Wortfilter.de erklärt die Gesetzesänderung, fasst die Kritik zusammen und bewertet sie aus Händlersicht.


§356a BGB: Was soll kommen?

Mit der Umsetzung von Art. 11a der EU-Verbraucherrechterichtlinie (VR-RL) plant das Bundesjustizministerium eine Änderung des BGB: Künftig sollen Verbraucher Fernabsatzverträge über eine Widerrufsfunktion widerrufen können. Die Regelung lehnt sich stark an den bekannten “Kündigungsbutton” an.

Der neue §356a BGB sieht vor:

  • Eine hervorgehobene Schaltfläche mit der Beschriftung “Vertrag widerrufen” oder ähnlich muss auf der Website ständig verfügbar und leicht zugänglich sein.
  • Über diese Schaltfläche müssen Verbraucher eine Widerrufserklärung abgeben können.
  • Es dürfen folgende Daten abgefragt werden:
    • Name des Verbrauchers
    • Informationen zur Identifikation des Vertrags
    • Kommunikationsmittel für die Eingangsbestätigung
  • Die Eingabe muss mit einer “Widerruf bestätigen”-Funktion abgeschlossen werden.
  • Im Anschluss muss der Unternehmer unverzüglich eine Eingangsbestätigung versenden.

Grundsätzliche Zusammenfassung der Änderung

Zukünftig wird in Deutschland eine gesetzlich verpflichtende, optisch hervorgehobene Widerrufsschaltfläche für alle Online-Fernabsatzverträge eingeführt. Sie soll es Verbrauchern erleichtern, Verträge schnell und nachvollziehbar zu widerrufen. Die Regelung betrifft Onlineshops wie Plattformanbieter gleichermaßen. Die Umsetzung erfolgt auf Grundlage europarechtlicher Vorgaben.


§ 356a Elektronische Widerrufsfunktion bei Fernabsatzverträgen

(1) Bei Fernabsatzverträgen, die über eine Online-Benutzeroberfläche geschlossen werden, hat der Unternehmer sicherzustellen, dass der Verbraucher auf der Online-Benutzeroberfläche durch das Nutzen einer Widerrufsfunktion eine Widerrufserklärung abgeben kann. Die Widerrufsfunktion muss gut lesbar mit „Vertrag widerrufen“ oder einer anderen gleichbedeutenden eindeutigen Formulierung beschriftet sein. Sie muss während des Laufs der Widerrufsfrist auf der Online-Benutzeroberfläche ständig verfügbar, hervorgehoben platziert und für den Verbraucher leicht zugänglich sein.

(2) Die Widerrufsfunktion muss dem Verbraucher ermöglichen, eine Widerrufserklärung an den Unternehmer zu übermitteln und dem Unternehmer in oder mit der Widerrufserklärung ohne Weiteres folgende Informationen bereitzustellen oder zu bestätigen:

  1. den Namen des Verbrauchers,
  2. Angaben zur Identifizierung des Vertrags, den der Verbraucher widerrufen möchte,
  3. Angaben zum elektronischen Kommunikationsmittel, mit welchem dem Verbraucher eine Eingangsbestätigung für den Widerruf übermittelt werden soll.

(3) Sobald der Verbraucher die Informationen nach Absatz 2 bereitgestellt oder bestätigt hat, hat der Unternehmer dem Verbraucher zu ermöglichen, seine Widerrufserklärung und die Informationen dem Unternehmer mittels einer Bestätigungsfunktion zu übermitteln. Diese Bestätigungsfunktion muss gut lesbar und mit „Widerruf bestätigen“ oder einer anderen gleichbedeutenden eindeutigen Formulierung beschriftet sein.

(4) Der Unternehmer hat dem Verbraucher, wenn dieser die Bestätigungsfunktion aktiviert hat, auf einem dauerhaften Datenträger unverzüglich eine Eingangsbestätigung zu übermitteln, die zumindest den Inhalt der Widerrufserklärung sowie das Datum und die Uhrzeit ihres Eingangs enthält.

(5) Die Widerrufserklärung des Verbrauchers gilt als dem Unternehmer innerhalb der Widerrufsfrist zugegangen, wenn er die Widerrufserklärung nach Absatz 3 vor Ablauf dieser Frist über die Widerrufsfunktion versandt hat.


