Prozesskostenfinanzierer (auch Rechtskostenfinanzierer genannt) sind Unternehmen, die die Kosten eines Rechtsstreits für eine Partei übernehmen – in der Regel für Kläger oder Anspruchsteller. Im Gegenzug erhalten sie im Erfolgsfall einen prozentualen Anteil am erstrittenen Betrag. Scheitert der Prozess, trägt der Finanzierer das volle Kostenrisiko (Gerichts-, Anwalts-, Gutachterkosten etc.).


Wie funktioniert Prozesskostenfinanzierung?

  1. Prüfung des Falls: Der Finanzierer analysiert, ob die Erfolgsaussichten der Klage ausreichend hoch sind.
  2. Vertragsabschluss: Bei positiver Prüfung schließt der Kläger einen Finanzierungsvertrag ab.
  3. Kostenübernahme: Der Finanzierer übernimmt sämtliche anfallenden Kosten.
  4. Erfolgsbeteiligung: Kommt es zu einem erfolgreichen Urteil oder Vergleich, erhält der Finanzierer z. B. 20–40 % des erstrittenen Betrags.

Typische Einsatzbereiche

  • Kapitalanlegerklagen (z. B. Cum-Ex, Wirecard)
  • Kartellschadensersatz (z. B. Lkw-Kartell)
  • Dieselskandal
  • Versicherungsrecht (z. B. Lebensversicherungs-Rückabwicklung)
  • Gesellschaftsrecht (z. B. Gesellschafterstreitigkeiten)
  • Massenverfahren mit hohem wirtschaftlichem Interesse

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Beispiele für Prozesskostenfinanzierer

1. FORIS AG (Bonn)

  • Eines der ältesten börsennotierten Unternehmen im Bereich der Prozesskostenfinanzierung in Deutschland.
  • Fokus auf große wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten.

2. Liti Capital (Schweiz)

  • Nutzt Blockchain-basierte Finanzierung zur Beteiligung von Investoren an Klagen.
  • Stark international tätig.

3. ROLAND ProzessFinanz AG (Köln)

  • Tochter des ROLAND Rechtsschutzversicherers.
  • Spezialisiert auf komplexe Zivilrechtsfälle ab etwa 100.000 € Streitwert.

4. Therium Group (UK, weltweit tätig)

  • Einer der größten Prozesskostenfinanzierer weltweit.
  • Investiert in Einzelklagen und Sammelverfahren (class actions).

5. LEGIAL AG (München)

  • Tochter der ERGO Versicherung.
  • Bietet neben Prozesskostenfinanzierung auch Inkasso-Dienstleistungen.

Vorteile für Kläger

  • Kein finanzielles Risiko
  • Zugang zu teuren Prozessen trotz begrenzter Mittel
  • Strategische Expertise der Finanzierer

Nachteile

  • Erfolgsbeteiligung oft hoch (20–40 %)
  • Auswahlkriterien sind streng – nur wirtschaftlich attraktive Fälle werden finanziert
  • Geringe Kontrolle über Prozessstrategie (in Ausnahmefällen)

Fazit

Prozesskostenfinanzierer ermöglichen es Anspruchstellern, teure Verfahren ohne eigenes Risiko zu führen. Besonders in Fällen mit hohen Streitwerten und guter Beweislage sind sie ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung von Rechten – nicht nur für Privatpersonen, sondern zunehmend auch für Unternehmen.


Wie wählen Prozesskostenfinanzierer Fälle aus?

Prozesskostenfinanzierer übernehmen nicht jeden Fall. Die Auswahl erfolgt anhand wirtschaftlicher, rechtlicher und strategischer Kriterien. Im Zentrum steht dabei immer die Frage: Ist der Fall erfolgversprechend – und lohnt sich das wirtschaftliche Risiko?

