OLG München, Urteil v. 31.1.2019, 29 U 1582/18: Wesentliche Merkmale müssen nach § 312j Abs. 2 BGB auf der Bestellseite vollständig aufgelistet werden, eine Verlinkung reicht nicht. Amazon müsste Checkout ändern. Berufung von Amazon wird zurück gewiesen, Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Was war passiert?
Für Online-, insbesondere für Marketplace-Händler, hat ein Verfahren, das die Wettbewerbszentrale gegen die deutsche Niederlassung von Amazon führt, grundsätzliche Bedeutung. In der ersten Instanz hatte sich die Selbstkontrollinstitution gegen den Internetgiganten durchgesetzt. Nun liegt der Fall dem OLG München zur Entscheidung vor. Im Einzelnen:
Das Landgericht München I hatte auf Antrag der Wettbewerbszentrale Amazon in einem konkreten Fall verurteilt, es zu unterlassen, im Onlineshop Sonnenschirme und/oder Bekleidungsstücke anzubieten, ohne auf der Bestellabschlussseite – d. h. auf der Seite, auf der der Verbraucher sein Angebot zum Abschluss des Kaufvertrages durch Anklicken des Bestellbuttons abgeben kann – die wesentlichen Merkmale der zu bestellenden Ware anzugeben (LG München I, Urteil vom 04.04.2018, Az. 33 O 9318/17 – nicht rechtskräftig). Gegen dieses Urteil hat Amazon Berufung eingelegt. Nun muss das Oberlandesgericht München (Az. 29 U 1582/18) entscheiden.
Im konkreten Fall gab es auf der Bestellabschlussseite im Hinblick auf einen zum Kauf ausgewählten Sonnenschirm außer der Abbildung eines Produktfotos nur folgende Produktangaben:
„S. …Sonnenschirm Rhodos, natur
Ca. 300 x 300 cm, 8-teilig, quadratisch
EUR 328,99
Anzahl: 1 Ändern
Ein Link auf die Produktseite war nicht vorhanden.
Bei einem Kleid beschränkte sich Amazon auf der Bestellabschlussseite auf die Angabe des Namens und der Farbe des Kleides.
In einem Onlineshop sind jedoch nach § 312j Abs. 1 BGB auf der Bestellabschlussseite selbst die wesentlichen Merkmale des Produktes anzugeben, so will es die sog. Button-Lösung. In dem gegen Amazon geführten und vom LG München I entschiedenen Fall wären dies bei einem Sonnenschirm Informationen über das Material des Stoffes, des Gestells und des Gewichtes und bei dem angebotenen Kleid die Informationen über das Material des Produktes. Die an anderer Stelle der Internetseite, z. B. in der Produktübersicht, gemachten Angaben sind nach Auffassung des Gerichts insoweit ohne Bedeutung. Das Gericht weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass auch die Einblendung eines Links auf die Produktseite unzureichend gewesen wäre.
Es geht aus Sicht der Wettbewerbszentrale in dem Verfahren letztlich um die – auch für auf der Plattform agierenden Händler – Grundsatzfrage, ob Amazon selbst als Händlerin den gesetzlichen Informationspflichten im Hinblick auf die Angabe der wesentlichen Merkmale der ausgewählten Produkte auf der Bestellabschlussseite genügt. Denn auch ein bloßer Link auf die Produktdetailseite, wie es in der Vergangenheit Marketplace-Händler mangels technischer Vorrichtung auf der Bestellabschlussseite auf Amazon praktiziert haben, genügt nach bisheriger Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte nicht.
„Wenn es bei dieser Entscheidung des LG München I bleibt, dann müsste Amazon als Händlerin selbst auf der Bestellabschlussseite die wesentlichen Merkmale des Produkts angeben – und auch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass dies bei allen Angeboten technisch möglich ist.“, lautet das Fazit von Gabriele Bernhardt, Syndikusrechtsanwältin bei der Wettbewerbszentrale. „Das wiederum würde auch vielen Marketplace-Händlern helfen.“, so Bernhardt weiter. (Quelle: Pressemitteilung WBZ)
Vor Ort: Dr. Carsten Föhlisch, Trusted Shops
Aus dem Gerichtssaal twitterte live Dr. Carsten Föhlisch. Wie es weiter geht steht noch in den Sternen. „Wichtig ist, dass es bald zu einer Entscheidung kommt. Diese Sicherheit benötigen Händler dringend“, so Dr. Carsten Föhlisch.
Tweets by foehlischKontext – Bedeutung des Urteils für die Händler
Dieses Urteil betrifft auch alle Marktplatzhändler. Denn sie ‚nutzen‘ den identischen Checkout und sind in der Vergangenheit bereits deswegen abgemahnt worden. Im schlimmsten Fall mussten sie ihr Amazon Geschäft einstampfen.
Dieser Umstand zeigt wieder einmal mehr auf, dass der rechtssichere Handel auf Amazon kaum möglich ist. Um so weniger ist es verständlich, dass Amazon hier den Prozess so sehr in die Länge zieht anstatt mit einer Veränderung zu reagieren.
Wann kommt bitte der Schutz des Verbrauchers vor Verbraucherschützern?
Ich frage mich, wo genau der Nutzen dieser Angaben für den Verbraucher liegt. Am Ende sieht der geschützte Verbraucher den Wald vor Bäumen nicht. Weniger ist manchmal mehr.
Der eigentlich Unsinn ist doch, was dort als “wesentliches Merkmal” angenommen wird.
Wen interessiert denn schon bei einem Sonnenschirm aus wieviel % Ding und wieviel % Dangs der Stoff besteht oder wie schwer das Teil ist oder aus welchem Material der Stil ist.
All dies sind zudem Informationen, die man sich im stationären Handel im Regelfall ebenfalls mühevoll und oft auch vergebens im Kleingedruckten auf der Verpackung suchen müsste. Geschweige denn, dass dies im “checkout”, sprich an der Kasse, nochmal ersichtlich wäre.
Insofern ist – wie so oft – die eigentlich Aufgabe unsinnige gesetzliche Vorschriften auf deren Grundlage wirklichkeitsfremde Richter unsinnige Urteile fällen, zu ändern oder am besten gleich abzuschaffen.