📑 Inhaltsverzeichnis
Stand: September 2025- Kein Produktkatalog – der Urfehler
- Produktbewertungen: zu spät, zu schwach
- eBay Enterprise Fulfillment – teurer Irrweg
- Magento gekauft – und wieder verkauft
- Skype: Kommunikations-Layer nicht erkannt
- Das verpatzte Oekosystem
- Payments: zu spät, zu holprig
- Kaum Fokus auf den Endkunden (Verbraucher)
- Suche & Navigation: Dauerbaustelle
- PayPal ziehen lassen – strategischer Aderlass
- Heute der Hammer mit KI – aber auf wackligem Fundament
- Zickzack-Strategie & Asset-Verkäufe
- Kurzfazit (spitz)
eBay: 30 Jahre verpasste Chancen – die größten Fehler im Überblick
eBay war einst der Inbegriff des Onlinehandels. Drei Jahrzehnte später wirkt die Plattform, als hätte sie ihre eigene Erfolgsgeschichte systematisch selbst demontiert. Was ist schiefgelaufen? Kurz: kein echter Katalog, ein zerfleddertes Ökosystem, zu spät bei Payments, halbgar bei Bewertungen – und große Assets (PayPal, Skype, Magento, eBay Enterprise) aus der Hand gegeben. Im Detail:
1) Kein Produktkatalog – der Urfehler
eBay hat es nie geschafft, einen robusten, zentralen Produktkatalog (à la Amazons ASIN-Modell) durchzusetzen. Folgen:
- Suche & Relevanz: Duplikate, Spam-Listings, unklare Varianten. Käufer finden nicht zuverlässig das beste Angebot – sie finden „irgendeines“.
- Reviews & Vertrauen: Ohne Master-Produktseite zersplittern Bewertungen über zig Listings – Social Proof verpufft.
- Ads & SEO: Ohne saubere Daten leiden Ranking, Kampagnensteuerung und Conversion.
- KI-Tauglichkeit: „Garbage in, garbage out.“ Ohne saubere Produktdaten kann selbst die beste KI keinen sauberen Katalog herbeizaubern.
Bottom line: Ohne Katalog kein modernes Commerce.
2) Produktbewertungen: zu spät, zu schwach
eBay führte Produktbewertungen spät ein – und ohne konsolidierte Master-Seiten bleiben sie bis heute nur halber Social-Proof.
- Käufer sehen Bewertungen fragmentiert pro Listing, nicht für das Produkt.
- Händler können Qualität schwer zeigen; Trittbrettfahrer profitieren.
Ergebnis: Vertrauenslücke gegenüber Amazon nie geschlossen.
3) eBay Enterprise Fulfillment – teurer Irrweg
Mit GSI Commerce → eBay Enterprise wollte eBay Fulfillment & Retail-Services bauen. Das Ziel: FBA-ähnliche Kontrolle über Customer Experience.
- Strategisch richtig gedacht, operativ verfehlt: Integration, Kosten, Fokus – es passte nicht.
- Abverkauf statt Ausbau: Das Asset wurde 2015 versilbert.
- Heute fehlt eBay ein End-to-End-Service, der Händlerbindung und Kundenerlebnis skalierbar absichert.
Verpasste Chance: Logistik als Differenzierer – nie realisiert.
4) Magento gekauft – und wieder verkauft
eBay übernahm Magento (2011) – den Schlüssel zur SMB-Commerce-Basis (Shop-Frontend, Checkout, Ökosystem). 2015 war Magento weg.
- Statt Marktplatz + Shop + Payment + Ads zu orchestrieren, wurde die Brücke zum Händler-Ökosystem gekappt.
- Jahre später besitzt Amazon genau diese Kette aus Shop-Tools, Fulfillment, Payments, Ads – und Daten.
Fazit: Das Fundament für ein eBay-Ökosystem lag auf dem Tisch – und wurde weggegeben.
5) Skype: Kommunikations-Layer nicht erkannt
eBay kaufte Skype (2005) – und verkaufte wieder. Verpasst wurde:
- Sichere Echtzeit-Kommunikation zwischen Käufer/Händler (Video, Voice, Identität, Dispute-Klärung).
- Live-Commerce lange vor TikTok/Instagram.
- Trust-Features (Verifizierung, Onboarding-Checks).
Stattdessen: Ein Milliarden-Asset ohne Commerce-Integration.
6) Das verpatzte Ökosystem
Ein Ökosystem braucht Bausteine, die sich gegenseitig verstärken: Marktplatz, Katalog, Payment, Fulfillment, Ads, Shop-Stack, Kommunikation.
eBay hat entscheidende Steine abgespalten oder verkauft: PayPal, eBay Enterprise, Magento; später auch die Kleinanzeigen-Sparte. Übrig blieb ein Marktplatz ohne Beine – zu wenig, um Kundenerlebnis, Datenqualität und Händlerbindung zu kontrollieren.
Konsequenz: Kein „Flywheel“, sondern Silos – jeder Vorteil diffundiert.