Typische Auswahlkriterien

  1. Aussichten auf Erfolg
    • Der Fall muss juristisch gut begründet und beweisbar sein.
    • Häufig wird ein externes Rechtsgutachten oder eine anwaltliche Ersteinschätzung verlangt.
  2. Bonität des Gegners
    • Der Schuldner muss auch in der Lage sein, zu zahlen (z. B. Unternehmen, Versicherer, Banken, Autokonzerne).
    • Klagen gegen insolvente Schuldner werden in der Regel abgelehnt.
  3. Höhe des Streitwerts
    • Je höher der Streitwert, desto attraktiver ist der Fall – denn die Erfolgsbeteiligung des Finanzierers berechnet sich prozentual.
  4. Klare Beweislage
    • Fälle mit hoher Beweislast auf Klägerseite (z. B. „Aussage gegen Aussage“) werden selten angenommen.
    • Schriftstücke, Verträge, Rechnungen oder Gutachten sollten bereits vorliegen.
  5. Verjährung
    • Der Anspruch darf nicht verjährt oder kurz vor der Verjährung stehen.
    • Finanzierer benötigen ausreichend Zeit zur Prüfung und Vorbereitung.

Welche Mindeststreitwerte gelten?

Die meisten Prozesskostenfinanzierer setzen einen Mindeststreitwert von 50.000 € bis 100.000 € an. In Ausnahmefällen (z. B. bei Massenverfahren oder klarer Erfolgswahrscheinlichkeit) kann der Mindeststreitwert auch niedriger sein.

Beispiele:

ProzesskostenfinanziererMindeststreitwertBesonderheiten
FORIS AGab 100.000 €Nur gewerbliche Mandate
LEGIAL AGab 50.000 €Auch für Verbraucher
ROLAND ProzessFinanzab 100.000 €Einzelfälle oder Serienfälle
Therium Groupab 1 Mio. €International tätig, komplexe Verfahren
Omni Bridgeway (NL/D)ab 1 Mio. €Großverfahren, auch gegen Staaten

Zusammengefasst:

  • Fälle müssen juristisch klar, wirtschaftlich lohnend und gut dokumentiert sein.
  • Der Streitwert sollte idealerweise mindestens 100.000 € betragen.
  • Der Gegner muss leistungsfähig sein.
  • Die Verjährung darf nicht zu nah bevorstehen.

Hier ist eine Checkliste zur Vorbereitung einer Anfrage bei einem Prozesskostenfinanzierer, die du auch als Musterformular verwenden kannst:


📝 Checkliste / Anfrageformular für Prozesskostenfinanzierer

1. Angaben zum Anspruchsteller

  • Name / Firma:
  • Anschrift:
  • Ansprechpartner:
  • Telefonnummer / E-Mail:
  • Rechtsform (bei Unternehmen):
  • Besteht eine Rechtsschutzversicherung? (Ja/Nein – ggf. mit Deckungsnummer)

2. Informationen zum Gegner

  • Name / Firma des Gegners:
  • Sitz / Adresse:
  • Ist der Gegner zahlungsfähig? (z. B. Großunternehmen, Versicherung, Bank)

3. Beschreibung des Falls

  • Sachverhalt in eigenen Worten (max. 1 DIN-A4-Seite):
  • Welche Forderung wird geltend gemacht?
  • Welche Beweise liegen vor? (z. B. Verträge, E-Mails, Gutachten)
  • Ist ein anwaltliches Gutachten oder eine Einschätzung vorhanden?

4. Juristischer Status

  • Wurde bereits Klage eingereicht? (Ja/Nein)
  • In welchem Stadium befindet sich das Verfahren? (Vorgerichtlich / Klage anhängig / Berufung etc.)
  • Welcher Anwalt wurde beauftragt? (Name und Kontaktdaten)

5. Streitwert / Schaden

  • Höhe des geltend gemachten Anspruchs: ______ €
  • Eventuell erwarteter Vergleichsbetrag: ______ €
  • Sind bereits Kosten entstanden? (Anwaltskosten, Gerichtskosten)

6. Fristen & Verjährung

  • Wann ist der Anspruch entstanden?
  • Droht in Kürze Verjährung? (Datum oder Einschätzung)

7. Sonstiges

  • Weitere relevante Informationen:
  • Bereits vorhandene Unterlagen anhängen:
    • Verträge / Rechnungen
    • Schriftwechsel
    • Gutachten
    • Anwaltskorrespondenz

📎 Tipp zur Einreichung

Reiche die Anfrage möglichst vollständig und digital ein – idealerweise als PDF-Dokument mit allen Anlagen. Je klarer und fundierter deine Darstellung, desto schneller kann der Finanzierer den Fall prüfen.


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