Falsche Shirtgröße geliefert – wer haftet, wenn der Textilveredler schon gedruckt hat?
Ein Händler schildert uns ein Problem, das in der Praxis gar nicht so selten vorkommt:
Ein Kunde bestellt bei ihm ein Gebinde von 10 T-Shirts über FBM (Fulfilled by Merchant). Als Lieferadresse gibt der Käufer allerdings einen Textilveredler an, der die Shirts nach Erhalt direkt bedruckt. Später reklamiert der Kunde: Es seien angeblich die falschen Größen geliefert worden. Doch da sind die Shirts längst bedruckt und somit unverkäuflich. Jetzt droht der Kunde sogar mit einem Anwalt.
Die zentrale Frage: Hätte der Kunde nicht vor dem Druck prüfen müssen, ob die Lieferung korrekt ist?
Der Fall im Detail
- Produkt: Handelsware T-Shirts, Gebinde zu 10 Stück.
- Vertrieb: FBM (Versand durch den Händler selbst).
- Lieferadresse: Textilveredler (nicht der Kunde selbst).
- Ablauf: Textilveredler nimmt Ware an, bedruckt die Shirts sofort.
- Reklamation: Kunde behauptet, falsche Größen geliefert bekommen zu haben.
- Problem: Bedruckte Ware ist nicht mehr als Neuware verkäuflich.
- Rechnungsadresse: Branchenverband (also nicht der Textilveredler).
Rechtliche Einordnung
1. Gefahrübergang bei FBM
Bei einem Geschäft mit einem Unternehmer (B2B) geht die Gefahr in der Regel bereits mit Übergabe an den Transporteur auf den Käufer über (§ 447 BGB).
➡️ Bestätigung durch den BGH, Urteil vom 24.09.2014 – VIII ZR 394/12: Sobald der Verkäufer die Ware ordnungsgemäß an den Transporteur übergibt, trägt der Käufer das Transportrisiko.
2. Pflicht zur Prüfung (Rügeobliegenheit)
Sobald die Ware beim Käufer oder dessen Erfüllungsgehilfen (hier: dem Textilveredler) eintrifft, muss der Käufer die Ware unverzüglich auf Mängel prüfen (§ 377 HGB).
➡️ Der BGH, Urteil vom 13.12.2017 – VIII ZR 246/16 stellt klar: Wer die Ware ohne Prüfung weiterverarbeitet, verliert sein Rügerecht.
3. Beweislast
Der Käufer muss beweisen, dass die Ware tatsächlich mangelhaft war. Kann der Verkäufer nachweisen, dass er die bestellten Größen verschickt hat (z. B. durch Lieferschein oder Packbeleg), steht der Käufer schlecht da.
➡️ OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.04.2012 – I-22 U 153/11: Bei behaupteten Falschlieferungen trägt der Käufer die Beweislast, wenn er die Ware ohne vorherige Prüfung verarbeitet hat.
Der entscheidende Fehler des Kunden
Der Kunde hat eine fremde Lieferadresse angegeben (Textilveredler). Dieser gilt rechtlich als sein Erfüllungsgehilfe. Wenn dieser die Ware ohne Prüfung direkt bedruckt, trägt der Käufer das Risiko.
➡️ Passend hierzu das OLG Frankfurt, Urteil vom 18.03.2016 – 24 U 183/15: Ein Käufer, dessen Erfüllungsgehilfe die Ware ohne vorherige Kontrolle verarbeitet, kann später keine Mängelrechte mehr geltend machen.
Damit gilt: Ein Händler ist nicht verpflichtet, nach dem Bedrucken noch für Mängel einzustehen.
Was Händler tun sollten
- Dokumentation sichern
- Lieferschein mit Stückzahlen und Größen.
- Nachweise über ordnungsgemäßen Versand.
- Kommunikation mit dem Kunden.
- Klar kommunizieren
Dem Kunden schriftlich mitteilen, dass er die Ware vor Weiterverarbeitung hätte prüfen müssen.
Zitat: „Die Ware wurde an Ihre angegebene Adresse geliefert. Eine Prüfung vor der Veredelung wäre zwingend notwendig gewesen. Mit dem Bedrucken der Shirts haben Sie Ihr Rügerecht verwirkt.“ - Nicht einschüchtern lassen
Drohungen mit Anwalt sind in solchen Fällen oft leere Worte. Die Rechtsprechung spricht klar gegen den Kunden. - Lehren für die Zukunft
- Bei Lieferungen an Textilveredler Hinweis auf die Prüfpflicht direkt in die Rechnung oder AGB aufnehmen.
- Dokumentation (Fotos der Lieferung, Packzettel) führt im Streitfall zur Beweiserleichterung.
Fazit
Der Kunde hätte die Ware vor dem Bedrucken prüfen müssen. Da er dies unterlassen hat, trägt er auch das Risiko. Für den Händler gilt: keine Ersatzpflicht.
Die Rechtsprechung des BGH und mehrerer OLG ist hier eindeutig:
- Gefahr geht beim Versand über (§ 447 BGB).
- Rügerecht erlischt bei fehlender Wareneingangskontrolle (§ 377 HGB).
- Verarbeiter (hier: Textilveredler) gilt als Erfüllungsgehilfe des Käufers.
👉 Händler können sich in solchen Fällen auf gefestigte Rechtsprechung berufen.
FAQ: Falsche Shirtgröße und Textilveredler
Muss der Händler haften, wenn der Textilveredler die Shirts sofort bedruckt?
Nein. Nach § 377 HGB hätte der Käufer die Ware unverzüglich prüfen müssen. Mit der Veredelung ohne Prüfung verliert er sein Rügerecht.
Was gilt bei FBM (Fulfilled by Merchant) bezüglich der Haftung?
Bei FBM geht die Gefahr bereits mit Übergabe an den Transporteur auf den Käufer über (§ 447 BGB). Der Händler ist somit nicht mehr verantwortlich für Schäden auf dem Transportweg.
Wer gilt als Erfüllungsgehilfe des Käufers?
Der vom Käufer beauftragte Textilveredler gilt rechtlich als sein Erfüllungsgehilfe. Fehler, die dort passieren, fallen in den Verantwortungsbereich des Käufers.
Kann der Käufer trotzdem klagen?
Ja, ein Käufer kann jederzeit klagen. Allerdings stehen die Chancen schlecht, wenn er die Shirts ohne vorherige Prüfung veredelt hat. Mehrere BGH- und OLG-Urteile bestätigen diese Rechtslage.
Wie kann ich mich als Händler absichern?
Dokumentiere jede Lieferung (Fotos, Lieferschein, Packzettel) und vermerke in AGB oder Rechnung den Hinweis auf die Prüfpflicht vor Veredelung. Das erleichtert die Abwehr unberechtigter Forderungen.
