Von Dr. Carsten Föhlisch. Müssen bei Nahrungsergänzungsmitteln in Kapselform Grundpreise angegeben werden? Nein, urteilte zuletzt das OLG Celle. Das OLG Düsseldorf (Urt. v. 15.8.2019 – 15 U 55/19) hat diese Frage nun anders entschieden – die Angabe des Grundpreises nach § 2 Preisangabenverordnung sei erforderlich. Es handle sich um Produkte, die nach Gewicht angeboten werden.

Ein Händler hatte über seinen Onlineshop Nahrungsergänzungsmittel in Kapselform angeboten, ohne den Grundpreis anzugeben. Es handelte sich um Aminosäureprodukte, die als Kapseln zu je 30 Stück in einer Verpackung verkauft wurden. Der Kläger sah hierin einen Verstoß gegen die Preisangabenverordnung und verlangte Unterlassung. Dem folgte das LG Wuppertal nicht. Hiergegen legte der Kläger Berufung ein.

Das OLG Düsseldorf entschied, dass der Beklagte gegen § 2 Abs. 1 PAngV verstoßen habe, indem er keinen Grundpreis angegeben hat.

Angebot nach Gewicht

Bei dem Produkt handle es sich um eine Fertigverpackung, die nach Gewicht angeboten werde. Hierfür sei nicht die Gewichtsangabe auf der Verpackung entscheidend. Vielmehr folge das Angebot nach Gewicht aus einer spezialgesetzlichen Pflicht zur Angabe der Füllmenge des Nahrungsergänzungsmittels.

Dementsprechend ist der Grundpreis immer dann anzugeben, wenn eine Angabe zur Füllmenge der in einer Verkaufseinheit angebotenen Ware gemacht werden muss. Besteht eine dahingehende spezialgesetzliche Pflicht, wird die Ware folglich im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV nach Gewicht angeboten. Eine etwaige Umgehung einer bestehenden Kennzeichnungspflicht lässt die Verpflichtung zur Angabe eines Grundpreises nicht entfallen […]. Wird die Ware beispielsweise nach Stückzahl (der Verpackungen) angeboten, obwohl nach spezialgesetzlichen Vorschriften die Füllmenge der Verpackungen angegeben werden muss, kann dadurch nicht die Grundpreisangabe vermieden werden.

Das mit der angegriffenen Werbung gemäß Anlage AST 1 beworbene sowie angebotene Aminosäurenprodukt ist ein Nahrungsergänzungsmittel im Sinne des § 1 NemV und damit unstreitig ein Lebensmittel. Als Lebensmittel darf es aufgrund einer gesetzlichen Kennzeichnungspflicht nur unter Angabe der Füllmenge nach Gewicht angeboten und beworben werden.

Ob diese Pflicht aus §§ 6, 7 FpackV oder Art. 23 Abs. 3 i.V.m. Anh. X LMIV erwachse, sei vorliegend nicht entscheidend, da nach beiden Vorschriften andere als flüssige Lebensmittel nach Gewicht bzw. deren Nettofüllmenge nach Gewicht zu kennzeichnen seien.

Ausnahme greift nicht

Eine Ausnahme von dieser Pflicht enthält jedoch Anhang IX Nr. 1 c) LMIV. Danach ist die Angabe der Nettofüllmenge nicht verpflichtend bei Lebensmitteln, die normalerweise nach Stückzahlen in den Verkehr gebracht werden, sofern die Stückzahl von außen leicht zu sehen und einfach zu zählen ist oder anderenfalls in der Kennzeichnung angegeben ist. Die Beklagte vertrat die Ansicht, die angebotenen Kapseln würden hiervon erfasst, da sie unzerkaut vom Verbraucher geschluckt werden und für diese allein die Verzehrempfehlung von Bedeutung sei, nicht hingegen das Gesamtgewicht aller Kapseln.

Dies sah das Gericht jedoch anders:

Erfasst sind „stückige“ Produkte wie Obst und Gemüse, Eier, aber auch Backwaren, mithin Produkte, bei denen aus Sicht der Verbraucher das Stück die „natürliche“ Mengeneinheit bildet. […] Die Sichtweise der Verfügungsbeklagten verengt den Begriff des Lebensmittels von vornherein auf die/eine bestimmte Darreichungsform des Lebensmittels. Dafür bietet Nr. 1c des Anhangs IX jedoch weder einen Anhaltspunkt noch einen Anlass. In der Norm heißt es: „Die Angabe der Nettofüllmenge ist nicht verpflichtend bei Lebensmitteln, […]“. Klarer Anknüpfungspunkt für die Ausnahme von der Kennzeichnungspflicht ist demnach „das“ Lebensmittel, nicht hingegen seine (vom Hersteller frei wählbare) Darreichungsform. Diese wird nicht als Kriterium erwähnt und es ist auch nicht ersichtlich, weshalb darauf abgestellt werden sollte. […]

Ferner würde die genannte Sichtweise letztlich dazu führen, dass bei Lebensmitteln, die in verschiedenen Darreichungsformen angeboten und vertrieben werden, von unterschiedlichen Lebensmitteln im Sinne der Nr. 1c des Anhangs IX auszugehen wäre, obwohl das Lebensmittel als solches bzw. inhaltlich identisch ist. Für die eine Form (bezogen auf ein Nahrungsergänzungsmittel, z. B. Pulver, Liquid) wäre die Nettofüllmenge anzugeben, während dies für die andere Form (bezogen auf ein Nahrungsergänzungsmittel, z. B. Kapsel, Tablette) nicht notwendig wäre.

