Eines vorweg: Nachdem der Fake von intershop.de am Wochenende auf redit entdeckt worden ist, wurde der Code abgeschaltet. Die Fakeversionen der Produktdetailseiten lassen sich jedoch noch über den Google-Cache aufrufen. Und das ist passiert: Verbraucher, die sich Produkte auf dem Onlineauftritt der Verbundgruppe intersport.de anschauen bekamen, live Zuschauerzahlen angezeigt, wie ›29 Besucher sehen sich das gerade an‹. Nur diese Zahl ist gefaked. Sie wird per Zufallsgenerator ermittelt, wie der Code zeigt.
Da hätte besser gecodet (geschummelt) werden können?
Dieser ist in dieser Version noch über den Google-Cache aufrufbar. Per Zufallsgenerator werden hier die Zuschauerzahlen zwischen fünf und dreißig ermittelt (s. Screenshot oben).
So kommt es dann auch vor, dass bei zeitgleichem Aufruf einer Artikelseite stark abweichende Besucher angezeigt werden. Die Besucherzahlen haben also NICHTS mit den tatsächlichen Seitenbesuchern zu tun. Sie sind erstunken und erlogen.
Welcher Effekt wird bei den Verbrauchern angesprochen?
Den geneigten Intersport-Kunden soll angezeigt werden, dass gerade dieses Produkt sehr beliebt ist und von weiteren Nutzern gerade nachgefragt wird. Hierdurch soll der Kunde einen zusätzlichen Kaufimpuls erhalten. Nach dem Motto: »Wenn das andere gut finden, dann wird der Artikel auch gut sein«. Für diesen Effekt gibt es einen Namen und er wird oft in der Verkaufspsychologie genutzt. Er nennt sich Mitläufer- oder Bandwagon-Effekt und beschreibt diese Wirkung:
»Der Mitläufereffekt, auch Bandwagon-Effekt genannt, bezeichnet in der Handlungstheorie die Wirkung, die ein wahrgenommener Erfolg auf die Bereitschaft ausübt, sich den voraussichtlich erfolgreichen Handlungsweisen anzuschließen. Zum Beispiel möchten Wähler gerne auf der Gewinnerseite sein, d. h., sie wählen eher die Kandidaten, von denen sie erwarten, dass sie siegreich sein werden«, so der Wikipedia-Eintrag.
Das eine große Verbundgruppe wie Intersport aber zu solchen illegalen Methoden greift, um diesen Effekt zu erreichen, ist ein Skandal. Zumal ja durch dieses unseriöse Auftreten auch die Verbundgruppenpartner ins Zwielicht geraten.
Und wie schaut das rechtlich aus?
Neben dem Verlust der Reputation hat ein solcher Fake auch rechtliche Wirkungen. Es werden Verbraucher in die Irre geführt und es wird unlauterer Wettbewerb praktiziert. Beides sollte eine seriöse Verbundhandelsgruppe nicht machen.
»Wenn Händler bei der Darstellung Ihrer Produkte ein vermeintliches anderweitiges Kundeninteresse darstellen, so kann dies geeignet sein, Kunden zu einer übereilten Kaufentscheidung zu veranlassen. Kunden, denen vorgegaukelt wird, dass das Produkt auch das Interesse vieler anderer Kunden auf sich zieht, lassen möglicherweise Bedenken fallen und unterlassen eine sorgfältige Prüfung oder unternehmen eben nicht einen Preisvergleich mit anderen Händlerangeboten. Ähnlich wie bei zeitlich befristeten Angeboten, wird der Kunde hier einem Entscheidungsdruck ausgesetzt, der in Wahrheit gar nicht besteht. Ein vermeintlicher Zeitdruck wurde vom Gesetzgeber im Anhang Nr. 7 zu § 3 Absatz 3 UWG, der sog. schwarzen Liste, als unzulässige geschäftliche Handlung normiert. Das Verhalten des Händlers dürfte hier zumindest gem. § 5 UWG irreführend sein« so Rechtsanwalt Rene Euskirchen aus Bonn.
Und so stellt Intersport die Situation dar:
»Bei der Funktion in Ihrem Screenshot hat es sich um einen A/B-Test gehandelt, den wir in der letzten Woche durchgeführt haben, um die Effekte dieser Angabe auf das Nutzerverhalten zu überprüfen. Der Test wurde heute Morgen planweise beendet, die Funktion bzw. Angabe ist auf der Webseite nicht mehr sichtbar. Wir entschuldigen uns für die Irritationen, die durch diesen Test eventuell entstanden sind«, so Intersport CDO Carsten Schmitz. Hinweis: Auch ein A/B-Test ist in dieser Form unlauter und irreführend.
Wieder geschummelt?
Eine weitere Recherche auf archive.org hat jedenfalls einen Screenshot aus dem Januar 2021 angezeigt. Insgesamt wurden von dieser Produktdetailseite im Januar sechs Sicherungen von der Waybackmachine gefertigt. Auf allen sechs sind unterschiedliche Besucherangaben zu sehen.
Es darf also angenommen werden, dass auch bei der obigen Stellungnahme von Intersport kräftig geschummelt wurde.
Fazit | Meinung
Es ist schon skandalös, Wettbewerber und Verbraucher unlauter zu behandeln und in die Irre zu führen. Dann aber das ›Lügenkonstrukt‹ bei einer Presseanfrage aufrechtzuerhalten grenzt schon an Wahnsinn oder erheblicher ›unaufrichtiger‹ Energie!
Das erinnert mich sehr stark an die damaligen Flugticketwebseiten. Dort wurde damals auch mit “12 Personen suche gerade nach diesem Flug” geworben, damit künstlicher Druck und ein schnelles Kaufen verursacht werden.
Sehr enttäuschend, solche Geschichten. Dass man von den Marketing-Abteilungen hinters Licht geführt wird, weiss man eigentlich ja. Trotzdem ist das dreist.
Am dümmsten find ich aber die Reaktion der Presseabteilung. Dass denen keine bessere Möglichkeit einfiel, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, zeugt auch nicht grad von deren Kompetenz.
Werner, man sollte dich austauschen, die IT hat damit garnicht’s am Hut oder meinst du das schramelige Entwickler-Team der Website? Und selbst die haben nur im Auftrag gehandelt. Also wenn man hier was tun sollte dann wohl eher im Management!
Unglaublich das heutzutage noch Leute diesen Trick anwenden. Die sollten unbedingt ihre IT- und Marketingabteilung austauschen.