LG Köln: Einstufung als Unternehmer auf Marktplätzen wie eBay und Kleinanzeigen – wo hört privat auf, wo beginnt gewerblich?

Immer wieder stehen Händler vor der Frage: „Bin ich auf eBay, Kleinanzeigen oder Amazon noch privater Verkäufer – oder handle ich schon als Unternehmer?“ Genau das hat das LG Köln (Urt. v. 7. Mai 2025 – 87 O 52/24) entschieden. Die Richter mussten beurteilen, ob ein Anbieter, der seit Jahren auf eBay aktiv ist, tatsächlich noch privat handelt oder ob er längst als gewerblicher Verkäufer einzustufen ist.

Das Urteil ist gut: Wer regelmäßig Waren verkauft, mehrere gleichartige Angebote gleichzeitig online hat und sich professioneller Tools bedient, kann nicht mehr auf das Privileg „Privatverkauf“ pochen. Das LG Köln zieht klare Grenzen und macht deutlich, dass Händler in die Unternehmerrolle hineinwachsen – mit allen rechtlichen Konsequenzen.


Wer war betroffen?

Im konkreten Fall ging es um einen Anbieter, der seit 2006 auf eBay aktiv war. Unter einem festen Verkäufernamen bot er Miniatur-Rennautos („Slotcars“) samt Zubehör an. Der Mann trat nicht nur als Verkäufer, sondern auch als Käufer auf.

Die Gegenseite war ein Wettbewerber, der den Anbieter im August 2024 abmahnte. Der Vorwurf: Die Angebote seien eindeutig gewerblich, aber der Verkäufer erfülle nicht die Pflichten eines Unternehmers (Impressum, Widerrufsbelehrung, korrekte Informationspflichten).


Was war passiert?

Im August 2024 hatte der Beklagte gleichzeitig 77 Verkaufsangebote online. Die Artikel waren professionell bebildert, teilweise mit Mengenrabatten versehen („Multirabatt beim Kauf von 2, 3 oder 4 oder mehr Stück“).

Dazu kam die Aktivität: Zwischen Januar 2024 und Januar 2025 erhielt der Verkäufer 125 Bewertungen. In einem Jahr also mindestens 125 Verkäufe – die Zahl dürfte sogar höher liegen, da nicht jeder Käufer bewertet. Im Zeitraum August 2023 bis August 2024 waren es insgesamt 131 Bewertungen.

Zudem tauchten Formulierungen wie „unused“ oder „neu“ in englischsprachigen Angeboten auf – ein weiterer Hinweis auf professionelle Strukturen.


Wann und wo spielte sich das ab?

  • Plattform: eBay
  • Zeitraum: August 2023 bis Januar 2025
  • Gericht: LG Köln, Urteil vom 7. Mai 2025

Die Abmahnung erfolgte Ende August 2024. Das Verfahren zog sich bis ins Frühjahr 2025.


Warum entschied das Gericht auf Unternehmereigenschaft?

Das LG Köln machte klar: Entscheidend ist die Gesamtschau der Umstände.
Im Fall sprachen mehrere Indizien klar gegen die Behauptung „Privatverkauf“:

  1. Anzahl der Verkäufe: 125 Verkäufe in einem Jahr = planmäßige, nachhaltige Verkaufstätigkeit.
  2. Parallelangebote: 77 gleichzeitig aktive Listings – für Privathändler untypisch.
  3. Art der Waren: ausschließlich gleichartige Artikel (Slotcars und Zubehör), kein typischer „Haushaltsausverkauf“.
  4. Bewertungen: 131 Bewertungen in einem Jahr – davon 125 als Verkäufer.
  5. Professionelle Tools: Multirabatt, Zustandsbeschreibung „unused“ oder „neu“.

Die Richter hielten fest: Eine gewerbliche Tätigkeit liegt vor, „wenn planmäßig über einen gewissen Zeitraum hinweg entgeltliche Leistungen am Markt angeboten werden“. Genau das sei hier der Fall.


Argumentation des Beklagten – und warum sie scheiterte

Der Verkäufer versuchte, seine Aktivitäten als „Privatsammlung“ darzustellen. Doch das Gericht ließ diese Erklärung nicht gelten.

  • Es fehlten Belege: keine Fotos der Sammlung, keine Angaben zum Umfang oder Ort der Aufbewahrung.
  • Die Sammlung sei lediglich eine „typische Schutzbehauptung“, die viele Händler auf eBay nutzen, um gewerbliche Tätigkeiten zu verschleiern.
  • Der Verkäufer schwieg zu konkreten Nachfragen des Gerichts („Woher stammen die Autos? Wie lange wurde gesammelt? Warum jetzt die Auflösung?“).

Das LG Köln stellte klar: Wer behauptet, privat zu verkaufen, muss das auch substantiiert darlegen können. Eine pauschale Aussage reicht nicht.


Professionelle Angebote als klares Indiz

Besonders ins Gewicht fiel der Einsatz professioneller Elemente:

  • Multirabatte: Typisch für Händler, untypisch für Privatleute.
  • Artikelzustände differenziert beschrieben: „unused“, „neu“, „gebraucht“ – ebenfalls Zeichen für professionelles Vorgehen.
  • Englischsprachige Angebote: Für Privatanbieter ungewöhnlich, für Händler normal.