Grundpreis dient der Preisklarheit

Die Beklagte versuchte sich mit dem Argument zu verteidigen, dass die Angabe des Grundpreises keinen Vorteil für den Verbraucher habe, da dieser in keiner Beziehung zu dem enthaltenen Wirkstoff stehe, weshalb aus einem Vergleich von Grundpreisen kein Vergleich der Wirkstoffe erreicht werde. Für den Verbraucher sei daher nur die tägliche Verzehrempfehlung von Interesse. Dem folgte das Gericht nicht. Diese beiden Pflichten bestehen vielmehr nebeneinander. Der Vergleich der Wirkstoffe verschiedener Nahrungsergänzungsmittel sei nicht Gegenstand von § 2 Abs. 1 PAngV.

§ 4 Abs. 2 Nr. 2 NemV statuiert zwar die Pflicht, auf der Verpackung eines Nahrungsergänzungsmittels die empfohlene tägliche Verzehrmenge in Portionen des Erzeugnisses anzugeben. Die Angabe der Verzehrmenge darf sich hiernach also nicht auf das Gewicht oder das Volumen des Gesamterzeugnisses beziehen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit die Pflicht zur Grundpreisangabe obsolet bzw. aufgehoben würde. Die Pflicht gem. § 2 Abs. 1 PAngV steht vielmehr unabhängig neben der Kennzeichnungspflicht nach der NemV, die im Übrigen für alle Darreichungsformen gilt mit der Folge, dass das von der Verfügungsbeklagten behauptete vermeintliche Interesse des Verbrauchers an sich für sämtliche Produktformen bestehen müsste. Die beiden Pflichten dienen unterschiedlichen (Verbraucherschutz-)Zwecken: Während die Pflicht zur Angabe des Grundpreises der Preisklarheit dient, sollen mit Hilfe der Verzehrmengenangabe Mindest- und Höchstmengen für einen bestimmten Zeitraum fixiert werden. Folglich ersetzt die eine Vorschrift nicht die andere und die Pflicht zur Angabe des Grundpreises bleibt von der Pflicht zur Angabe der Verzehrmenge unberührt und umgekehrt.

Wesentliches Kriterium für die Kaufentscheidung

Dieser Verstoß der Beklagten sei geeignet, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen. Preisvergleiche seien für Verbraucher trotz unterschiedlicher Einnahmezwecke und Aminosäureprofile verschiedener Produkte möglich.

Mittels dieses Grundpreises kann der Verbraucher das Preis-Mengen-Verhältnis erkennen und ohne Schwierigkeiten einen Preisvergleich vornehmen. Der Preis eines Produktes ist ein wesentliches Kriterium, das die Kaufentscheidung beeinflussen und den Verbraucher zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann. […] Ein im Interesse der Preisklarheit leichter Preisvergleich kann des Weiteren bezüglich anderer Aminosäurenkapseln anderer Anbieter vorgenommen werden. […] Die Angabe des Grundpreises nach Gewicht ist folglich ein sinnvolles Kriterium für den Verbraucher, um nachvollziehen zu können, ob ein Aminosäuren(Kapsel)-Produkt preisgünstig oder teurer ist. Gleiches gilt bezüglich der Aminosäurenprodukte, die in einer anderen Darreichungs- oder Verpackungsform angeboten werden. Anhand eines Grundpreises bezogen auf das Gewicht ist insbesondere ein Vergleich des angebotenen und beworbenen Kapselproduktes mit Produkten möglich, die als Pulver – unter Nennung des Gewichts und somit auch unter Nennung des Grundpreises – in den Verkehr gebracht werden.

Fazit

Das Urteil des OLG Düsseldorf ist innerhalb kurzer Zeit die zweite Entscheidung zu der umstrittenen Frage, ob bei Nahrungsergänzungsmitteln in Kapselform ein Grundpreis anzugeben ist. Die Frage, ob solche Nahrungsergänzungsmittel normalerweise nach Stückzahl in den Verkehr gebracht werden, hat zuletzt das OLG Celle noch anders beantwortet und entschied, dass kapselförmige Nahrungsergänzungsmittel von der Ausnahme in Anhang IX Nr. 1 c) LMIV erfasst werden. Wünschenswert wäre eine ausdrückliche Regelung in der LMIV für eine solche Sonderkonstellation gewesen. Bis zu einer endgültigen Klärung empfehlen wir, einen Grundpreis anzugeben.

Über Dr. Carsten Föhlisch

Rechtsanwalt und E-Commerce Rechtsexperte seit 2000. Lehrbeauftragter Universität Münster, zahlreiche Fachveröffentlichungen, u. a. im Verlag C.H. Beck und F.A.Z., mehrmals Sachverständiger im Deutschen Bundestag. Promotion mit dem Thema “Das Widerrufsrecht im Onlinehandel” bei Prof. Dr. Thomas Hoeren, Universität Münster.