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Warum auch Werbeartikel und Accessoires unter die Textilkennzeichnungspflicht fallen

Viele Händler unterschätzen ein Risiko: die Pflicht zur Angabe der Materialzusammensetzung bei Textilprodukten.
Was auf den ersten Blick banal klingt, kann zu einer kostspieligen Abmahnung führen – sogar dann, wenn das Produkt gar kein klassisches Kleidungsstück ist.

Das zeigt ein aktuelles Urteil des Landgerichts Rostock (Az. 6 HKO 85/24). Die Richter entschieden:

Auch Basecaps, Werbebänder oder andere textile Accessoires müssen mit der genauen Faserzusammensetzung gekennzeichnet werden.

Und wer denkt, das gelte nur für Modeartikel, irrt gewaltig.


Einordnung: Warum das Thema alle Händler betrifft

Ob Basecap, Werbeband, Schärpe, Umhängeorden, Tasche oder Dekoartikel – überall dort, wo textilähnliche Materialien verwendet werden, greift die Textilkennzeichnungsverordnung (EU) 1007/2011.

Viele Händler wissen nicht, dass diese Pflicht nicht nur für Kleidung gilt. Entscheidend ist allein, ob ein Produkt aus Textilfasern besteht oder textile Bestandteile enthält, die für die Kaufentscheidung relevant sein können.

Das bedeutet:
Selbst Werbeartikel, Merchandising-Produkte oder Accessoires fallen darunter, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – aus Stoff, Garn oder Mischgewebe gefertigt sind.

Das LG Rostock hat nun unmissverständlich klargemacht:

„Der Gesetzgeber hat die Angabe der Textilfaserzusammensetzung vorgeschrieben und keine Ausnahmen vorgesehen.“


Der Fall: Eine Basecap ohne Materialangabe

Im konkreten Fall betrieb der beklagte Händler einen Online-Shop, in dem er eine Basecap mit Aufdruck anbot – allerdings ohne Angabe der genauen Materialzusammensetzung.

Seine Verteidigung: Es handele sich nicht um ein echtes Textilprodukt, sondern lediglich um einen Werbeartikel. Der Verbraucher interessiere sich daher nicht für die Faserzusammensetzung.

Das Landgericht Rostock sah das völlig anders.

Die Richter stellten klar:

Das Material zählt zu den wesentlichen Eigenschaften der Ware im Sinne von Art. 246a § 1 EGBGB.

Damit unterliegt jede Textilie – auch eine Basecap mit Logo – der Kennzeichnungspflicht.


📊 Fakten zum Urteil

Gericht Landgericht Rostock (Urt. v. 22. 04. 2025 – Az.: 6 HKO 85/24)
Kernthema Fehlende Angabe der Materialzusammensetzung bei Textilien – auch bei Werbeartikeln
Pflicht Materialangaben zählen zu den „wesentlichen Eigenschaften“ der Ware
Rechtsgrundlage TextilKennzVO (EU 1007/2011), § 312j II BGB i.V.m. Art. 246a EGBGB
Verstoß-Folge Wettbewerbsverletzung – abmahnbar
Praxisrelevanz Gilt nicht nur für Kleidung, sondern auch für Caps, Bänder, Schärpen, Ordenbänder etc.
Quelle wortfilter.de – Urteil Textilkennzeichnungspflicht

Rechtliche Grundlage: Textilkennzeichnungsgesetz & Informationspflichten

Das Urteil stützt sich auf mehrere gesetzliche Regelungen:

  • Art. 16 TextilKennzVO (EU) 1007/2011 – verpflichtet Händler zur Angabe der Faserzusammensetzung.
  • § 312j Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 EGBGB – verpflichtet Händler, die „wesentlichen Eigenschaften“ der Ware vor Vertragsschluss klar und verständlich anzugeben.
  • § 5 UWG – verbietet irreführende geschäftliche Handlungen durch Unterlassen wesentlicher Informationen.

Fehlt die Angabe der Faserzusammensetzung, liegt damit ein Wettbewerbsverstoß vor, der abmahnfähig ist.


Die Begründung des Gerichts

Das LG Rostock machte in seiner Urteilsbegründung deutlich, dass die Materialangabe kein Nice-to-have, sondern Pflichtinformation ist:

„Bei dem Material des Produktes handelt es sich um eine wesentliche Eigenschaft der Ware.
Der Verstoß ist geeignet, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen.“

Das Gericht betonte zudem, dass die Angabe vor Abgabe der Bestellung erfolgen muss – also direkt auf der Produktseite, nicht erst im Impressum, in AGB oder in PDF-Downloads.

Und: Die Pflicht gilt unabhängig davon, ob der Verbraucher tatsächlich an der Materialzusammensetzung interessiert ist.


