Gestern erschien im Blog Onlinehaendler-News.de ein Interview mit Gernot Kahl von Preisbutler24.de. Mit der Veröffentlichung seiner Meinung sendet Kahl, in meinen Augen, die absolut falschen Signale zum Thema dynamische Preisbildung. Und das will ich so nicht stehen lassen. Preisbutler24 ist ein Amazon-Repricing-Tool.
Dynamic Pricing – eine gute Definition auf Wikipedia
“Dynamic Pricing, auch dynamisches Preismanagement ist eine Preisstrategie bei der Unternehmen die Preise für Produkte oder Dienstleistungen auf Basis des aktuellen Marktbedarfs anpassen. Es handelt sich dabei um ein Modell, welches Preise anhand automatischer Algorithmen berechnet. Dabei werden Faktoren wie die Preisgestaltung der Konkurrenten, Angebot und Nachfrage und andere externe Faktoren miteinbezogen.”
Wer die dynamische Preisbildung und die Tools, also die Repricing-Werkzeuge, richtig versteht, erzielt mehr Erträge und orientiert sich nicht ausschließlich am Wettbewerb. Die Grundlage der dynamischen Preisbildung ist die Spieltheorie. Diese möchte Entscheidungssituationen darstellen, die durch mehrere, sich gegenseitig beeinflussende, Faktoren zustande kommen.
Zusammengefasst ist es der größte Fehler eine dynamische Preisbildung so zu verstehen, dass ihre Aufgabe ausschließlich darin besteht, Wettbewerbspreisen hinterher zu laufen.
Gernot Kahl sieht das wohl anders
Leider scheint sich Gernot Kahl, Gründer von Pricebutler24, nicht ausreichend mit den Möglichkeiten des dynamischen Preismanagements auseinandergesetzt zu haben. Anders kann ich mir diese Äußerung von Gernot nicht erklären: “Entscheidend ist, auf die erste Seite der Amazon-Suchergebnisse zu kommen und im besten Fall das Einkaufswagenfeld zu gewinnen. Dies funktioniert bei Amazon leider in den meisten Fällen nur mit einem Preiskampf. Da der Händler so wenig Marge wie möglich verlieren möchte, ist dieser eine Cent, der den Preisunterschied zum Mitbewerber ausmacht, so “berühmt” geworden.” (Fail: Das Artikel-Ranking in den Suchergebnissen hat nichts, aber auch rein gar nichts mit dem Angebotspreis am Hut.)
Ein Tool, das nur Preise abkupfert, taugt nichts!
Das hört sich jetzt ziemlich gemein an, aber leider ist es so. Es ist einfach, mit der Amazon Notification API, ein Tool zu entwickeln, welches ausschließlich auf Preisänderungen reagiert. Ich denke auch nicht, dass man durch den Einsatz eines solchen Werkzeugs seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Eher sägen sich die Händler damit selbst den Ast unterm A… – Hintern weg.
Und der Schutz vor Preisfehlern?
Dieser existiert faktisch nicht! Auch wenn Gernot der Meinung ist, die Eingabe eines Min/Max-Preises reicht aus, um sich vor existenzgefährdenden Fehlern zu schützen, so ist das unsinnig. Ein guter Preiskalkulator sollte schon eine sogenannte Plausibilitätsprüfung automatisiert anbieten. Das bedeutet, wenn der Wunschpreis gegenüber dem mittleren Preis um X % abweicht, sollte das Programm die Preisänderung ablehnen und dazu eine klare Warnung anzeigen.
Für große Händler ist das Tool völlig ungeeignet
Pricebutler24 bietet keine Massenverarbeitung der Daten an. Wenn Händler also mehr als ein paar 1000 Produkte über den Repricer steuern möchten, müssen Sie die Datei manuell an Preisbutler24 liefern.
Schlecht, Schlechter…
Händler haben grundsätzlich verschiedene Strategien und Ideen, welche sie mit einem dynamischen Preismanagement-Tool umzusetzen versuchen, damit sie ihre Waren erfolgreicher an den Mann bringen. Eine Strategie kann natürlich sein, sich ausschließlich nach dem Wettbewerb zu richten. Eine sehr schlechte Strategie und auf Dauer selten erfolgreich.
Der Preis ist ohne Zweifel ein Hebel, um bei Amazon die BuyBox zu gewinnen. Dazu gehört glücklicherweise weit mehr, als die Konkurrenz mit einem Cent zu unterbieten. Obwohl Gernot ja eigentlich Handelserfahrung haben sollte (?), wundert es mich enorm, dass er noch nie etwas von Seller-Performance oder FBA gehört hat.
Wie gewinnt man denn nun die BuyBox?
Es geht gegen einen Wettbewerber, der auch mal Amazon heißen kann. Entscheidend ist hier ein Wert, der sich aus mehreren Variablen ergibt. Das ausgespuckte Ergebnis bestimmt dann letztlich, mit welchem Preisabstand man gegenüber seinem Wettbewerber die BuyBox gewinnt. Ein Beispiel: Euer Wettbewerber versendet nicht per FBA und hat eine sehr schlechte Seller-Performance. Ihr hingegen versendet per FBA und habt die bestmögliche Performance. In einer solchen Konstellation ist es durchaus möglich, dass ihr die Box sogar mit einem höheren Preis gewinnt. Die Kunst eines Repricers liegt nun darin, den Wert für jeden Wettbewerber exakt zu bestimmen, damit ein Sieg auch möglich ist. Sprich: Repricer sollen den gewinnbringendsten und zugleich angemessensten Preis ermitteln, der auch höher sein darf, als der des Mitstreiters.
Irreführender Preisbutler24
“Bei Amazon funktioniert in den meisten Fällen nur ein Preiskampf.” Wie im obigen Beispiel erläutert, ist diese Aussage von Gernot falsch und für jeden Händler gefährlich, der seinen Ausführungen blind Glauben schenkt.
Da das Interview auf Onlinehändler-News ohne Kommentar und mit einer missverständlichen Einführung beginnt, ist es mir wichtig, auf diesen oberflächlichen Unsinn hinzuweisen, den Gernot von sich gab. Abraten will ich von diesem Tool ohnehin.
Zum Schluss möchte ich noch auf einen weiteren Unfug im Interview hinweisen: “Die reaktive Verhaltensweise von Preisbutler24 hat die Geschwindigkeit der Preisanpassung stark erhöht und somit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Kunden verbessert.” – Ganz ehrlich Gernot, die Benutzung der Notification API sollte standard sein, ebenso die Reaktion, obwohl die API, das ist allseits bekannt, ab und an Aussetzer hat. Verkaufe doch bitte deine Kunden nicht für dumm!