7) Payments: zu spät, zu holprig
Nach der Abspaltung von PayPal führte eBay „Managed Payments“ erst Jahre zu spät ein – mit holprigem ersten Rollout:
- Händler klagten über Auszahlungsverzug, Feature-Lücken, Reporting-Brüche.
- Die Marke „eBay = sicher & einfach zahlen“ entstand nicht – im Gegenteil, Verunsicherung.
- Späte Nachbesserungen änderten am Eindruck wenig: Zu spät im Payment-Spiel, in dem Vertrauen alles ist.
Und ja: PayPal ziehen zu lassen war strategisch ein Kardinalfehler (siehe Punkt 10).
8) Kaum Fokus auf den Endkunden (Verbraucher)
Während Amazon konsequent „Customer Obsession“ lebt, blieb eBay zu oft Marktplatz-Zulieferer:
- Kein Prime-ähnliches Leistungsversprechen (Lieferzeit, Retouren, Service).
- Uneinheitliche Experience (Rückgaben, Versand, Kommunikation).
- Werbeflächen & Listing-Wildwuchs stören die Kaufreise.
Ergebnis: Käuferfrequenz und Wiederkaufraten leiden – der Marktplatz verliert Schwerkraft.
9) Suche & Navigation: Dauerbaustelle
Ohne Katalog bleibt die Suche ein Glücksspiel:
- Mehr Müll als Match: Duplikate, Keywords, falsche Kategorien.
- „Product-led Browsing“ (Varianten, Specs, Kompatibilität) fehlt oft – gerade in Technik/Autoteilen fatal.
- Händler zahlen Ads, um Sichtbarkeit gegen den Algorithmus zu erkaufen – ineffizient und frustrierend.
10) PayPal ziehen lassen – strategischer Aderlass
PayPal war eBays Wachstumsmotor und Vertrauensanker. Die Abspaltung (Investorendruck) brachte kurzfristig Geld – und entzog eBay den Payment-Moat:
- Kein eigener, globaler Zahlungsstandard mehr.
- Weniger Daten-Tiefe (Risk, Fraud, Conversion), weniger Cross-Selling (BNPL, Kredit, Wallet).
- PayPal florierte – eBay musste das Rad neu erfinden (siehe Punkt 7).
Schlussstrich: Das stärkste Asset für „Trust & Conversion“ ging an die Börse – nicht in eBays Flywheel.
11) „Heute der Hammer mit KI“ – aber auf wackligem Fundament
eBay zeigt inzwischen KI-Features (Listing-Texte, Bild-Hintergründe, Titelvorschläge). Problem:
- KI braucht Datenqualität. Ohne Katalog und saubere Attribute bleibt’s Kosmetik.
- Amazon & Co. nutzen KI tief in Suche, Pricing, Ads-Relevanz, Risk, Supply – nicht nur als Tool im Sell-Flow.
- Solange die Struktur fehlt, bleiben KI-Gadgets Frontend-Schminke.
Hart, aber ehrlich: Erst die Daten-Hausaufgaben, dann die KI-Magie.
12) Zickzack-Strategie & Asset-Verkäufe
Wechselnde Strategien (C2C ↔ B2C, Payment-Fokus ↔ Abspaltung, Services ↔ Verkäufe) haben über Jahre:
- Händler verunsichert,
- Investitionen fragmentiert,
- und das große Bild verdampfen lassen.
Resultat: eBay ist weiterhin relevant – aber nicht mehr prägend.
Kurzfazit (spitz):
- Kein Katalog → Kein Trust, keine starke Suche, keine konsolidierten Bewertungen.
- Ökosystem zerlegt (PayPal, Magento, eBay Enterprise, Skype) → Kein Flywheel.
- Payments zu spät & holprig → Vertrauens- und Conversion-Nachteil.
- Käufer-Experience schwach → Frequenz & Bindung sinken.
- KI oben drauf hilft wenig, wenn unten die Daten fehlen.
13) Einordnung, ich habe eBay ja doch lieb
Ein harter Befund bleibt: eBay fehlt ein Ankerinvestor, eine klare strategische Führung. Der Gründer hat viel zu früh das Boot verlassen, und seither driftet die Plattform ohne starken Steuermann.
Und doch: Ganz abschreiben darf man eBay nicht. Gerade in Deutschland hat die Plattform aktuell gute Chancen. Warum? Weil der Re-Commerce-Boom perfekt ins eBay-DNA passt. Gebrauchte Waren, Kreislaufwirtschaft, Nachhaltigkeit – hier spielt eBay seine Tradition als Marktplatz für Second-Hand und Nischenprodukte aus.
Das hat Substanz. Und es verspricht, in einem wachsenden Marktsegment nicht nur mitzuhalten, sondern zu profitieren.
Fazit: eBay wird bleiben. Für immer. Die Frage ist nicht, ob es eBay noch gibt, sondern ob es eBay gelingt, Käufer zurückzugewinnen. Denn eBay braucht vor allem eines: Kunden und GMV-Wachstum.
Bei aller Jammerei: In Deutschland ist eBay mit gigantischem Abstand die Nummer 2 im E-Commerce – und das ist ein Fundament, auf dem sich aufbauen lässt.
