Bühne frei für den Gerichtsvollzieher – wenn die Zwangsvollstreckung zum Event wird
Manche Dinge im Leben haben eine gewisse Dramaturgie. Eine Oper, ein Tatort, oder: ein Haftbefehl auf offener Bühne. Willkommen in der Welt der Zwangsvollstreckung – trockenes Juristendeutsch trifft auf feinste Reality-Show-Momente. Und manchmal sogar außerhalb der Geschäftszeiten.
Denn sind wir ehrlich: Wer im E-Commerce oder Dienstleistungsbereich tätig ist, kennt das Spiel. Der Mahnbescheid wurde erlassen, niemand reagiert. Der Vollstreckungsbescheid kam per Post, vielleicht hat ihn sogar der Hund gefressen – jedenfalls, der Schuldner bleibt stumm wie ein Fisch. Und wenn der Gerichtsvollzieher dann endlich mal vorbeischaut, ist niemand daheim. Überraschung!
Was also tun, wenn selbst bei der zehnten Zustellung niemand die Tür aufmacht oder der Schuldner angeblich gerade auf spiritueller Weltreise ist – ohne Handyempfang, versteht sich?
Haftbefehl – der große Auftritt
Für genau solche Fälle gibt’s den Haftbefehl zur Erzwingung der Vermögensauskunft. Nein, nicht zu verwechseln mit dem Rapper oder einem echten Haftbefehl wegen Verbrechen. Hier geht es darum, den Schuldner zu motivieren, endlich sein Konto- und Besitzstand-Outing zu liefern – notfalls im kleinen Kämmerlein mit zwei Beamten, ein bisschen Druck und ganz viel Papierkram.
Und nun kommt der wirklich interessante Teil: Man kann mitreden, wo dieser Haftbefehl vollstreckt wird.
Klingt fast zu schön, oder? In unserem Fall wurde die Schuldnerin auf einer Veranstaltung gesichtet. Auf der Bühne, mit großem Tamtam – und offenbar in dem festen Glauben, dass sie in Deutschland nicht mehr greifbar sei.
Tja. Falsch gedacht.
Ein Haftbefehl in der Zwangsvollstreckung hat nichts mit einem strafrechtlichen Haftbefehl zu tun. Er dient ausschließlich dazu, den Schuldner zur Abgabe der Vermögensauskunft zu zwingen. Gibt der Schuldner diese Auskunft nicht freiwillig ab – etwa weil er nicht anzutreffen ist oder sich weigert –, kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers einen sogenannten Erzwingungshaftbefehl erlassen. Dieser erlaubt dem Gerichtsvollzieher, den Schuldner notfalls festzunehmen und so lange in Haft zu nehmen, bis er seiner Pflicht nachkommt – maximal aber sechs Monate. Es geht also nicht um Bestrafung, sondern um Druckmittel zur Durchsetzung der Offenlegung seiner finanziellen Verhältnisse.
Wochenendbeschluss – wenn der Richter auch mal samstags ranmuss
Da solche Events meist außerhalb der „Ich bin dann mal im Büro“-Zeiten stattfinden, braucht’s einen sogenannten Wochenendbeschluss. Der wird beim zuständigen Amtsgericht beantragt – samt Begründung, warum genau zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort die Schuldnerin das erste Mal seit Monaten wieder auftaucht.
In unserem Fall: Ausländische Staatsangehörige, seit Monaten ins europäische Ausland verzogen, in Deutschland nicht gemeldet. Da blieb nur dieses Event. Der Richter prüfte, der Beschluss kam – und voilà: Samstagabend-Show mit Nebenprogramm.
Zwei Gerichtsvollzieher, keine Vorwarnung. Die Dame wurde dezent aus der Menge gebeten. Keine Handschellen, aber ein sehr bestimmter Ton. Und dann? Vermögensauskunft – still, sachlich, unumgänglich.
Sie erklärte übrigens, sie wolle zahlen, könne nur gerade im Moment nicht. (Die Formulierung werden wir uns merken. Für immer.)
Die sogenannte Taschenpfändung ist eine besonders unmittelbare Form der Sachpfändung durch den Gerichtsvollzieher. Dabei wird der Schuldner an Ort und Stelle – meist bei einem überraschenden Zusammentreffen – aufgefordert, alles herauszugeben, was er bei sich trägt: Bargeld, Schmuck, hochwertige Elektronik, sogar Luxus-Sonnenbrillen oder teure Uhren können darunterfallen.
Rechtlich gesehen ist das eine normale Pfändung beweglicher Sachen – nur eben direkt „aus der Tasche“ bzw. „vom Körper weg“. Voraussetzung: Der Gerichtsvollzieher hat einen vollstreckbaren Titel und trifft den Schuldner persönlich an.
Die Maßnahme wirkt nicht nur finanziell, sondern auch psychologisch maximal unangenehm – und genau das macht sie in vielen Fällen so wirksam.