Kein Schlupfloch für Werbeartikel

Besonders spannend ist der Teil des Urteils, der das Argument des Händlers verwirft:

„Die Angabe der Textilfaserzusammensetzung liegt nicht im Belieben des Herstellers oder Verbrauchers. Der Gesetzgeber hat keine Ausnahmen vorgesehen.“

Das bedeutet: Selbst wenn der Artikel rein als Promotionprodukt verkauft oder verschenkt wird, bleibt die Kennzeichnungspflicht bestehen.

Beispiel:

  • Basecaps mit Firmenlogo
  • Stoffbänder oder Schärpen
  • Umhängeorden mit Textilband
  • Stofftaschen oder Beutel
  • T-Shirts, Hoodies, Caps im Merchandise

Für all diese Produkte müssen Händler vor dem Kauf angeben, aus welchen Materialien sie bestehen – z. B.:

„100 % Baumwolle“ oder „60 % Polyester, 40 % Baumwolle“.


🧵 Was gilt als Textilie im Sinne der EU-Textilkennzeichnungsverordnung?

Rechtliche Definition (Art. 3 Abs. 1 EU 1007/2011):
Als Textilerzeugnis gilt jedes Produkt, das zu mindestens 80 Gewichtsprozent aus textilen Fasern besteht. Damit unterliegen nicht nur Kleidung, sondern auch viele Accessoires und Werbeartikel der Textilkennzeichnungspflicht.

⚙️ Textile Bestandteile – Beispiele aus der Praxis

KategorieBeispieleKennzeichnungspflicht
BekleidungT-Shirts, Hosen, Jacken, Socken✅ Ja
AccessoiresBasecaps, Schals, Armbänder, Mützen✅ Ja
Taschen & BeutelStofftaschen, Jutebeutel, Laptop-Sleeves✅ Ja
WerbeartikelCaps, Bänder, Shirts mit Logo✅ Ja
DekoartikelTischdecken, Vorhänge, Servietten✅ Ja
MischprodukteOrden mit Stoffband, Medaillen mit Textilanteil✅ Ja (wenn ≥ 80 %)
Nicht betroffenProdukte aus Leder, Metall, Holz, Kunststoff❌ Nein

📜 Sonderregelungen

  • Textilien, die nur Teil eines anderen Produkts sind (z. B. Polster bei Möbeln), müssen nicht gekennzeichnet werden, wenn sie keine Hauptfunktion erfüllen.
  • Wird der textile Teil jedoch getragen oder sichtbar (z. B. Band, Schal, Armband), gilt die Kennzeichnungspflicht wieder.

🧾 Pflichtangaben im Online-Shop

  • Angabe der genauen Faserzusammensetzung (z. B. „80 % Baumwolle, 20 % Polyester“)
  • Angabe in deutscher Sprache
  • Sichtbar vor dem Kauf direkt auf der Produktseite
  • Verwendung nur zulässiger Faserbezeichnungen (Anhang I EU 1007/2011)

🚫 Häufige Händlerfehler

  • Fehlende oder unvollständige Faserangaben
  • Textilinfo nur im Etikett, nicht online sichtbar
  • Marketingbegriffe ohne Faseranteile („Premiumstoff“, „Stretchgewebe“)
  • Keine Übersetzung ins Deutsche bei Importware

💡 Wortfilter-Tipp

Faustregel: Wenn ein Kunde das Produkt trägt, anfasst oder am Körper trägt und es aus Stoff besteht – gilt es als Textilie. Dann musst du die Materialzusammensetzung angeben. Punkt.

📚 Rechtsgrundlagen

  • Verordnung (EU) Nr. 1007/2011 – Textilkennzeichnung
  • Textilkennzeichnungsgesetz (TextilKennzG) – deutsche Umsetzung
  • § 312j BGB / Art. 246a EGBGB – Pflicht zur Angabe wesentlicher Produkteigenschaften

Praxisbeispiel: Auch Orden mit Band sind betroffen

Denn es betrifft nicht nur Modehändler, sondern alle, die Produkte mit textilen Bestandteilen anbieten.

Ein anschauliches Beispiel:
Ein Händler verkauft Ehrenorden oder Medaillen, die an einem textilen Band getragen werden. Auch hier muss die Materialzusammensetzung des Bandes angegeben werden – selbst wenn der Orden selbst aus Metall besteht.

Die Begründung ist einfach:
Das Band wird getragen, es besteht aus Fasern – und somit greift die Textilkennzeichnungspflicht.


Folgen für Händler

Das Urteil des LG Rostock zeigt, wie Abmahnfallen im Onlinehandel zuschnappen können.

