EU-Zollreform: Mehr Digitalisierung, strengere Regeln für E-Commerce und neue Pflichten für Händler

Die EU plant den größten Umbau des Zollwesens seit Jahrzehnten. Am 27. Juni hat der Rat der Europäischen Union ein Teilverhandlungsmandat für die Reform des Unionszollkodex (UZK) beschlossen – damit beginnt das Trilogverfahren mit dem Europäischen Parlament. Die Reform soll den internationalen Handel einfacher, sicherer und fairer machen. Besonders für Onlinehändler, Plattformen und Importeure wird sich einiges ändern.


Was ist der Unionszollkodex?

Der Unionszollkodex (UZK) ist das zentrale Regelwerk für den Warenverkehr in die und aus der EU. Er regelt alle zollrelevanten Vorgänge – von der Anmeldung über die Kontrolle bis zur Einfuhrabfertigung. Ziel des Kodex ist ein einheitliches Zollsystem für alle EU-Mitgliedstaaten. Die aktuelle Reform zielt auf eine tiefgreifende Modernisierung und Digitalisierung dieses Systems ab.


Das Trilogverfahren (auch Trilog genannt) ist ein informelles, aber sehr wichtiges Verfahren im EU-Gesetzgebungsprozess. Es bezeichnet die Verhandlungen zwischen drei EU-Institutionen:

  1. Europäisches Parlament
  2. Rat der Europäischen Union (Ministerrat)
  3. Europäische Kommission

Wozu dient das Trilogverfahren?

Das Verfahren soll dabei helfen, schneller eine Einigung über Gesetzesvorschläge zu finden. Denn Parlament und Rat müssen beide zustimmen – haben aber oft unterschiedliche Positionen. Im Trilog versucht man, diese Unterschiede in vertraulichen Sitzungen hinter verschlossenen Türen auszugleichen.


Wie läuft ein Trilogverfahren ab?

  1. Kommission macht einen Vorschlag.
  2. Parlament und Rat legen jeweils ihre Position fest.
  3. Trilog: Vertreter aller drei Institutionen verhandeln informell über Kompromisse.
  4. Finden sie eine Einigung, wird diese anschließend formell im Parlament und im Rat verabschiedet.

Warum ist das wichtig?

  • Ohne Einigung im Trilog kann ein Gesetz scheitern oder sich massiv verzögern.
  • Viele große Gesetzesvorhaben – z. B. zum Digital Services Act, zur KI-Regulierung oder zur Zollreform – werden im Trilog entschieden.
  • Für die Öffentlichkeit ist der Trilog kaum transparent, was häufig kritisiert wird.

Kurz gesagt:
Der Trilog ist der entscheidende politische Verhandlungsprozess hinter vielen EU-Gesetzen – informell, effizient, aber wenig transparent.


Warum ist eine Zollreform notwendig?

Der internationale Warenverkehr – insbesondere durch den boomenden E-Commerce – ist in den letzten Jahren enorm gewachsen. Allein 2024 wurden laut EU-Kommission rund 4,6 Milliarden Pakete in die EU eingeführt. Die bestehenden Zollsysteme sind dafür weder technisch noch organisatorisch gerüstet. Gleichzeitig nehmen Betrugsversuche, Produktpiraterie und Verstöße gegen Umwelt- und Sicherheitsauflagen zu.

Die Zollreform soll daher:

  • einheitliche Regeln schaffen
  • die Zollabwicklung effizienter machen
  • Verstöße gegen EU-Vorgaben schneller aufdecken
  • faire Wettbewerbsbedingungen zwischen EU-Unternehmen und Drittstaatenanbietern sichern

Die fünf zentralen Reformelemente im Überblick

1. Eine EU-Zollbehörde zur besseren Steuerung

Mit der Einführung einer Europäischen Zollbehörde (EU Customs Authority) soll es erstmals eine zentrale Steuerungsinstanz geben. Diese Behörde wird nicht klassisch zentralisiert agieren, sondern dezentral koordiniert. Ihre Aufgaben:

  • Risikoanalyse und -management auf EU-Ebene
  • Krisenkoordination (z. B. bei Lieferkettenunterbrechungen)
  • Betrieb des EU-Zolldaten-Hubs
  • Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten

Ziel ist eine einheitlichere und reaktionsschnellere Zollaufsicht in der gesamten Union.


