Amazon-Marktplatz: Rückgrat für den Mittelstand oder nur Bühne für den Konzern?

Im aktuellen KMU-Report 2025 nennt Amazon beeindruckende Zahlen: 47.000 kleine und mittlere Unternehmen verkaufen über die Plattform, schaffen rund 170.000 Arbeitsplätze und exportieren Waren im Wert von 5,7 Milliarden Euro. Doch wie sichtbar ist dieses Marktplatz-Ökosystem eigentlich in der öffentlichen Debatte? Und welche Rahmenbedingungen brauchen Händler, um international erfolgreich zu sein?

Darüber habe ich mit Markus Schöberl, Director Seller Services bei Amazon, gesprochen.


Markus Schöberl ist als Director Seller Services mit seinem Team für Verkaufspartner in Deutschland und anderen Ländern verantwortlich.

Markus, wenn man sich den aktuellen Amazon KMU-Report 2025 anschaut: 47.000 aktive kleine und mittlere Unternehmen, rund 170.000 Arbeitsplätze – das sind beeindruckende Zahlen.

👉 Findest du, dass das Marktplatzgeschäft mit all seinen KMU-Partnern in der öffentlichen Wahrnehmung ausreichend präsent ist – oder steht der „Konzern Amazon“ dabei zu sehr im Vordergrund?

Der Mittelstand ist das Rückgrat unserer Wirtschaft. Die rund 47.000 in Deutschland ansässigen KMUs haben allein im letzten Jahr mehr als 750 Millionen Produkte bei Amazon verkauft, mehr als 20.000 von ihnen hatten ihren Sitz in ländlichen oder weniger dicht besiedelten Gebieten. E-Commerce ist eine Branche, die in ganz Deutschland präsent ist. Und die – wie die klassischen Hidden Champions unserer Wirtschaft – extrem erfolgreich im Export ist. 5,7 Mrd. Euro Exportumsatz verzeichneten deutsche KMUs, die bei Amazon verkaufen, im Jahr 2024. Ich finde, das ist ein Wort.

Amazon besteht heute aus zwei starken Geschäftsbereichen: Eigenhandel und Marktplatz.

👉 Fühlt sich das für dich nach einem ausgewogenen Verhältnis an – oder müsste die Bedeutung der Marketplace-Seller stärker betont werden, auch politisch?

Amazon hat eine ganze Reihe von Geschäftsfeldern. Was das Handels- und Marketplace-Geschäft angeht, ist Amazon erfolgreich, wenn unsere Verkaufspartner erfolgreich sind – sie machen mittlerweile 60 % der verkauften Produkte aus.

Amazon steht dafür, niedrige Preise, schnellen und kostenlosen Versand sowie eine breite Produktpalette anzubieten, was ein wichtiger Grund ist, warum Kunden für ihre Einkäufe immer wieder in unseren Store zurückkehren. Unabhängige Verkaufspartner, die diese Kundenorientierung teilen, bauen auf Amazon erfolgreiche Unternehmen auf, und wir freuen uns über ihren Erfolg.

Was diese Unternehmen am dringendsten benötigen, ist weniger Bürokratie und höhere Planungssicherheit. Über die Hälfte (60 %) der befragten KMUs berichten, dass regulatorische Hemmnisse ihre Wettbewerbsfähigkeit schwächen.

Gerade bei neuen Gesetzen auf EU-Ebene, wie z. B. beim Widerrufsbutton oder der Produktsicherheitsverordnung, fühlen sich viele Händler überfordert oder übergangen.

👉 Was würdest du dir konkret von der EU-Politik wünschen – mit Blick auf faire Rahmenbedingungen für eure Seller?

Ich habe erst in einem Beitrag für den Tagesspiegel beschrieben, wie die Politik dazu beitragen kann, den europäischen Mittelstand weiter zu stärken. Denn digitaler Wandel und ein einheitlicher EU-Binnenmarkt sind Schlüsselfaktoren für den Erfolg deutscher KMUs:

  1. National und europaweit sollte die Geschäftstätigkeit von KMUs nicht unnötig durch fragmentierte Vorschriften erschwert werden. Hier würde zum Beispiel eine einheitliche Umsatzsteuer-ID helfen.
  2. Der digitale Produktpass sollte so gestaltet werden, dass er die Arbeit von Unternehmen erleichtert. Die digitale Etikettierung sollte als vollwertiger Ersatz zur physischen Etikettierung anerkannt werden.
  3. Die Harmonisierung der Nachhaltigkeitsgesetzgebung in den Mitgliedstaaten: Diese könnte dazu beitragen, die Kreislaufwirtschaft zu stärken und gleichzeitig administrative Lasten für KMUs zu reduzieren.
  4. Wir brauchen die Voraussetzungen für einen einfachen, schnellen, zuverlässigen und kostengünstigen grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr – sowohl für Euro- als auch für Nicht-Euro-Zahlungen.

Ihr bietet Händlern jede Menge Unterstützung – von Onboarding-Hilfen über Logistiklösungen bis zu Schulungen und Export-Programmen.

👉 Wie gut werden diese Angebote deiner Meinung nach genutzt – und wo siehst du noch Luft nach oben?

Ob ein Unternehmen unsere Angebote nutzt oder nicht, muss es selbst entscheiden. Wozu ich aber nur raten kann: Schaut Euch die Möglichkeiten an und vergleicht, lest Euch ein, vernetzt Euch und tauscht Euch aus! Wortfilter und die Angebote drumherum – Stichwort Facebook-Gruppe und Facebook Live – sind dafür ja gute Beispiele.

