Bundesrat: Verbraucher beim Online-Einkauf schützen – Maßnahmen bei Angeboten aus Drittstaaten
Kernforderungen:
- Aufhebung des Zollfreibetrags
- Haftung der Plattformbetreiber für rechtswidrige Angebote
- Klare Informationspflichten über Anbieter, Zoll und Rücksendekosten
- Stärkung von Zoll und Marktüberwachung
- Sanktionsmöglichkeiten bis hin zur Plattform-Sperrung
- Prüfung zusätzlicher Abgaben für nicht konforme Produkte
Verbraucher besser schützen: Bundesrat macht Druck gegen dubiose Drittland-Shops
Der Bundesrat hat am 11. Juli 2025 eine Entschließung verabschiedet, die weitreichende Konsequenzen für den Onlinehandel mit Drittstaaten haben könnte. Auf Initiative von Baden-Württemberg (Grüne/CDU) und Mecklenburg-Vorpommern (SPD/Die Linke) fordert die Länderkammer ein umfassendes Maßnahmenpaket, um Verbraucherinnen und Verbraucher vor den Risiken von Online-Käufen aus außerhalb der EU besser zu schützen. Die Entschließung ist ein deutliches Signal in Richtung Brüssel: So kann es nicht weitergehen.
Was macht der Bundesrat eigentlich?
Der Bundesrat ist die Vertretung der 16 Bundesländer auf Bundesebene. Er wirkt an der Gesetzgebung mit, kann Gesetze zustimmungspflichtig machen und eigene Initiativen in den Gesetzgebungsprozess einbringen. Der Bundesrat ist damit ein wichtiges Gegengewicht zur Bundesregierung und zum Bundestag.
Was ist eine Entschließung des Bundesrates?
Eine Entschließung ist kein Gesetz, sondern eine politische Willensbekundung. Sie wird an die Bundesregierung adressiert und kann Empfehlungen enthalten, wie bestimmte Themen gesetzlich geregelt oder auf EU-Ebene vertreten werden sollen. Die Bundesregierung ist nicht verpflichtet, diese Vorschläge umzusetzen – sie entfalten aber politischen Druck.
Wie wird aus einem Antrag eine Entschließung?
- Ein Bundesland stellt einen Antrag.
- Der Antrag wird auf einer Bundesratssitzung vorgestellt und an zuständige Ausschüsse verwiesen.
- Die Ausschüsse beraten über den Antrag und empfehlen Änderungen oder Zustimmung.
- In einer späteren Sitzung wird der geänderte Antrag zur Abstimmung gestellt.
- Wird er angenommen, wird daraus eine offizielle Entschließung.
Worum geht es konkret?
Zunehmend gelangen Produkte aus Drittstaaten wie China über Marktplätze in die EU, ohne die dort geltenden Regeln einzuhalten. Verbraucher erhalten defekte, gefährliche oder gefälschte Ware. In vielen Fällen ist der Anbieter nicht greifbar, der Zoll kann nur stichprobenartig kontrollieren, und Plattformen übernehmen keine Verantwortung. Der Schaden trifft die Kunden und auch ehrliche europäische Händler.
Die Forderungen des Bundesrats im Detail
1. Aufhebung des Zollfreibetrags
Die Länder fordern eine schnelle Abschaffung der Zollfreigrenze von 150 Euro. Gerade in diesem Preisbereich kommen täglich Millionen Pakete aus Drittstaaten in die EU. Betrüger nutzen diese Lücke gezielt aus, um Produkte an Zöllen und Kontrollen vorbeizuschleusen. Die EU plant zwar eine Zollreform ab 2028, doch das sei zu spät. Der Bundesrat fordert Sofortmaßnahmen.
2. Klare Informationspflichten
Kunden sollen vor Vertragsschluss klar erkennen können:
- Wo der Anbieter sitzt
- Welche Rücksendeadresse gilt
- Welche Zollkosten und Rücksendegebühren anfallen
Diese Informationen müssen gut sichtbar, deutlich und vor Abschluss des Kaufs vorliegen. Ziel ist eine fundierte Kaufentscheidung.
3. Plattformhaftung
Die Plattformbetreiber sollen künftig für rechtswidrige Angebote haften, wenn sie keinen in der EU ansässigen Wirtschaftsakteur nachweisen können. Wenn kein solcher Akteur existiert, sollen sie als “Einfuhrer” gelten und voll verantwortlich sein.
Der Clou: Der Bundesrat will, dass Plattformen – wie Amazon, Temu oder AliExpress – in der europäischen Marktüberwachungsverordnung als Wirtschaftsakteure definiert werden. Das wäre ein echter Paradigmenwechsel.
4. Sanktionsinstrumente: Plattform-Sperre als Ultima Ratio
Wenn eine Plattform wiederholt rechtswidrige Produkte listet, sollen Marktaufsichtsbehörden die gesamte Plattform sperren können, bis die Angebote gelöscht sind. Das wäre ein massiver Eingriff, aber auch ein starker Hebel.
5. Ausbau von Zoll und Marktkontrollen
Der Bundesrat fordert einen risikobasierten Ausbau der Kontrollen, vorrangig bei Produkten aus Risikoländern. Zoll- und Sicherheitsbehörden sollen digital aufgerüstet und personell gestärkt werden. Ziel: Gefahren früher erkennen, schneller eingreifen.
6. “Retourensteuer” prüfen
Die Länder regen an, eine Abgabe für die Vernichtung rechtswidriger Produkte einzuführen, die vom Zoll beschlagnahmt wurden. Diese Kosten sollen nicht bei den Steuerzahlern landen, sondern bei den Plattformen bzw. Anbietern.
7. Digital Fairness Act nutzen
Die Bundesregierung wird gebeten, im Rahmen des geplanten Digital Fairness Acts eine verbindliche Haftung für Plattformen zu prüfen, etwa wenn Drittstaatenanbieter nicht erreichbar sind. Plattformen sollen mehr Sorgfalt walten lassen müssen.
Einordnung durch wortfilter.de
Aus Sicht der Onlinehändler ist diese Entschließung äußerst begrüßenswert. Besonders die geplante Erweiterung der Plattformhaftung ist längst überfällig. Es kann nicht sein, dass Plattformen Milliarden verdienen und die faktische Ursache der Probleme sind, aber keine Verantwortung für die Einhaltung der Regeln übernehmen. Dass dies ausgerechnet aus Bundesländern mit unterschiedlichen Regierungskoalitionen kommt (Grüne/CDU und SPD/Linke), zeigt, wie breit der Konsens inzwischen ist.
Was fehlt, ist eine verpflichtende europäische Retourenadresse. Außerdem sollten einfache Klagemöglichkeiten gegen Drittlandanbieter geschaffen und Titel einfach vollstreckbar gemacht werden. Trotzdem ist die Entschließung ein sehr wichtiger Schritt und setzt die Bundesregierung und EU unter Zugzwang.
Fazit: Gute Initiative mit Potenzial für echten Wandel im grenzüberschreitenden Onlinehandel.
Quellen:
https://www.bundesrat.de/DE/plenum/bundesrat-kompakt/25/1056/1056-pk.html#top-38
https://dserver.bundestag.de/brd/2025/0228-25.pdf
https://www.bundesrat.de/SharedDocs/TO/1056/erl/38.pdf?__blob=publicationFile&v=1
https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2025/0201-0300/228-25(B).pdf?__blob=publicationFile&