Weitere Kritikpunkte aus der Händlerschaft

Auch in der Breite des Onlinehandels gibt es starke Bedenken gegen die Einführung des Widerrufbuttons. Drei zentrale Kritikpunkte lassen sich aus den Rückmeldungen zusammenfassen:

  1. Datenschutz und Gastbestellungen: Viele Händler sehen keinen Weg, die gesetzlich geforderte Widerrufsfunktion umzusetzen, ohne dabei gegen die DSGVO zu verstoßen. Besonders bei Gastbestellungen sei eine sichere und datensparsame Authentifizierung kaum machbar. Automatische Identifikation ohne Login sei technisch wie rechtlich kaum zu lösen, so die Befürchtung.
  2. Technischer und organisatorischer Aufwand: Die Einführung des Buttons wird von vielen als unnötige Zusatzlast empfunden. Kleine Händler sehen sich bereits jetzt durch GPSR, Barrierefreiheitspflichten und andere EU-Regulierungen überfordert. Zusätzliche Umsetzungen würden Zeit, Geld und Personal binden, ohne greifbaren Mehrwert zu erzeugen.
  3. Kritik an einseitiger Verbraucherfokussierung: Viele Kommentierende bemängeln, dass sich das Recht zunehmend auf Seiten der Verbraucherschaft verschiebt. Die geplante Regelung könnte anfällig für Missbrauch sein und den Händlern zusätzliche Risiken aufbürden.

Die Kritik des Handelsverbands Deutschland (HDE) & bevh e.V.

Der HDE sieht die Regelung kritisch und fordert Nachbesserungen. Die wichtigsten Argumente aus der Stellungnahme:

  • Bereits vorhandene Funktionalität: Der Widerruf sei heute schon einfach möglich – durch Formulare, E-Mail, Rücksendeportale.
  • Teilwiderrufe (z. B. ein Artikel aus einer Bestellung) seien im Gesetz nicht ausreichend berücksichtigt.
  • Gastbestellungen seien schwer umzusetzen, da die Verifizierung komplexer ist.
  • Die Gesetzesbegründung und der Wortlaut des §356a BGB weichen voneinander ab, was zu Rechtsunsicherheit führe.
  • Die Position: Eine technische Umsetzung sei für viele kleinere Shops kostenintensiv und bürokratisch.
  • Auch Hyperlinks oder QR-Codes zur Widerrufsseite seien nicht explizit im Gesetzestext erlaubt, obwohl die EU-Richtlinie das vorsieht.

Stellungnahmen anderer Verbände waren nicht auffindbar.


Amazon Prime Day 2025 Händler Umfrage
Macht mit um aussagekräftiges Datenmaterial zu erhalten!

Wie läuft bei euch der Prime Day 2025?

Auswahl löschen

Wortfilter.de ordnet ein

Die Einführung einer einheitlichen Button-Lösung für den Widerruf ist grundsätzlich sinnvoll. Sie schafft Transparenz, verhindert Irritationen und reduziert langfristig auch für Händler den Aufwand, da sich standardisierte, skalierbare Prozesse etablieren lassen. Die Kritik an einem “Teilwiderruf” ist nicht nachvollziehbar: Plattformen wie Amazon oder individuelle Shopsysteme bieten bereits heute mühelos die Auswahl einzelner Artikel einer Bestellung an.

Auch das Argument der “Gastbestellung” überzeugt nicht: Eine einfache Kombination aus Auftragsnummer und Postleitzahl (analog zu Paket-Tracking bei DHL) reicht aus, um eine sichere Identifikation zu ermöglichen. Technische Barrieren sind überwindbar – und in vielen Fällen längst gelöst.

Die Regelung ist im Kern eine Modernisierung und Vereinfachung des Widerrufsrechts, wie es Amazon, Zalando und Co. bereits erfolgreich vormachen. Dass kleinere Shops eine Umsetzung nicht binnen Tagen schaffen, ist klar – aber der Gesetzgeber sollte hier mit klaren, praxistauglichen Formulierungen und einem realistischen Umsetzungszeitplan helfen, nicht aufhalten.

Eine offene Einbindung von KMU-Händlern und praxisnahen Beratungslösungen ist aus Wortfilter.de Sicht unerlässlich.


Fazit

Die Einführung eines Widerruf-Buttons ist keine bürokratische Schikane, sondern ein einheitlicher, digitaler Standard mit Mehrwert für Verbraucher und Händler. Er macht das Widerrufsrecht greifbarer, transparenter und vor allem effizienter in der Abwicklung. Wichtig ist aber: Die Regelungen müssen klar, eindeutig und technisch offen sein. Dann ist der neue Button ein Gewinn für alle Seiten – und eine weitere Professionalisierung des deutschen E-Commerce-Markts.


Wortfilter Facebook Community Gruppe
Komm in die Wortfilter Community auf Facebook und diskutiere mit

➡️Melde dich zum wöchentlichen Newsletter an!⬅️