Mitunter ist die Rechtsprechung schon sehr skurril. Hier ein Beispiel: Ihr werdet zu Unrecht abgemahnt, stellt die Verstöße vorsichtshalber ab, wehrt euch, gewinnt und bekommt nachher keinen Schadensersatz. Aber lest selbst!
Der BGH & die Hühner
Der vermeintliche Rechteinhaber mahnte einen Händler wegen der Verwendung bestimmter Hühnermotive >chickenwings< auf Grußkarten ab. Er machte die Verletzung von Marken-, Urheber- und Geschmacksmusterrechten geltend.
Der Händler wies die Abmahnung als unberechtigt zurück und erhob negative Feststellungsklage. Daraufhin wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Abmahnung unberechtigt war und dass die Beklagte der Klägerin den durch die Abmahnung entstandenen Schaden zu ersetzen hat.
Mit der vorliegenden Klage verlangte die Klägerin nun den Ersatz von knapp 82.000,- EUR für entgangenen Gewinn und Aufwendungen. Der BGH wies den Anspruch zurück.
Und jetzt die Begründung
Denn die Klägerin habe vorschnell und wider besseres Wissen ihre wirtschaftliche Tätigkeit eingestellt, sodass der Schaden überhaupt erst entstanden sei. Das Mitverschulden sei so groß, dass sich der Ersatz auf Null reduziere.
Die Klägerin habe sämtliche von der Beklagten in der Abmahnung erhobenen Forderungen zurückgewiesen. Auch habe sie eine negative Feststellungsklage erhoben und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie davon überzeugt sei, in der Auseinandersetzung zu obsiegen. Noch nach der Abmahnung seien Grußkarten mit diesen Motiven gedruckt worden. Angesichts derartiger Umstände sei nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin dann ihre wirtschaftliche Tätigkeit in dieser Hinsicht eingestellt habe.
Darüber hinaus seien einzelne Schadensposten auch deshalb problematisch, weil nicht vorgetragen worden sei, dass einzelne Grußkarten trotz der Abmahnung unverkäuflich gewesen seien.
Skurril
Ihr werdet also dafür bestraft, dass ihr risikobewusst für euer Business entscheidet. Das sollte so nicht sein. Denn wer kennt es nicht, dass er zunächst den erst einmal die Abmahngrund beseitigt bis ein Gericht entschieden hat. Nicht umsonst erhaltet ihr einen solchen Rat von eurem Anwalt und diesen Spruch kennen einige: „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“. Das bedeutet, mit Sicherheit lässt sich selten der Ausgang eines Verfahrens absehen. Und für eure Vorsicht und Risikovorsorge werdet ihr nun bestraft, weil das BGH annimmt euch träfe eine Mitschuld.
Dieses Urteil ist skandalös! ( Bundesgerichtshof Urteil v. 19.09.2019 – Az.: I ZR 116/18 )
(Bild: Gaymann)
Das Urteil ist nicht skandalös. Der Abgemahnte hatte ohne Not nach Erhalt der Abmahnung des Vertrieb eingestellt und wollte dann Schadenersatz.
Das klingt eher nach einer anwaltlichen Falschberatung des Angemahnten.
Schon mal überlegt, was passiert wäre, wenn er verloren hätte und trotzdem in der Zwischenzeit weiter verkauft hätte?
Nein, wohl nicht, denn dann würden Sie wissen, dass große Firmen kleine Firmen in Grund und Boden klagen können, egal, ob recht oder unrecht.