Das Gericht folgerte: „Die Angebote waren auf professionelle Art und Weise abgefasst.“


Vergleich mit anderer Rechtsprechung

Spannend: Das LG Köln reiht sich in eine Linie weiterer Urteile ein.

  • OLG Brandenburg: 600 Bewertungen in 15 Jahren reichten nicht, um Unternehmereigenschaft zu begründen.
  • EuGH: Stellte Kriterien auf, wann ein Anbieter als Unternehmer einzustufen ist (Regelmäßigkeit, Organisation, planmäßiges Handeln).
  • BFH: Auch steuerlich kann eine regelmäßige Verkaufstätigkeit zum Gewerbebetrieb führen.

Das zeigt: Es gibt keine starre Grenze („ab 100 Verkäufen bist du Unternehmer“). Immer gilt die Einzelfallbetrachtung.


Warum ist die Abgrenzung so wichtig?

Für dich als Verkäufer ist die Einordnung entscheidend:

  • Pflichten für Unternehmer: Impressum, Widerrufsbelehrung, Informationspflichten, Umsatzsteuer.
  • Abmahnrisiko: Wer gewerblich verkauft, aber als privat auftritt, riskiert kostenpflichtige Abmahnungen.
  • Verbraucherschutz: Kunden müssen über Rückgaberechte informiert werden.
  • Steuerrecht: Gewerbliche Einkünfte sind steuerpflichtig.

Praxis-Tipps für Händler

So erkennst du selbst, ob ein Händler „gewerblich“ bist:

  • Verkaufst er regelmäßig gleichartige Waren?
  • Hat er mehrere Angebote gleichzeitig aktiv?
  • Nutzt er Rabatte, Tools oder Shop-Funktionen?
  • Hat er viele Bewertungen in kurzer Zeit?
  • Kauft er gezielt ein, um weiterzuverkaufen?

Wenn mehrere Fragen mit „Ja“ beantwortet werden: Vorsicht – dann ist er aus Sicht der Gerichte vermutlich Unternehmer.

Was solltest du tun?

  • Fordere ihn auf sich als Händler anzumelden
  • Melde ihn bei den Plattformen.
  • Weise ihn aus seine Pflichten hin: Impressum, Widerrufsbelehrung, AGB.
  • Mahne ihn ab

Fazit

Das Urteil des LG Köln zeigt: Die Grenze zwischen privat und gewerblich ist fließend – aber Gerichte sind zunehmend streng. Wer dauerhaft, planmäßig und professionell verkauft, wird als Unternehmer eingestuft.

Das bedeutet: Lieber rechtzeitig die Unternehmerpflichten erfüllen, statt riskieren, abgemahnt zu werden.

Denn: Eine falsche Einstufung kann teuer werden – Abmahnungen, Rückabwicklungen und steuerliche Nachzahlungen inklusive.


FAQ: Einstufung als Unternehmer auf Marktplätzen (LG Köln, 87 O 52/24)

Stand: August 2025
Worum ging es im Fall vor dem LG Köln?

Ein eBay-Verkäufer bot regelmäßig Slotcars und Zubehör an, hatte 77 gleichzeitige Angebote und erhielt 125 Bewertungen in 12 Monaten. Er nutzte u. a. Multirabatt und differenzierte Zustandsangaben („unused“, „neu“). Das Gericht bejahte die Unternehmereigenschaft aufgrund der Gesamtschau.

Welche Kriterien sprechen für Unternehmereigenschaft?

Es gibt keine starre Grenze. Entscheidend ist die Gesamtschau u. a. folgender Punkte:

  • Regelmäßige, planmäßige Verkäufe über einen längeren Zeitraum
  • Viele gleichartige Artikel, parallel angeboten
  • Hohe Zahl an Bewertungen in kurzer Zeit
  • Einsatz professioneller Verkaufstools (z. B. Multirabatt)
  • Professionelle Artikelgestaltung (Zustand, Bilder, Texte, ggf. englisch)
  • An- und Verkäufe in engem Zusammenhang (Warenbeschaffung zum Weiterverkauf)
Was spricht gegen eine Unternehmereigenschaft?

Ein typischer Privatverkauf ist unregelmäßig, räumt Haushalt/Privatsammlung auf, umfasst verschiedene Einzelstücke und nutzt keine Profi-Tools. Einzelne hohe Verkäufe allein begründen noch keinen Unternehmerstatus.

Zählen Bewertungen als starkes Indiz?

Ja. Viele Verkäuferbewertungen in kurzer Zeit belegen eine planmäßige Verkaufstätigkeit. Achtung: Auch Käuferbewertungen können zeigen, dass du Waren beschaffst, um weiterzuverkaufen.

Ist „Multirabatt“ oder „Mengenrabatt“ ein Problem?

Allein nicht. In Kombination mit vielen, gleichartigen Angeboten und hoher Aktivität ist es ein zusätzliches Indiz für professionelle, gewerbliche Strukturen.

