Bewerber fragt nach seinen Daten? So vermeidest du die Bußgeldfalle

Bewerberdaten und Datenschutz – das klingt trocken, kann dich aber sehr schnell in echte Schwierigkeiten bringen. Stell dir vor: Du schickst eine freundliche Absage, und kurz danach landet eine Mail im Postfach:

„Welche Daten speichern Sie eigentlich über mich? Und lag’s etwa an meinem Namen oder meinem Alter, dass ich die Stelle nicht bekommen habe?“

Willkommen in der DSGVO-Welt – und willkommen in einer Situation, in der Fristen, Dokumentation und Kommunikation über deine rechtliche Sicherheit entscheiden.

Das Landesarbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 15.01.2025, Az. 2 Sa 21/23) hat genau so einen Fall entschieden – und damit wichtige Leitplanken für Arbeitgeber und Onlinehändler gesetzt.


1. Fristen sind heilig – 1 Monat ist die Regel

Art. 12 Abs. 3 DSGVO schreibt klar vor: Du hast einen Monat Zeit, um eine Auskunft vollständig zu beantworten.

  • Nur wenn der Fall wirklich komplex ist oder du gleichzeitig viele Anfragen bekommst, darfst du auf 2 Monate verlängern.
  • Aber: Du musst das innerhalb der ersten 4 Wochen begründen und die neue Frist mitteilen.

💡 Extra-Würze aus der Rechtsprechung: Das Arbeitsgericht Duisburg geht noch weiter und meint: Zwei Wochen seien „normal“, 4 Wochen nur der Maximalrahmen (Az. 5 Ca 877/23).


2. Bewerber sind „Betroffene“ – mit vollen DSGVO-Rechten

Auch wenn es „nur“ ein Bewerber war: Er hat dieselben Rechte wie ein Mitarbeiter. Das heißt, er darf wissen:

  • Welche Daten du über ihn hast
  • Wofür und wie lange du sie speicherst
  • Wer sie bekommen hat
  • Ob es automatisierte Entscheidungen gab
    Und er darf eine Kopie dieser Daten verlangen – vollständig, verständlich und fristgerecht.

3. Englisch reicht nicht – sprich die Sprache des Bewerbers

Im Hamburger Verfahren hat der Arbeitgeber auf seine internationale Datenschutzrichtlinie (auf Englisch) verwiesen. Das Gericht sagte: Nope!
Die Auskunft muss in einer Sprache vorliegen, die der Betroffene versteht – im Zweifel also: Deutsch.


4. Daten nicht „liegen lassen“

Ein abgelehnter Bewerber kann innerhalb von 2 Monaten nach der Absage eine Diskriminierungsklage nach § 15 Abs. 4 AGG einreichen. Deshalb solltest du die Bewerbungsunterlagen mindestens so lange aufbewahren.

Mein Tipp aus der Praxis:

  • Aufbewahrung: ca. 3 Monate nach Absage, um AGG-Klagen abzufangen.
  • Löschung: Spätestens nach 6 Monaten, um DSGVO-konform zu bleiben.

5. Kontrollverlust = nicht automatisch Geld

Die gute Nachricht aus Hamburg: Nur weil du zu spät oder unvollständig Auskunft erteilst, gibt es nicht automatisch Schadensersatz.
Der EuGH (14.12.2023, C-340/21) sagt: Auch immaterieller Schaden wie „Kontrollverlust“ muss konkret belegt werden – Bauchgefühl reicht nicht.


6. Schadensersatz braucht drei Beweise

Wenn ein Bewerber Geld will, muss er zeigen:

  1. Du hast gegen die DSGVO verstoßen.
  2. Er hat einen konkreten Schaden.
  3. Dieser Schaden ist wegen deines Verstoßes entstanden.

7. Klagen ist kein Schaden

Nur weil jemand dich verklagt, entsteht kein automatischer Schaden. Das Verfahren ist vom Gesetz vorgesehen – und kein Strafpunkt gegen dich.


Cringe-Case aus der Praxis

Ein Händlerfreund von mir hatte mal einen Bewerber für einen Lagerjob, der im Vorstellungsgespräch drei Mal eingeschlafen ist – Schichtarbeit, klar. Er bekam eine höfliche Absage.
Zwei Wochen später kam eine E-Mail mit DSGVO-Auskunftsersuchen: „Ich will wissen, ob ich wegen meiner türkischen Herkunft abgelehnt wurde.“
Der Händler hatte die Daten aber schon nach einer Woche gelöscht – ohne zu dokumentieren, warum. Ergebnis: Er musste in einer hitzigen E-Mail-Kette zugeben, dass er den Grund nicht mehr belegen kann.
Das war rechtlich zwar glimpflich, aber es sah verdammt unprofessionell aus – und hat ihm im internen Händler-Chat wochenlang den Spitznamen „GDPR-Guru“ eingebracht.


So bist du auf der sicheren Seite – meine Checkliste

  1. Standardantwort hinterlegen für Art. 15 DSGVO-Anfragen
  2. Fristen im Kalender blocken – 1 Monat, maximal 2
  3. Alle Daten in verständlicher Sprache bereitstellen
  4. Speicher- und Löschkonzept schriftlich festhalten
  5. Aufbewahrungsfristen für AGG und DSGVO kombinieren
  6. Keine Panik bei Anfragen – ein strukturierter Prozess verhindert Fehler

Fazit:
Mit einem klaren, dokumentierten Prozess bist du nicht nur vor Bußgeldern geschützt, sondern wirkst auch professionell. Bewerberanfragen sind kein Drama – solange du sie ernst nimmst und richtig bearbeitest.


FAQ: Bewerberdaten und DSGVO

Wie lange darf ich Bewerberdaten speichern?

Grundsätzlich solltest du Bewerberdaten nach 6 Monaten löschen. Für mögliche AGG-Klagen empfiehlt sich eine Aufbewahrung von 2–3 Monaten nach der Absage.

Wie schnell muss ich auf eine Auskunftsanfrage reagieren?

Die DSGVO gibt eine Frist von 1 Monat vor. Nur in Ausnahmefällen darfst du auf 2 Monate verlängern – mit Begründung innerhalb der ersten 4 Wochen.

Muss die Auskunft auf Deutsch sein?

Ja. Die Auskunft muss in einer Sprache erfolgen, die der Bewerber versteht. In Deutschland ist das in der Regel Deutsch.

Was passiert, wenn ich zu spät antworte?

Eine verspätete Antwort kann ein DSGVO-Verstoß sein. Schadensersatz gibt es aber nur, wenn der Bewerber einen konkreten Schaden nachweisen kann.

Wie beuge ich Problemen vor?

Lege einen festen Prozess für Anfragen fest, dokumentiere deine Entscheidungen und reagiere fristgerecht mit vollständigen, verständlichen Informationen.


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