Rocco Bräuniger, Amazon-Deutschlandchef, wurde kürzlich von Florian Kolf vom Handelsblatt in München interviewt. Viele der Themen, die Kolf ansprach, betreffen direkt auch Amazon-Seller. Wenig überraschend ist, dass Amazon in vielen Punkten Positionen vertritt, die Händlern zugutekommen. Doch das Gespräch zeigt auch: Amazon hat noch eine Menge Hausaufgaben zu erledigen, damit Lippenbekenntnisse in der Praxis sichtbar werden. Fakt ist aber auch, dass Amazon in Deutschland oft zu kritisch – und nicht selten falsch – betrachtet wird. Für Deutschland und Europa war Amazons Markteintritt ein echter Gamechanger: Ohne Jeff Bezos’ „Frittenbude“ würden wir vermutlich noch mit lahmen Leitungen durchs Netz schleichen, Streaming wäre undenkbar und Same-Day-Delivery völlig unbekannt. Und vor allem würden wir nicht diese Kundenzentriertheit kennen. Aber so sehr Amazon den Fortschritt beschleunigt hat, so sehr hat die Plattform auch Schattenseiten mitgebracht – allen voran die Schwemme an unlauteren chinesischen Händlern.
Wortfilter Betreiber Mark Steier trifft heute Rocco Bräuniger in Düsseldorf zu einem Dinner. An dieser Veranstaltungen nehmen andere Business Influencer wie Malte Karstan und Vertreter der Wissenschaft wie Dr. Kai Hudetz und Prof. Dr. Markus Skripek teil.
Die wichtigsten Punkte aus Kolfs Interview mit Rocco Bräuniger
- Investitionen in Deutschland
- Deutschland ist für Amazon nach den USA der zweitwichtigste Markt.
- Seit 2010 mehr als 77 Mrd. € investiert, 2024 kamen 4.000 neue Arbeitsplätze hinzu.
- Ausbau der Logistik: Same-Day-Lieferung in 30 Städten für über 30.000 Produkte.
- EU-Regulierung als Wachstumsbremse
- Compliance-Aufwand frisst Innovationskraft.
- Unterschiedliche nationale Regeln zwingen zu Mehrfachanpassungen.
- Beispiel: EPR-Registrierung – in drei Ländern sind neun Behörden zuständig.
- Beispiel: OSS-Umsatzsteuer – verspätete Überweisungen führten fast zu Sperrungen.
- Kritik am Lieferkettengesetz – nationale Alleingänge zerstören Planbarkeit.
- Digital Services Act / Digital Markets Act
- Regulierung an sich nicht schlecht, aber oft „Overregulierung“.
- Amazon fordert einheitliche Regeln für alle Marktteilnehmer in der EU.
- Kritik an der fehlenden Umsetzung von „One in, one out“.
- Konkurrenz aus China & Amazon-Strategien
- Beobachtung von Temu, Shein und JD.com.
- Start von Amazon Haul für preissensible Kunden in Deutschland.
- Unterschiede zu Temu: geprüfte Produkte, gebündelte Lieferungen, plastikfreie Verpackung.
- Geplanter Ausbau des Sortiments.
- Kundenbedürfnisse & Trends
- Fokus auf Preis, Auswahl und schnelle Lieferung.
- KI-Features wie Rufus zur smarten Suche in Rezensionen.
- Tests mit Shoppable Ads auf TikTok/Meta und Influencer-Kooperationen.
- Kunden in Deutschland wollen aber „einfache Shopping-Erlebnisse“ statt „blinkender Webseiten“.
- Lebensmittelgeschäft
- Amazon Fresh eingestellt, Fokus auf haltbare Lebensmittel mit zweistelligem Wachstum.
- Frische über Partner wie Knuspr & Tegut.
- Grund: hohe Supermarktdichte, andere Einkaufsgewohnheiten.
- KI & Shopping der Zukunft
- Rufus ist ein interner Einkaufsassistent, kein vollautonomer Agent.
- Bräuniger: KI wird Einkauf massiv verändern – Amazon will aktiv gestalten.
Kritisches Fazit für Händler
Das Interview zeigt: Amazon ist längst nicht nur ein amerikanischer Riese, der Händlern das Leben schwer macht. Bräuniger spricht viele Themen an, die auch Seller seit Jahren kritisieren – etwa die regulatorische Zersplitterung in Europa. Hier vertritt Amazon Positionen, die Händlern nützen würden. Gleichzeitig bleibt ein Widerspruch: Während Amazon öffentlich eine Vereinfachung fordert, erleben Händler tagtäglich, dass Amazons eigene Prozesse nicht weniger komplex sind. Bräunigers Worte klingen oft gut, die Praxis aus dem Seller Central ist aber eine andere. Für Händler bedeutet das: Genau hinschauen, kritisch bleiben und die Chancen nutzen, wo Amazon wirklich Mehrwert liefert.

Für Amazon gilt: wenn es weniger kostet geltendes Recht zu brechen als die zu erwartende Strafe, das bricht Amazon geltendes Recht !
Es herrscht ein Klima der Angst unter den Händlern.
Und nun, da Temu und Konsorten mittels noch unlauterer Methoden Amazon den Rang abzulaufen beginnen, fängt Amazon an „zu heulen“.
Leider sind die deutschen Wettbewerbshüter ein zahnloser Tiger ohne Rückgrad.
Ich denke der deutsche Internethandel wird in den nächsten Jahren stark ausgedünnt.