Diana Pöllath betreibt in Lwiw (Lemberg), Ukraine, und in Deutschland das Unternehmen Vineo Services GmbH. Die Unternehmerin hilft deutschen Firmen, Projekte in den Bereichen Outsourcing und Outstaffing umzusetzen. Dazu beschäftigt Diana selbst eine große Anzahl an Experten aus den Bereichen IT, Buchhaltung & Finanzwesen, Customer Support, Helpdesk und Logistik. Unternehmen können diese Service bei ihr einkaufen.
Diana ist von der Krisensituation in der Ukraine betroffen, ihr Team ist verängstigt und verunsichert. Als Unternehmerin und Mensch versucht Diana zu helfen, wo es nur geht. Sie nimmt Kollegen, die es geschafft haben, das Land zu verlassen, bei sich zu Hause auf.
Danke Diana, dass du dir die Zeit für das Interview nimmst. Wie empfindest du die Lage persönlich? Was fühlst du?
Ich befinde mich noch immer in einer Schockstarre. Für mich ist das alles so surreal, dass wir uns 2022 in einem Krieg befinden, der so nah ist und der uns direkt betrifft. Die Sorge um meine Mitarbeitenden, Freunde und Bekannte ist so groß. Und ich fühle mich sehr hilflos.
Wie geht es deinen Mitarbeitenden? Sind sie in Sicherheit?
Bisher haben es sechs Kollegen geschafft, das Land zu verlassen. Ich habe sie bei mir aufgenommen. Bei den anderen Kollegen bin ich in großer Sorge und hoffe, dass es eine Lösung geben wird. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei meinem Geschäftspartnern bedanken, die uns schnell und unbürokratisch helfen.
Du nimmst deine Mitarbeitenden auch bei dir zu Hause auf. Die ersten Kollegen sind nun angekommen. Wie geht es ihnen?
Leider konnten nur sechs Kollegen das Land verlassen. Das macht mich sehr betroffen, besonders wenn ich die Nachrichten lese, die ich von meinen Mitarbeitenden erhalte. Den Kollegen, die es geschafft haben, geht es den Umständen entsprechend gut. Sie sind erschöpft und glücklich, in Sicherheit zu sein. Aber sie empfinden auch eine große Unsicherheit für ihre Zukunft. Niemand weiß, wohin die Reise geht. Das ist sehr belastend, da sie ja völlig überrascht aus ihrem Umfeld gerissen worden sind.
Wie bewertest du die Situation in der Ukraine? Es gibt ja auch noch weitere deutsche Unternehmen die Mitarbeiter dort beschäftigen. Ist ein Arbeiten noch möglich?
Derzeit ist ein sicheres Arbeiten in der Ukraine nicht mehr möglich. Die Infrastruktur ist stark eingeschränkt. So fehlt es z. B. an stabilem Internet und die Sicherheitslage ist zu gefährlich. Ich kenne kein Unternehmen, welches seine Arbeit noch aufrechterhält. Selbst die Deutsche Botschaft ist geschlossen. Betroffen sind also alle Unternehmen.
Und was denkst du, wann der Betrieb wieder aufgenommen werden kann? Wird auch Infrastruktur zerstört?
Noch ist niemand in der Lage eine zuverlässige Prognose abzugeben. Dazu ist alles einfach noch zu schwierig einzuschätzen. Aber selbst wenn ein Ende abzusehen wäre, ist es noch nicht möglich, alle Folgen abzuschätzen und alle Schäden zu bewerten. Wir schauen alle in eine sehr ungewisse Zukunft. Welche Schäden an der Infrastruktur passiert sind, lässt sich leider auch noch nicht feststellen, dazu passiert einfach aktuell zu viel.
Gegenüber dem Handelsblatt sagtest du, dass du deine wirtschaftliche Existenz verloren hast. Glaubst du, dass du sie noch einmal aufbauen kannst?
Wir wissen alle nicht, was die Zukunft bringt. Natürlich bin ich eine Vollblut-Unternehmerin, die nicht so leicht aufgibt. Daher bin ich hoffnungsvoll, dass sich eine Lösung zeigen wird. Auf jeden Fall kämpfe ich für meine Mitarbeitenden. Es ist aber auch sehr berührend, zu beobachten, welche Unterstützung wir durch unsere Geschäftspartner hier in Deutschland erfahren.
Was wünschst du dir von der deutschen Politik? Wo denkst du, wird am dringendsten nun Hilfe benötigt?
Für mich als Unternehmerin wäre es wichtig, dass meine Mitarbeitenden schnell und unkompliziert hier in Deutschland arbeiten dürfen. Damit würde ihnen eine Aufgabe gegeben und sie fallen in kein Loch. Natürlich hilft eine solche schnelle und unbürokratische Lösung auch allen anderen Unternehmern und deren Kunden. Welche Hilfe vor Ort benötigt wird, ist noch unklar. Mit Sicherheit werden bald die Dinge des täglichen Bedarfs knapp werden. Wir müssen noch abwarten.
Wenn du drei Wünsche an die Onlinehändler richten könntest, was würdest du dir wünschen?
Wenn feststeht, welche Hilfe in der Ukraine benötigt wird, wäre es großartig, wenn die Onlinehändler genau dabei unterstützen können. Sie verfügen über alle logistischen Werkzeuge, Güter schnell zu transportieren. Und natürlich werden wir auch wirtschaftliche Hilfe benötigen, um unsere Unternehmen wieder aufzubauen. Gebt uns Aufträge! Bis dahin haltet bitte zu uns und unterstützt uns, da wo ihr es könnt.
Diana, ganz lieben Dank für das Interview und deine Offenheit!
Kommentar
Ich kenne Diana nun schon fast 20 Jahre. Kennengelernt habe ich sie auf einer eBay-Veranstaltung in Österreich, am Wolfgangsee. Es macht mich persönlich so betroffen, wie nah die schrecklichen kriegerischen Ereignisse in der Ukraine sind. Nicht nur, dass sie Menschen betreffen, die ich seit fast zwei Jahrzehnten kenne, der Krieg wirkt auch direkt auf den deutschen E-Commerce ein. Etliche Händler und Servicedienstleister sind direkt betroffen. Und da ist dann noch diese unfassbare Hilflosigkeit und Ohnmacht. Was können wir selbst unternehmen? Wie können wir helfen? Habt ihr Antworten?