Seit dem 2.12.2020 gilt das ›Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs‹. Ziel des Gesetzgebers war es, insbesondere Internethändler besser vor Abmahnungen zu schützen. Nur, ist das gelungen? Was sehen wir nach 8 Wochen und tausenden neuen Abmahnungen?
Geändert hat sich, dass es nun Formvorschriften gibt. Wer diese nicht einhält, muss dem Abgemahnten seine Rechtsverteidigungskosten bezahlen. Informationspflichten dürfen im ersten Aufschlag nicht kostenpflichtig abgemahnt werden. Und der fliegende Gerichtsstand ist eingeschränkt worden. Damit sollte ausgeschlossen werden, dass Abmahner nur zu den Gerichten wandern, die für sie genehm sind.
2 Monate und geändert hat sich wenig
So jedenfalls sieht es die Kanzlei Internetrecht Rostock: »Nach unserem Eindruck gibt es zwar etwas weniger abgemahnte Internethändler, das Gesetz hat jedoch, so unsere Einschätzung, sein Ziel in einigen Punkten verfehlt. Internethändler sind nicht wirklich durch die Gesetzesänderung vor wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen geschützt.«
Mache aus Informationspflichten = Irreführung
Bereits vor Einführung der Gesetzesänderung wiesen viele Rechtsanwälte darauf hin, dass es wohl in der Praxis keinen Unterschied machen werde, da man einfach eine Verletzung der Informationspflichten als Irreführung der Verbraucher abmahnen werde
»Ebenfalls beobachten wir aus unserer Beratungspraxis, dass Abmahner, die früher Verstöße gegen Informationspflichten, z. B. ein fehlender Link auf die OS-Plattform, abmahnten, nunmehr einfach das Thema wechseln. ›Beliebt‹ ist eine fehlende Registrierung nach Elektrogesetz oder Verpackungsgesetz oder die irreführende Werbung mit Produkteigenschaften. In diesen Fällen können sowohl eine strafbewehrte Unterlassungserklärung als auch Abmahnkosten gefordert werden«, so Rechtsanwalt Johannes Richard.
Der fliegende Gerichtsstand
Die bei Abmahnern beliebten Gerichte wie z.B. das OLG Hamm haben da so ihren eigenen Workaround gefunden. Die lieben Richter fürchten um die Auflösung ihrer Kammern. Und wer hat schon Lust nun wieder in einer Kammer für Familiensachen zu landen? Aus Gesprächen mit Rechtsanwälten erfuhr Wortfilter, dass einige Kammervorsitzende es als ausreichend ansehen, wenn z. B. ein Kunde des Abgemahnten im Kammerbezirk ansässig wäre. Sprich ein Testkäufer!
Die Zecken: Abmahnvereine
Die wirkliche Plage im Abmahnwesen sind die IDOs & Co., die Abmahnvereine. Auch sie sollten mit dem ›Anti-Abmahngesetz‹ eingebremst werden. Und hat es gewirkt? Nein! »Eine Veränderung der Anzahl der Abmahnungen von Abmahnvereinen nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes konnten wir nicht feststellen«, so Rechtsanwalt Richards in einem Beitrag auf shopbetreiber-blog.de.
Fazit: Gestartet wir ein Tiger & auf dem Weg die Zähne verloren
Wie zu erwarten, ist die Gesetzesänderung ein zahnloser Tiger. Sie lässt viele Fragen offen, welche erstmal richterlich geklärt werden müssen. Das dauert. Jahre. Entgegen der Auffassung von Rechtsanwalt Richard in seinem Beitrag auf shopbetreiber-blog.de ist dem Gesetzgeber sehr wohl ein Vorwurf zu machen. Gerade im Hinblick auf die Verband-Klage-Befugnisse hätte eine deutlich wirksamere Einschränkung passieren müssen.
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