Psychologischer Druck wirkt Wunder
Was bleibt? Ein feines Gefühl von Gerechtigkeit. Denn auch wenn jemand partout nicht zahlen will, kann man als Gläubiger den Spieß umdrehen: maximaler psychologischer Druck. Und der funktioniert!
Nach der Aktion war von der Schuldnerin online nichts mehr zu hören. Keine Live-Story vom Event, keine Selfies von der Bühne. Der Social-Media-Kanal? Funkstille.
Und das Beste: So ein Wochenendbeschluss ist drei Monate gültig. Das heißt: Kommt sie nochmal, machen wir nochmal. Bonus: Vielleicht klappt’s dann ja auch mit der Taschenpfändung – das ist dann die Kirsche auf dem Gläubiger-Sahnehäubchen.
Fazit: Zwangsvollstreckung mit Stil – und einer Prise Show
Wer nicht hören will, muss fühlen – oder sich eben auf öffentlichen Veranstaltungen von Gerichtsvollziehern aus dem Rampenlicht führen lassen. So oder so: Gläubiger können mehr tun, als nur hoffen. Wer vorbereitet ist, kreativ denkt und gute Anwälte hat, kann auch am Wochenende Vollstreckung feiern.
In diesem Sinne: Bühne frei – für die nächste Vollstreckung.
Fazit: Ohne euer Engagement läuft nix – wirklich nix
Klar, euer Anwalt kann viel. Er kann Anträge schreiben, Briefe formulieren, Fristen einhalten. Aber solche Aktionen wie eine Vollstreckung auf einer Veranstaltung – mit Haftbefehl, Wochenendbeschluss und Bühne – wird er ohne euren Einsatz kaum auf die Beine stellen.
Warum? Weil’s schnell gehen muss. Weil jemand vor Ort wissen muss: Da ist sie! Und weil Gerichte nicht gerade für Hochgeschwindigkeit bekannt sind. Ohne euch, ohne euren persönlichen Einsatz, ohne eure Recherche, euer „Dranbleiben“, wäre das Ganze im Sande verlaufen.
Und genau das ist die Quintessenz: Wenn ihr wirklich wollt, dass eine Zwangsvollstreckung nicht nur ein Verwaltungsakt mit Durchschlag bleibt, sondern ein wirksames Mittel zur Forderungsdurchsetzung wird – dann müsst ihr mitziehen.
Beschafft Informationen, stalkt Social Media (natürlich nur im rechtlich unbedenklichen Rahmen 😉), redet mit Bekannten, googelt Veranstaltungen, bei denen der Schuldner auftauchen könnte. Je mehr ihr wisst, desto genauer könnt ihr treffen.
Denn wer trifft, trifft ins Portemonnaie. Und genau da gehört es auch hin.
Einsatz zeigt Wirkung – was wir konkret getan haben
Damit das alles so reibungslos (nun ja, fast) über die Bühne ging, war allerdings einiges an Eigeninitiative nötig – und zwar jenseits von “Ich hab meinen Anwalt informiert”.
Zunächst haben wir selbst die zuständige Gerichtsvollzieherin identifiziert – ein kleiner Akt der digitalen Detektivarbeit – und vorab telefonisch mit ihr gesprochen. Dann hat unser Anwalt sie mit allen nötigen Unterlagen kontaktiert. Die Rückmeldung: Sie bräuchte einen Wochenendbeschluss.
Also wurde dieser durch unseren Anwalt beim Gericht beantragt. Aber das Gericht – wie soll’s anders sein – verlangte erstmal eine Bestätigung: Der ursprüngliche Gerichtsvollzieher müsse bescheinigen, dass die Schuldnerin an ihrer deutschen Adresse nicht anzutreffen war.
Was haben wir gemacht? Morgens um 07:20 Uhr die Diensthandynummer des Gerichtsvollziehers gewählt, tief durchgeatmet und höflich gebettelt. Mit Erfolg! Zehn vor acht hatten wir das benötigte Schreiben. Freundlichkeit siegt eben manchmal doch – besonders im Vollstreckungsrecht.
Das Dokument ging direkt ans Gericht, doch der Richter wollte mehr: eine Glaubhaftmachung, dass die Schuldnerin sich nicht mehr in Deutschland aufhält. Also: Social-Media-Profile durchforstet. Und siehe da: Sie selbst postet, wo sie herkommt – und wo sie jetzt lebt. Jackpot.
Zusätzlich haben wir einen befreundeten Händler gebeten, sie über WhatsApp zu kontaktieren. In einem Chat bestätigte sie tatsächlich, dass sie ausgewandert sei. Das Gespräch wurde dokumentiert – und mit all diesen Informationen konnten wir dann den Richter überzeugen.
Wenige Stunden später lag der Wochenendbeschluss vor. Dieser wurde an die Gerichtsvollzieherin übermittelt, ein Treffpunkt vereinbart – denn bei der Abgabe der Vermögensauskunft darf ein Gläubiger anwesend sein. Also haben wir sie gemeinsam auf der Veranstaltung identifiziert – und der Rest ist, wie man so schön sagt, Vollstreckungsgeschichte.