Besondere Chancen sehe ich immer, wenn wir etwas Neues starten. Sei es ein Marketplace in einem neuen Land oder neue Tools, wie kürzlich den Verkaufschancen-Explorer, den europäischen Wachstumsbeschleuniger oder unsere KI-Angebote. Wer schnell dabei ist, sammelt schnell Erfahrung und generiert schon Umsatz, während andere noch schlafen.

Laut Report exportieren mehr als 80 % der deutschen KMUs auf Amazon ihre Produkte – das ist ein starker Wert.

👉 Was bedeutet für dich Internationalisierung für den Marktplatz – und welche Unterstützung ist dafür besonders wichtig?

Gerade der EU-Binnenmarkt bietet enormes Potenzial. Unsere Studie mit dem BVMW belegt das: 95 % der exportorientierten deutschen Mittelständler profitieren vom Binnenmarkt. Aber fast genauso viele (87 %) sagen auch: Sie könnten deutlich mehr exportieren, wenn die Regeln einheitlich umgesetzt würden. Gerade für kleinere Unternehmen ist die regulatorische Komplexität eine massive Hürde.

Ein wiederkehrender Kritikpunkt ist der Kontakt zum Seller Support – vor allem bei komplexeren Problemen.

👉 Was tut Amazon konkret, um die Kommunikation mit den Händlern zu verbessern? Und wie fließt ihr Feedback bei euch ein?

Verkaufspartner sind für uns Kunden. Entsprechend ist unser Ziel, dass unsere Verkaufspartner zufrieden sind. Die Zahlen insgesamt zeigen auch, dass dies der Fall ist.

Gleichzeitig – das ist ja auch eine der beeindruckenden Zahlen aus dem Report – verkauften KMUs aus Deutschland im Jahr mehr als 750 Millionen Produkte, also rund 1.400 pro Minute. Natürlich hakt es da im Einzelfall auch mal.

Um Probleme zu vermeiden, ist es grundsätzlich wichtig, die Möglichkeiten zu nutzen, die wir bieten. Besonders hervorheben möchte ich hier das Dashboard „Verkäuferleistung“ im Seller Central. Hier sieht man auf einen Blick fast alle Themen, die unter Umständen zu Problemen führen können, wenn sie unadressiert bleiben – inkl. der meisten regulatorischen Themen. Direkt von dieser Seite kann man auch Hilfe anfordern über den Rückruf-Button.

Einen Hinweis möchte ich dazu noch geben, für alle, denen das noch nicht klar ist: Für eher operative Themen – z. B. Problemen mit einer Sendung an unser Logistikzentrum – ist der reguläre Verkäufer-Support die richtige Anlaufstelle. Für alle Themen, die mit Richtlinien, Performance oder regulatorischen Anforderungen zu tun haben, am besten über die Verkäuferleistungsseite gehen und dort direkt adressieren. Das ist bewusst getrennt.

Mit Programmen wie FBA und Supply Chain by Amazon gebt ihr Händlern Zugang zu globaler Logistik.

👉 Wann würdest du einem kleinen Händler empfehlen, den Schritt in diese Infrastruktur zu gehen – und was sollte er vorher wissen?

Der Kern vieler unserer Angebote ist, dass wir KMUs viele Möglichkeiten bieten wollen.

Sprich: Wer auf einfache Weise ein herausragendes Servicelevel realisieren will, der nutzt am besten unsere Services.

Gleichzeitig hat man mit diesen Services natürlich keinen USP. Die Schokoladenmanufaktur Bengelmann aus unserem KMU-Report nutzt daher im Sommer kein FBA, sondern besonders gekühlten Eigenversand – denn so einen Eigenversand bilden wir in FBA nicht ab.

Eine einfache Faustregel ist: Überlege dir, was dein USP ist und arbeite daran! Für alles andere sind standardisierte Services eine gute Wahl. Übrigens nicht nur die von uns – wir bieten auf sell.amazon.de ein Service Provider Network an, in dem Verkäufer Anbieter finden, die wir empfehlen.

Zum Schluss etwas Persönliches: Du verantwortest bei Amazon den Seller Services Bereich für mehrere europäische Länder.

👉 Was motiviert dich nach so vielen Jahren immer noch an dieser Aufgabe – und wo siehst du den Marktplatz in fünf Jahren?

Ich habe ein großartiges Team und ich finde unsere Rolle extrem spannend: Wir kümmern uns – wenn man so will – darum, dass auf dem Spielfeld optimale Bedingungen herrschen. Grüner Rasen, keine Löcher, gut erkennbare Linien. Darauf spielen tun dann die Verkaufspartner.

Am Amazon mag ich die Geschwindigkeit, mit der Ideen umgesetzt werden können und werden.

Was mich an meinem Job dabei am meisten motiviert, ist die Zusammenarbeit mit den Unternehmerinnen und Unternehmern: Wenn mir jemand mit leuchtenden Augen berichtet, wie er oder sie bei uns gestartet ist und nach kurzer Zeit im E-Mail-Postfach Bestellung nach Bestellung eingeht – dann habe ich das Gefühl, dass mein Team und ich Erfolge ermöglichen. Und das ist ein großartiges Erlebnis.


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