Schlechte Nachrichten für Händler, die den Amazon Umsatzsteuer-Berechnungsservice (VCS = Vat Calculation Service) für den Verkauf nach UK nutzen: Aufgrund einer fehlerhaften Abwicklung bei Amazon dürften viele Händler in bestimmten Fällen zu wenig Umsatzsteuer in UK abführen. Die Folge: Die britische Finanzbehörde könnte Beträge nachfordern, und das kann teuer werden. Händler sollten dies unbedingt berücksichtigen und zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen treffen.

Worum geht’s? Per se ist es eine praktische Sache: Der Amazon VCS berechnet die Umsatzsteuer und stellt die entsprechende Rechnung für den Käufer der Waren aus. Seit Vollzug des Brexits bildet der VCS jedoch wesentliche Transaktionsarten, die beim Verkauf von Waren ins Vereinigte Königreich auftreten, nicht korrekt ab. Und zwar berechnet der Amazon VCS bei B2C-Lieferungen, sehr wahrscheinlich aber auch in B2B-Fällen, über 135 GBP ins Vereinigte Königreich keine Umsatzsteuer. 

Die Lieferung erfolgt in diesem Fall als „FBM Sendung“. Dies bedeutet, dass Händler für den Versand und auch für die zollrechtliche Abwicklung der Waren, wenn diese im Vereinigten Königreich ankommen, zuständig sind.

Amazon betrachtet nur die EU-Sicht, nicht UK

Wie kommt es zu dem Bug, und wie reagiert Amazon darauf? Dazu kurz zum Hintergrund: Jeder Verkauf aus der EU ins Vereinigte Königreich muss sowohl aus EU-Sicht als auch aus britischer Sicht betrachtet werden.

Eine Lieferung aus der EU ins Vereinigte Königreich ist aus dieser Sicht eine steuerfreie Ausfuhrlieferung. Nichtsdestotrotz gehört diese Transaktion in die Umsatzsteuermeldung des jeweiligen Landes, aus dem die Waren verschickt werden. Im Vereinigten Königreich jedoch wird der britische Zoll für Lieferungen dieser Art grundsätzlich Zoll und Einfuhrumsatzsteuer festsetzen. Die Einfuhrumsatzsteuer kann in der Regel als Vorsteuer vom HRMC, dem britischen Finanzamt, wiedergeholt werden. B2C-Lieferungen über 135 GBP führen allerdings in einem zweiten Schritt auch zu einer lokalen umsatzsteuerpflichtigen Lieferung in UK, wenn die Zollabwicklung im Vereinigten Königreich durch die Händler erfolgt. Das heißt, dann muss britische Umsatzsteuer auf den Verkauf abgeführt und in der britischen quartalsweisen Umsatzsteuermeldung deklariert werden. 

Das Problem des Amazon VCS ist, dass er bei B2C-Lieferungen über 135 GBP nach UK nur die europäische Sichtweise berücksichtigt. In der Bestellung werden 0% Umsatzsteuer ausgewiesen. In der Rechnung wird zudem keine Umsatzsteuer ausgewiesen. 

Amazon argumentiert – auf Nachfrage – mit der europäischen Sichtweise und der aus europäischer Sicht steuerfreien Ausfuhrlieferung. Im Klartext: Amazon scheint nicht bewusst zu sein, dass auch die britische Seite berücksichtigt werden muss! Dies ist verwunderlich, denn an anderen Stellen hat der VCS die britischen Regelungen, die seit dem Brexit gelten, wie zum Beispiel die britische Lieferkettenfiktion, korrekt umgesetzt. 

Schätzung von Taxdoo: 35,8 Mio. GBP könnten nachgefordert werden

Taxdoo hat auf Basis der Daten von mehreren hundert Händlern auf der eigenen Plattform analysiert, welche Größenordnung der Amazon-Bug hat. Demnach hat ein durchschnittlicher Händler seit dem Brexit Lieferungen mit einer Bemessungsgrundlage – das ist der Betrag, der der Berechnung der Umsatzsteuer zu Grunde zu legen ist – in Höhe von ca. 12.789 GBP erbracht (Lieferungen nach UK über 135 GBP). 

Europaweit nutzen nach Taxdoo-Schätzungen 175.000 Händler EU-weit den Amazon VCS. Es ist davon auszugehen, dass hiervon 8% ihre Waren seit dem Brexit weiterhin ins Vereinigte Königreich vertreiben. Dies führt für das HRMC zu einem geschätzten Umsatzsteuerausfall in Höhe von 35,8 Mio. GBP durch diesen systematischen Fehler im Amazon VCS.

Risiken beim Verkauf nach UK beschränken

Händler sollten unbedingt aktiv werden, damit ihnen kein Schaden entsteht. In einem ersten Schritt ist für den Zeitraum seit dem Brexit zu analysieren, ob folgende Lieferungen nach UK getätigt wurden: 

  • B2C-Lieferungen über 135 GBP nach UK
  • B2B-Lieferungen über 135 GBP nach UK

Wird dies bejaht und dafür ausschließlich der Amazon VCS genutzt, ist davon auszugehen, dass zu wenig Umsatzsteuer in UK abgeführt wurde. 

Im zweiten Schritt sollte ermittelt werden, wie hoch die nicht abgeführte Umsatzsteuer ist. 

Hier ist zu unterscheiden: 

  • Wenn die nicht gemeldete Umsatzsteuer für ein Quartal unter 10.000 GBP liegt, dann die zu wenig gemeldete Umsatzsteuer in der nächsten quartalsweisen Meldung berücksichtigt werden. Das HRMC spricht in diesen Fällen von einem “Adjustment”.
  • Wenn die vorgenannte Schwelle überschritten wird und mehr als 10.000 GBP nicht deklariert wurden, wird es kritischer und man muss die ursprüngliche Meldung korrigieren und die Fehler dem HRMC in einer bestimmten Form mitteilen. Details zum Prozess hat das HRMC unter diesem Link veröffentlicht.

Fazit: Bei Nutzung des Amazon VCS müssen steuerliche Risiken immer im Blick behalten werden! Weitere ausführliche Informationen gibt es hier.