Fehlt die Materialangabe, liegt automatisch ein Verstoß gegen die wesentlichen Informationspflichten vor. Das kann Konsequenzen haben:

  • Abmahnung durch Mitbewerber oder Verbände
  • Kostenerstattungspflicht für Abmahnkosten
  • Unterlassungsverpflichtung mit Vertragsstrafe
  • Bußgelder bei systematischem Verstoß

So vermeidest du Abmahnungen

1. Prüfe alle Produkte mit textilem Charakter.
Nicht nur Kleidung, sondern auch Caps, Taschen, Armbänder, Bänder, Orden, Schärpen, Stofffiguren usw.

2. Gib die Faserzusammensetzung immer vollständig an.
Beispiel: „Obermaterial: 80 % Polyester, 20 % Baumwolle“.

3. Stelle die Angabe direkt auf der Produktseite dar.
Vor dem Bestellbutton – sichtbar, klar und verständlich.

4. Prüfe Lieferantenangaben kritisch.
Gerade bei Importware aus Asien fehlt oft eine korrekte Kennzeichnung.

5. Dokumentiere die Zusammensetzung.
Halte Nachweise (Lieferantendaten, Materialblätter, Etiketten) bereit.


Bewertung aus Händlersicht

Das Urteil mag streng erscheinen, ist aber logisch. Verbraucher sollen wissen, was sie kaufen und auf der Haut tragen – auch bei Werbeartikeln.

In der Praxis bedeutet das:

Wer sich nicht sicher ist, ob ein Produkt unter die Textilkennzeichnungsverordnung fällt, sollte lieber eine Materialangabe machen als darauf zu verzichten.

Denn der Aufwand ist minimal, das Risiko dagegen erheblich.

Das LG Rostock sagt klar: Kein Produkt mit Stoffanteil ohne Kennzeichnung. Punkt.


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❓ Häufige Fragen zur Textilkennzeichnungspflicht

Muss ich auch bei Werbeartikeln wie Basecaps oder Taschen die Materialzusammensetzung angeben?

Ja. Nach der Textilkennzeichnungsverordnung (EU 1007/2011) besteht die Pflicht zur Materialangabe immer dann, wenn ein Produkt ganz oder teilweise aus Textilfasern besteht – unabhängig vom Einsatzzweck. Auch Basecaps, Stofftaschen, Schärpen oder Bänder, die als Werbeartikel oder Merchandising-Produkte verkauft werden, gelten rechtlich als Textilien und müssen die genaue Faserzusammensetzung tragen.

Wo muss die Materialangabe im Online-Shop stehen?

Die Angabe muss direkt auf der Produktseite und vor dem Bestellabschluss klar und gut sichtbar erfolgen. Sie darf nicht erst in AGB, PDF-Anhängen oder Datenblättern versteckt werden. Entscheidend ist, dass der Verbraucher die Information vor dem Klick auf den „Kaufen“-Button lesen kann.

Gilt die Kennzeichnungspflicht auch für Accessoires oder Orden mit Textilband?

Ja. Auch Accessoires oder Produkte mit textilen Bestandteilen – etwa Orden, Medaillen, Armbänder oder Schärpen – müssen die Materialzusammensetzung angeben. Im Fall des LG Rostock war dies entscheidend: Das Gericht stellte klar, dass die Pflicht auch für Produkte gilt, die nur teilweise aus Stoff bestehen, wie etwa ein Band oder ein Aufnäher.

Was droht, wenn ich die Materialangabe vergesse?

Fehlt die Angabe, handelt es sich um einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht (§ 5 UWG) und gegen Informationspflichten (§ 312j BGB i.V.m. Art. 246a EGBGB). Händler riskieren eine Abmahnung, Unterlassungsforderungen und Vertragsstrafen. Auch der Imageschaden kann erheblich sein, wenn Kunden falsche oder unvollständige Angaben bemerken.

Wie kann ich als Händler sichergehen, dass meine Angaben korrekt sind?

Prüfe Lieferantendokumente genau und fordere Materialbescheinigungen an. Bei Eigenimporten aus Asien oder Drittländern ist besondere Vorsicht geboten, da viele Hersteller unvollständige Angaben machen. Dokumentiere alle Produktdaten und achte auf klare Bezeichnungen wie „100 % Baumwolle“ oder „60 % Polyester / 40 % Baumwolle“.

Was ist der Unterschied zwischen Textilkennzeichnungsverordnung und Textilkennzeichnungsgesetz?

Die Textilkennzeichnungsverordnung (EU 1007/2011) gilt europaweit und legt fest, welche Faserbezeichnungen erlaubt sind und wie die Zusammensetzung anzugeben ist. Das deutsche Textilkennzeichnungsgesetz ergänzt diese Vorgaben und regelt deren Umsetzung sowie Sanktionen bei Verstößen in Deutschland.

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