2. EU-Zolldaten-Hub als digitaler Dreh- und Angelpunkt

Kernstück der Digitalisierung ist der EU-Zolldaten-Hub – eine zentrale, EU-weite Plattform zur einmaligen Dateneingabe. Unternehmen sollen künftig alle relevanten Informationen (z. B. zur Ware, Lieferkette, Herkunft) nur noch einmalig einreichen – unabhängig vom Einfuhrland.

Für Händler bedeutet das:

  • Wegfall nationaler Insellösungen
  • Weniger bürokratische Hürden
  • Einheitlichere Abwicklung über alle Ländergrenzen hinweg

Zugleich erhalten die Behörden einen EU-weiten Überblick über Lieferketten – was die Risikobewertung beschleunigen und verbessern soll.


3. Neue Regeln für den E-Commerce

Der grenzüberschreitende Onlinehandel steht besonders im Fokus. Geplant sind:

  • Bearbeitungsgebühr für alle Kleinsendungen (unabhängig vom Warenwert)
  • Haftungspflichten für Plattformen (wie Amazon, Temu, AliExpress)
  • Mehr Verantwortung für Händler, insbesondere bei korrekter Zollanmeldung

Ziel ist, dem Missbrauch von Wertgrenzen, der Umgehung von Einfuhrabgaben und der Einfuhr nicht konformer Produkte entgegenzuwirken.

Hintergrund: Derzeit entgehen dem EU-Haushalt jährlich Milliarden an Steuereinnahmen, weil Drittlandsanbieter Kleinsendungen oft zu niedrig deklarieren oder falsch etikettieren.


4. Vereinfachungen für vertrauenswürdige Unternehmen

Mit dem neuen Konzept der „Trust and Check Traders“ werden Unternehmen mit nachweislich transparenten Prozessen und IT-Schnittstellen besonders bevorzugt. Vorteile:

  • vereinfachte Verfahren
  • teilweise automatisierter Übergang in den freien Verkehr
  • weniger physische Prüfungen

Das bewährte Modell der Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (AEO) bleibt erhalten. Besonders KMU sollen durch das gestufte System besser eingebunden werden.


5. Entlastung durch Digitalisierung und einheitliche Prozesse

Laut EU-Kommission könnten durch die Reform jährlich rund 2 Milliarden Euro an IT-Kosten eingespart werden – auf Seiten der Behörden. Auch für Unternehmen wird der Aufwand durch standardisierte Datenstrukturen und digitale Schnittstellen sinken.

Darüber hinaus sollen Produktsicherheit, Umweltstandards und Verbraucherschutz einfacher durchsetzbar werden – auch bei Importen.


Was bedeutet das konkret für Onlinehändler?

1. Plattformverantwortung steigt: Wer über Amazon, Temu oder ähnliche Anbieter verkauft, wird mit schärferen Prüfungen und Pflichten rechnen müssen.

2. Mehr Datenpflichten: Händler müssen ihre Produktinformationen korrekt, vollständig und digital bereitstellen – im Zweifel auch rückwirkend nachvollziehbar.

3. Kosten durch Bearbeitungsgebühren: Kleinsendungen verlieren an Attraktivität.

4. Chance auf Vereinfachung: Wer in digitale Zollprozesse investiert und transparent agiert, profitiert künftig von schnelleren Verfahren.


Was passiert als Nächstes?

Mit dem verabschiedeten Verhandlungsmandat beginnen die sogenannten Trilogverhandlungen zwischen:

  • Rat der EU
  • Europäischem Parlament
  • EU-Kommission

Offen sind noch zentrale Punkte, etwa:

  • Sitz der künftigen EU-Zollbehörde
  • genaue Ausgestaltung der E-Commerce-Gebühr
  • Übergangsfristen für Unternehmen

Ein Inkrafttreten der Reform wird nicht vor 2028 erwartet.


Fazit: Eine Reform mit großem Potenzial – aber auch neuen Risiken

Die EU-Zollreform bringt mehr Klarheit und Effizienz, stellt Händler aber auch vor neue Pflichten und technische Herausforderungen. Wer frühzeitig auf digitale Prozesse und korrekte Zollanmeldungen setzt, wird profitieren. Plattformhändler und Importeure aus Drittstaaten müssen sich dagegen auf spürbar mehr Regulierung einstellen.


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