz: Schon mich haben sie kaum gestört. Und wegen der geringen Kostenrelevanz habe ich immer abgewogen, was denn für mich wirtschaftlich sinnvoller wäre: Abmahnung kassieren oder Verstoß beseitigen?
Abmahnung mal wirtschaftlich gerechnet:
Hier ein Beispiel, wie man mit einer Abmahnung schlicht wirtschaftlich kalkulieren kann. Jeder weiß, dass das Versenden von Werbe-Emails nicht gestattet ist. Macht man es trotzdem, riskiert man eine Abmahnung. Die Kosten belaufen sich auf ca. 600 €. Hat man 100.000 Mailadressen und kassiert für die illegale Sendung von Werbung eine Abmahnung, kostet das gerade mal 600 €. Also die Kalkulation: 100.000 Mails zu versenden kostet 600 €. Das ist weniger als eine Werbetafel am Kölner Hauptbahnhof, wo die Leute nur schnell zum Zug wollen. In meinem Beispiel schreibe ich 100.000 potenzielle Kunden an! Genau das ist die Schwäche des jetzigen Wettbewerbsrechts.
Und so sollte es sein:
Ich bin kein Jurist, auch nicht die hellste Kerze auf der Torte, aber die Grundidee des Wettbewerbsrechtes ist doch die, dass gewährleistet sein soll, dass sich Wettbewerber fair zueinander verhalten. Tun sie das nicht, sollen sie eins auf die Finger bekommen! Das leistet aber das Wettbewerbsrecht gegenwärtig nicht (naja, jedenfalls nicht so richtig).
1. Ansatz:
Der Streitwert wird nicht mehr dem wirtschaftlichen Interesse des Abmahnenden, sondern umgekehrt, nach dem des Abgemahnten bemessen. Das hätte dann zur Folge, dass die jeweils Betroffenen, einen ihrer Größe entsprechenden und empfindlichen Streitwert als Grundlage zur Berechnung der Kosten vor die Füße geworfen bekommen.
Aber hier gilt es auch, den Nachteil zu betrachten: In dem Moment, wo sich der Streitwert nach dem Abgemahnten berechnet, bedeutet, dass Kosten anfallen, die auch für Kleine existenzgefährdend sein können. Dieses Konstrukt hätte also zur Konsequenz, dass die Bereitschaft abzumahnen stark sinken könnte. Ergo: Es würde die Kleinen behindern, ihre Rechte einzufordern.
2. Ansatz:
Dieser beginnt nicht bei Streitwerten, sondern belässt die Regelung, wie sie ist. Er setzt bei den Vertragsstrafen an. Ähnlich dem Kartellrecht ließen sich die Strafen nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens bemessen. So sollte es auch bei den Vertragsstrafen sein. Kleinere Unternehmen sollten durchaus empfindlich 1 abbekommen, es würde dann aber auch die Großen treffen. Während diese bei Vertragsstrafen von 5000€ nicht mal mit der Wimper zucken, wird sich das doch bestimmt anders verhalten, wenn man noch eine Null dranhängt!
Auch wenn der 2. Ansatz den Nachteil hat, dass er erst ab der Vertragsstrafe seine Wirkung entfaltet, so scheint er mir doch charmanter.
Ich vermute, mit meinem äußerst geringen Sachverstand, dass genau diese Idee am leichtesten umzusetzen wäre. Es ist ja nun gängige Praxis, die Höhe der Vertragsstrafen in das Ermessen des Gerichts zu stellen. Die Richter müssten also nichts anderes tun, als den “bösen” Marktteilnehmern etwas genauer auf die Finger zu schauen, damit sie die passende und empfindliche Strafhöhe finden.
Fazit:
Das Wettbewerbsrecht (und die damit verbundenen Möglichkeiten) sind sehr gute Optionen, um den fairen Wettbewerb zu ermöglichen. Hieran würde ich auch nie rütteln wollen. Aber, und das schreit zum Himmel, es kann nicht sein, dass immer nur den Kleinen in den Popo gekniffen wird. So lange der potente Händler Abmahnungen und Vertragsstrafen als Posten einkalkulieren kann, wird es keinen fairen Wettstreit geben.