Vergangene Woche wurde der Digital Markets Act auf EU-Ebene verabschiedet. Dieser sieht unter anderem vor, dass besonders plattformabhängige Wirtschaftakteure auf Augenhöhe mit den Plattformen bzw. Gatekeepern agieren können. Die EU forderte die Veröffentlichung der Algorithmen und Rankingfaktoren von Amazon, eBay und Co. Damit Händler verstehen und nachvollziehen können, wie ihre Produkte gelistet werden.
Das Coca-Cola-Rezept des Marktplatzhandels
Teile der Algorithmen waren schon immer in den jeweiligen Patenschriften der Plattformen semi-öffentlich zugängig. Jedoch sind die Beschreibungen teils sehr veraltet. Amazon z. B. hat, so ist aktuell zu sehen, mittlerweile das lokale Wetter als Einflußfaktor in der Darstellung implementiert. Der neuen Veröffentlichung nach bedient sich Amazon hier den Daten von wetter.com.
eBay nutzt eine Karte, aus denen die Einkommensverhältnisse der jeweiligen Straßen bzw. Stadtteile zu erkennen sind. Einkommensschwächere eBay-Nutzer bekommen so eher Listings aus den Kategoriezuständen ›refurbished‹ oder ›gebraucht‹ angezeigt. Von Otto und Kaufland war noch keine Veröffentlichung auffindbar.
DMA zerstört das Agenturgeschäft & Tools
So gut die Idee des DMA auch sein mag, es zerstört sofort das Agenturgeschäft. Wer benötigt noch eine Agentur für eine Listing-Optimierung oder Tools für die Messung von Rankings wie z. B. Helium10 für Amazon oder Baygraph für eBay?
Im Grunde war das aber auch zu erwarten, denn beide großen Plattformen stellten in der jüngsten Vergangenheit ihren Verkäufern einen großen Blumenstrauß an Tools im Backend der Plattformen zur Verfügung.
Die Zukunft des Rankings
Die Frage stellt sich zurecht, denn Amazon ist ja bekannt für eine nicht so gute Suche (Stichwort: leise Bohrmaschine) und eBay ist bekannt für seine sehr ausgereifte Technologie, den Verbrauchern genau die gesuchten Artikel anzuzeigen. Es wird also nur eine Frage der Zeit sein, bis sich die Plattformen so weit angeglichen haben, dass nahezu identische Sucherergebnisse dargestellt werden.
Aus Juristensicht: Wann wird es den ersten großen Copy-Cat-Prozess der Plattformen geben? Und wer wird von wem abkupfern?
Einordnung
Der DMA und die heutige Veröffentlichung der detaillierten Rankingfaktoren macht den Marktplatzhandel für alle Teilnehmer fairer. Interessierte Verbraucher können sich umfangreich informieren, warum sie teurere Produkte angezeigt bekommen, und Seller werden sich auf die ›weichen Faktoren‹ wie Verkaufspsychologie konzentrieren müssen. Auch aus Plattformsicht dürfte diese Entwicklung zu begrüßen sein: Den Endkunden wird ein besseres Kauferlebnis garantiert.
Quelle: Hier und hier findet ihr die genauen Beschreibungen der Rankingfaktoren von eBay und Amazon aus der Veröffentlichung vom 1. April 2022.