von Ingrid Lommer, zuerst erschienen auf internetworld.de
Podiumsdiskussion: Welche Marktplätze lohnen sich noch?
Was haben Online-Marktplätze abseits vom übermächtigen Amazon ihren Händlern zu bieten? In einer spannenden Podiumsdiskussion auf der TrendArena der Internet World standen Vertreter von eBay, Idealo, Real und Etsy Rede und Antwort.
Je nach Schätzung macht der Umsatzanteil von Amazon.de am deutschen E-Commerce-Markt bis zu 40 Prozent aus – rund die Hälfte dieser Umsätze gehen vermutlich auf das Konto der Marketplace-Händler. Welcher andere Online-Marktplatz außer Amazon lohnt sich angesichts dieser gewaltigen Zahlen für Online-Händler noch? Diese Frage stand im Zentrum einer intensiven Podiumsdiskussion auf der Internet World, bei der sich Denis Burger, Senior Director Seller Growth bei eBay, Gerald Schönbucher, Geschäftsführer von real Digital Services, Jörn Rehse, Geschäftsführer von idealo und Arne Erichsen, Country Manager DACH von Etsy, teils unangenehme Fragen gefallen lassen mussten.
Welche Daseinsberechtigung haben Marktplätze?
Moderator Mark Steier nahm seine Marktplatz-Runde gleich von Beginn an hart ran: Welche Daseinsberechtigung haben eBay, idealo, real und Co noch neben dem allmächtigen Amazon, wollte der streitbare Betreiber von Wortfilter.de gleich zu Beginn provokant wissen. Die Antwort: ihre ganz eigenen USPs. Denis Burger präsentierte eBay als Plattform mit hoher Reichweite, die im Gegensatz zu Amazon nicht mit seinen Händlern konkurriere, sondern ihnen bestmögliche Bedingungen für den Verkauf bereitstellen wollte. Jörn Rehse von idealo stellte heraus, wie wichtig es ist, mit den Händlern darüber zu diskutieren, wie sie sich auf idealo am besten präsentieren können außer über den Preis. “Wir wollen uns über den reinen Preisvergleich hinaus entwickeln”, so der idealo-Mann und verwies auf die neue Kauffunktion, mit der idealo-Besucher direkt zu Käufern gemacht werden könnten.
Gerald Schönbucher von Hitmeister/real musste sich sagen lassen, dass aus “zwei Suppenhühnern kein Adler wird” (Steiers Begründung: real.de hatte vor der Übernahme von Hitmeister genauso viel Umsatz gemacht, wie der größte Einzelhändler auf ebay allein), versprach aber, dass die 5.000 ehemaligen Hitmeister-Händler langfristig von der Fusion mit Real profitieren würden. “Wir müssen die Marke real vernünftig einsetzen”, so Schönbucher. “Wir erreichen jede Woche 23 Millionen Menschen nur über die Handzettel von Real – in die wollen wir langfristig auch die Produkte unserer Händler einbinden.” Etsy wiederum sehe sich gar nicht in einer Konkurrenzsituation mit Amazon oder eBay (auch wenn ebay 92.000 Produkte im Bereich Vintage-Produkte führt, die so auch auf Etsy stehen könnten), weil es sich als Plattform für kleine, feine Designlabels verstehe, die ihre Kunden vor allem über Emotionalität ansprechen wollen, so Arne Erichsen.
Händlermitsprache und Händlersupport
Abgesehen von der Reichweite und der Relevanz innerhalb der eigenen Zielgruppe eines Online-Marktplatzes sind für Händler auf Partnersuche auch andere Faktoren sehr entscheidend – zum Beispiel: Wie behandelt der Online-Marktplatz seine Händler? eBay gebe sich hier viel Mühe, betonte Burger. Es gäbe einen Händler-Beirat, Händlertreffen und diverse Foren, in denen sich Händler austauschen könnten. Zudem hole eBay vorab schriftlich und telefonisch Händler-Feedback zu geplanten Neuheiten und Änderungen am Marktplatz ein.
Real/Hitmeister wiederum kommuniziert über seinen sehr persönlichen Händlerservice mit seinen rund 5.000 Händlern und versucht aus der Kommunikation auch Ideen für neue Features zu gewinnen. Die Umsetzung dieser Features könnte dann innerhalb von rund zwei Monaten erfolgen, so Schönbucher. “Ich höre von Deinen Händlern, dass sie dringend darauf warten, dass sie endlich verschiedene Produktvarianten anbieten können”, setzte Steier nach. “Kann ich denen also sagen, dass das in acht, neun Wochen erledigt ist?” Schönbucher wich einem konkreten Datum aus, sagte aber zu, dass das Thema ganz oben auf der Agenda des Marktplatz sei.
Im Vergleich dazu fühlten sich die 170.000 eBay-Händler regelrecht von eBay allein gelassen, knüpfte Steier an. Burger räumte Versäumnisse beim Thema Händler-Support in der Vergangenheit ein, betonte aber, dass schon jetzt einige Händler von einem besonders engen Premium Support profitieren würde. Es sei möglich, dass dieser Service in Zukunft allen Händlern zur Verfügung stehe – gegen eine “kleine Gebühr”. Zudem sollen Wachstumsprogramme die Händler dabei unterstützen, ihr Geschäft auf eBay schneller auszubauen.
Sämtliche auf dem Podium vertrretene Online-Marktplätze schauen positiv in die Zukunft, der Übermacht von Amazon zum Trotz. Etsy rechnet für dieses Jahr mit einem Zuwachs beim Händlerumsatz von rund 25 Prozent, Real-Mann Schönbucher geht davon aus, dass die bisherigen HItmeister-Händler ihr Volumen in diesem Jahr verdoppeln werden. Idealos Händler haben über die Preisvergleichsplattform 2016 einen geschätzten Umsatz von 1,6 Milliarden Euro erzielt; die neue Direktkauf-Funktion werde da noch eine Schippe drauf legen, versprach Rehse. eBay wollte sich als börsennotiertes Unternehmen nicht in die Glaskugel schauen lassen, Burger sagte lediglich, die Wachstumsziele seien “ambitioniert, aber realistisch”.
Der Beitrag ist von Ingrid Lommer, Internetworld.de