📑 Inhaltsverzeichnis

Stand: September 2025
  1. Der Fall: Falschaussage eines Betriebsratsmitglieds
  2. Die Entscheidung des LAG Hamm
  3. Einordnung fur Arbeitgeber
  4. Betriebsrat: Ab wann kann er gegrundet werden?
  5. Warum das Urteil wichtig ist
  6. Fazit

Wenn Betriebsratsmitglieder vor Gericht lügen: Darf man kündigen?

LAG Hamm, Beschluss vom 08.04.2025, Az. 7 TaBV 50/24. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat entschieden, dass ein Arbeitgeber einem Betriebsratsmitglied fristlos kündigen darf, wenn dieses vor Gericht eine uneidliche Falschaussage macht.


Der Fall: Falschaussage eines Betriebsratsmitglieds

Eine langjährige Mitarbeiterin war zugleich Teil eines 11-köpfigen Betriebsrats. Im Jahr 2022 trat sie in einem arbeitsrechtlichen Verfahren als Zeugin auf. Sie schilderte ein Gespräch zwischen einer Kollegin und einem Vorgesetzten – allerdings so, dass sie nachweislich gar nicht dabei gewesen sein konnte.

Der Arbeitgeber wertete dies als uneidliche Falschaussage und damit als massiven Vertrauensbruch. Er wollte die Mitarbeiterin außerordentlich kündigen.

Doch hier gibt es ein Problem: Mitglieder des Betriebsrats genießen besonderen Kündigungsschutz. Nach § 103 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) darf ein Betriebsratsmitglied nur mit Zustimmung des Betriebsrats gekündigt werden. Diese Zustimmung verweigerte der Betriebsrat.

Der Arbeitgeber zog vor Gericht, um die Zustimmung ersetzen zu lassen.


Die Entscheidung des LAG Hamm

Das Gericht stellte sich nach Anhörung auf die Seite des Arbeitgebers:

  • Eine uneidliche Falschaussage ist „an sich“ ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB.
  • Eine Abmahnung ist nicht erforderlich, weil das Vertrauensverhältnis durch eine vorsätzliche Lüge vor Gericht irreparabel zerstört ist.
  • Auch langjährige Betriebszugehörigkeit und der besondere Kündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern (§ 15 KSchG, § 103 BetrVG) ändern daran nichts.

Fazit des Gerichts: Das Schutzsystem für Betriebsräte darf nicht dazu führen, dass schwerste Pflichtverletzungen folgenlos bleiben.


Einordnung für Arbeitgeber

Gerade im Handel und in E-Commerce-Betrieben kommt es immer wieder zu Spannungen zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten. Der Fall zeigt:

  • Betriebsratsmitglieder sind nicht unkündbar.
  • Der besondere Schutz nach BetrVG und KSchG gilt zwar, aber er endet dort, wo massive Pflichtverletzungen das Vertrauensverhältnis zerstören.
  • Wer vor Gericht lügt, begeht nicht nur eine Pflichtverletzung, sondern auch eine Straftat (§ 153 StGB – Falschaussage, § 154 StGB – Meineid).

Für Unternehmer heißt das: Auch wenn Kündigungen von Betriebsräten in der Praxis kompliziert sind, gibt es Grenzen des Schutzes.


Betriebsrat: Ab wann kann er gegründet werden?

Damit Händler und Unternehmer das Thema richtig einordnen können, ein kurzer Überblick:

  • Ab 5 ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern in einem Betrieb kann ein Betriebsrat gegründet werden.
  • Wahlberechtigt sind alle Mitarbeiter über 16 Jahre.
  • Wählbar sind Mitarbeiter, die mindestens 6 Monate im Betrieb beschäftigt sind.
  • Ab 5 bis 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern besteht der Betriebsrat aus 1 Mitglied. Ab 21 steigt die Zahl der Betriebsratsmitglieder.
  • Die Wahl wird von einem Wahlvorstand eingeleitet, den entweder die Belegschaft oder – wenn es schon einen gibt – der Betriebsrat bestimmt.

In größeren Handelsunternehmen (z. B. mit Logistikzentren, Call-Centern oder großen Büros) ist ein Betriebsrat fast Standard. Auch im Onlinehandel wächst die Zahl solcher Gremien, gerade wenn Belegschaften größer und internationaler werden.


Warum das Urteil wichtig ist

Dieses Urteil ist ein deutliches Signal an beide Seiten:

  • Betriebsräte: Der besondere Schutz darf nicht als Freibrief verstanden werden. Wer schwer gegen Pflichten verstößt, kann seinen Job verlieren.
  • Arbeitgeber: Es gibt rechtliche Möglichkeiten, selbst bei geschützten Mitarbeitern konsequent durchzugreifen – wenn Beweise und Pflichtverletzungen klar sind.

Fazit

Der Fall zeigt: Vertrauen ist die Grundlage jedes Arbeitsverhältnisses – auch für Betriebsratsmitglieder. Wer dieses Vertrauen durch eine vorsätzliche Lüge vor Gericht zerstört, muss mit der fristlosen Kündigung rechnen.

Für Unternehmer und Onlinehändler ist das Urteil wichtig, weil es zeigt, wo die Grenzen des Betriebsrats-Schutzes liegen. Gleichzeitig ist klar: Mitbestimmung und Betriebsräte sind Teil der Unternehmensrealität, sobald die Belegschaft eine bestimmte Größe erreicht.


FAQ: Betriebsrat und Kuendigung

Stand: September 2025
Ab wann kann ein Betriebsrat gegruendet werden?

Ein Betriebsrat kann ab 5 ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern im Betrieb gegruendet werden. Wahlberechtigt sind alle Mitarbeiter ab 16 Jahren, wählbar sind Mitarbeiter mit mindestens 6 Monaten Betriebszugehoerigkeit.

Wie laeuft eine Betriebsratswahl ab?

Die Wahl wird von einem Wahlvorstand eingeleitet. Dieser wird entweder von der Belegschaft gewaehlt oder, falls schon vorhanden, durch den bestehenden Betriebsrat bestimmt. Danach erfolgt die geheime Wahl nach den Vorgaben des BetrVG.

Genießen Betriebsratsmitglieder besonderen Kuendigungsschutz?

Ja. Nach § 15 KSchG und § 103 BetrVG koennen Betriebsratsmitglieder nur gekuendigt werden, wenn der Betriebsrat zustimmt oder ein Gericht die Zustimmung ersetzt.

Darf man Betriebsratsmitglieder fristlos kuendigen?

Ja, aber nur bei schwersten Pflichtverletzungen. Ein Beispiel: eine vorsätzliche Falschaussage vor Gericht, wie im Fall des LAG Hamm (Az. 7 TaBV 50/24). Hier kann das Gericht die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats ersetzen.

Muss vorher eine Abmahnung ausgesprochen werden?

Bei massiven Pflichtverletzungen wie einer uneidlichen Falschaussage ist keine Abmahnung erforderlich. Das Vertrauensverhältnis gilt als unheilbar zerstört.

Was bedeutet das Urteil fuer Arbeitgeber?

Arbeitgeber muessen Pflichtverletzungen auch bei Betriebsratsmitgliedern nicht hinnehmen. Das Urteil zeigt, dass Kuendigungsschutz Grenzen hat – und dass konsequentes Handeln bei schweren Vertrauensbruechen moeglich ist.

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