Reicht eine „Privatsammlung“-Behauptung als Entlastung?

Nein. Du trägst eine sekundäre Darlegungslast. Du musst konkret belegen: Umfang, Herkunft, Aufbewahrung, Zeitraum, Auflösungsgründe – ideal mit Fotos, Anschaffungsbelegen, Zeugen. Pauschale Aussagen genügen nicht.

Welche Pflichten treffen dich als Unternehmer?
  • Impressum mit vollständigen Kontaktdaten
  • Widerrufsrecht inkl. Belehrung, Fristen, Muster
  • Informationspflichten (z. B. Produktinfos, Preise inkl. USt, Versand)
  • Datenschutz (Link zur Datenschutzerklärung)
  • Umsatzsteuer & ggf. Gewerbeanmeldung

Fehlen diese Angaben, drohen Abmahnungen.

Gibt es feste Schwellenwerte (z. B. Anzahl Verkäufe)?

Nein. Gerichte entscheiden im Einzelfall. Beispiel: Das OLG Brandenburg hielt 600 Bewertungen in 15 Jahren für sich nicht ausreichend. Beim LG Köln waren u. a. 125 Verkäufe in 12 Monaten und 77 Parallelangebote maßgeblich.

Welche Rolle spielt der EuGH/BFH?

EuGH (Verbraucherrecht): Kriterien zur Unternehmereigenschaft (Regelmäßigkeit, Organisation, Gewinnerzielung). BFH (Steuer): Häufige, planmäßige Veräußerungen können steuerlich Gewerbe sein – mit USt/ESt-Folgen.

Wie belege ich, dass ich wirklich privat verkaufe?
  • Heterogener „Haushaltsmix“ statt gleichartiger Waren
  • Unregelmäßige Verkäufe, keine Beschaffung zum Weiterverkauf
  • Keine Profi-Tools (kein Multirabatt, keine Serienangebote)
  • Belege/Fotos einer tatsächlichen Privatsammlung
Welche Risiken drohen bei falscher Einstufung?
  • Abmahnung (Unterlassung, Kosten, Vertragsstrafe)
  • Rückabwicklung wegen fehlender Widerrufsbelehrung
  • Steuerliche Nachforderungen (USt/ESt, ggf. Gewerbesteuer)
  • Marktplatz-Sanktionen (Sperrungen, Limits)
Ich verkaufe nur eine Warengruppe (z. B. Slotcars). Ist das heikel?

Monothematische Sortimente sind ein Indiz für planmäßigen Handel – besonders bei vielen Angeboten gleichzeitig und professioneller Darstellung.

Spielt die Sprache im Angebot (z. B. Englisch) eine Rolle?

Ja, kann als Indiz gelten. Englischsprachige Angebote und standardisierte Zustandsangaben („unused“, „like new“) wirken professionell.

Ich habe 100 Verkäufe in 12 Monaten – bin ich Unternehmer?

Kommt auf die Gesamtschau an. 100 Verkäufe plus viele Parallelangebote, gleiche Ware, Profi-Tools und Beschaffung zum Weiterverkauf → hohes Risiko der Unternehmereinstufung.

Wie reagiere ich auf eine Abmahnung?
  • Fristen einhalten, aber nicht übereilt unterschreiben
  • Juristisch prüfen lassen (Unterlassungserklärung, Kosten)
  • Sofort Impressum/Widerrufsbelehrung/Infos nachrüsten
  • Belege sichern (z. B. echte Privatsammlung, Einzelfall)
Was muss ich auf eBay konkret anpassen, wenn ich Unternehmer bin?
  • Impressum in den Rechtstexten hinterlegen
  • Widerrufsbelehrung + Musterformular
  • USt-Ausweis, Versandkosten, Lieferzeit
  • Datenschutzhinweis verlinken
  • Keine irreführenden „Privatverkauf“-Klauseln
Wie vermeide ich künftig Abmahnungen?
  • Ehrliche Selbsteinschätzung: privat vs. gewerblich
  • Bei Regelmäßigkeit: Gewerbe anmelden und Rechtstexte pflegen
  • Klare, aktuelle Rechtstexte; Preise sauber auszeichnen
  • Dokumentation behalten (Anschaffungen/Verkäufe)
Gilt das Urteil nur für eBay?

Nein. Die Grundsätze gelten plattformübergreifend (eBay, Amazon, Kleinanzeigen, Etsy usw.). Entscheidend ist dein Marktauftritt, nicht die Plattform.

Hat eine „Powerseller“- oder „Top-Bewertung“ Einfluss?

Formale Badges sind nicht entscheidend, können aber das Bild einer professionellen Tätigkeit verstärken.

Checkliste: Bin ich (noch) privat?
  • Unregelmäßige Verkäufe, bunter Haushaltsmix
  • Keine Beschaffung zum Weiterverkauf
  • Keine Profi-Tools, keine Serienangebote
  • Wenige Bewertungen über lange Zeit

Wenn mehrere Punkte nicht zutreffen, solltest du dich als Unternehmer einstufen.


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