Handelsregister bleibt transparent: Kein Löschungsanspruch für Gesellschafterdaten – OLG München schafft Klarheit

OLG-Beschluss: DSGVO trifft auf Registerrecht – und verliert

Wer im Handelsregister steht, steht da dauerhaft – mit allen Daten, die einmal eingereicht wurden. Das bestätigt jetzt ein bemerkenswerter Beschluss des OLG München (Az. 34 Wx 90/24 e vom 25.04.2024), der für alle GmbH-Gesellschafter und ihre Anwälte von hoher Relevanz ist: Ein Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten aus einer eingereichten Gesellschafterliste besteht nicht, auch wenn diese Daten – wie Straße und Hausnummer – über das gesetzlich geforderte Maß hinausgehen.

Die Entscheidung führt zu einem wichtigen Klartext in einem zunehmend emotional und datenschutzrechtlich aufgeladenen Umfeld: Das Handelsregister ist keine Datenbank mit Verfallsdatum. Es dient dauerhaft der Transparenz und Beweissicherung – auch, wenn das auf Kosten der Privatsphäre geht.


Worum ging es konkret?

Ein Gesellschafter einer GmbH hatte 2012 eine Gesellschafterliste eingereicht, in der seine vollständige Wohnanschrift angegeben war. Nachträglich beantragte er im Jahr 2023 die Löschung von Straße und Hausnummer unter Berufung auf Art. 17 DSGVO („Recht auf Vergessenwerden“). Stattdessen sollte eine neue Gesellschafterliste mit gekürzter Anschrift in den Registerordner aufgenommen und die alte ersetzt werden.

Das Registergericht Ingolstadt lehnte ab. Der Gesellschafter legte Beschwerde ein. Doch auch das OLG München weist die Beschwerde nun zurück – mit einer klaren, rechtssystematisch fundierten Begründung.


Was sagt das Gericht?

Der Kern der Entscheidung lässt sich in drei Punkten zusammenfassen:

1. Keine gesetzliche Pflicht zur vollständigen Adresse – aber trotzdem kein Anspruch auf Löschung

Zwar sieht § 40 GmbHG nur Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort vor. Die Angabe der vollständigen Anschrift war also nicht zwingend erforderlich, wurde aber freiwillig übermittelt – und damit wird sie Bestandteil des Registereintrags. Die nachträgliche Entfernung ist nicht zulässig.

2. Löschung würde das Registerprinzip untergraben

Das Handelsregister erfüllt eine dauerhafte Transparenz- und Beweisfunktion. Eine Löschung einzelner Angaben oder ein Austausch einmal eingereichter Dokumente würde das Prinzip der Registerkontinuität unterlaufen. Die Öffentlichkeit – etwa Gläubiger, Käufer, Anwälte – muss sich darauf verlassen können, wer zu welchem Zeitpunkt als Gesellschafter eingetragen war.

3. DSGVO zieht im Registerwesen nicht – jedenfalls nicht in vollem Umfang

Art. 17 Abs. 1 DSGVO (Recht auf Löschung) findet nach Abs. 3 lit. b DSGVO keine Anwendung, wenn eine Datenverarbeitung zur Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe erforderlich ist – genau das ist hier der Fall. Der Einblick in das Handelsregister ist gerade kein optionaler Luxus, sondern gesetzlich gewollte Pflicht zur Publizität (§ 9 HGB). Auch Art. 21 (Widerspruchsrecht) oder Art. 18 DSGVO (Einschränkung der Verarbeitung) greifen hier nicht.


Konsequenzen für Gesellschafter und Gesellschaften

Wer sich an einer GmbH beteiligt, tritt bewusst in die Öffentlichkeit – zumindest mit bestimmten Basisdaten. Auch wenn die Sensibilität für Datenschutz zugenommen hat, gilt weiterhin: Wer Gesellschafter ist, wird registriert – dauerhaft und nachvollziehbar. Das ist kein Verstoß gegen die DSGVO, sondern gesetzgeberisch gewollt.

Gesellschafterlisten können nur dann ersetzt werden, wenn eine neue – z. B. durch einen Notar bescheinigte – Liste gemäß § 40 Abs. 2 GmbHG eingereicht wird. Selbst das erfordert aber einen sachlichen Grund wie z. B. Anteilsübertragung oder Änderung im Gesellschafterkreis. Eine „korrigierte“ Version nur zur Adressbereinigung ist nicht vorgesehen.


Was heißt das für die Praxis?

Für Händler und Unternehmer bedeutet das:

  • Gesellschafterlisten sind nicht nachträglich „aufräumbar“ – einmal eingereicht, immer abrufbar.
  • Wer Datenschutz will, sollte schon bei der Erstellung der Liste genau auf gesetzlich erforderliche Angaben achten.
  • Das freiwillige Mehr an Daten wird Teil des Registers – ohne Rückgaberecht.

⚠️ Für Anwälte und Berater:

  • Die DSGVO hat ihre Grenzen, insbesondere im öffentlichen Recht.
  • Art. 17 DSGVO darf nicht als Allzweckwaffe missverstanden werden.
  • Es gibt keinen Anspruch auf rückwirkende Löschung oder Austausch von Registerdokumenten.

Fazit: DSGVO trifft Handelsregister – und prallt ab

Der Fall zeigt exemplarisch, wie weit der Schutz personenbezogener Daten im Unternehmenskontext reicht – und wo er endet. Das Handelsregister ist ein staatlich geführtes Transparenzregister, kein Social-Media-Profil mit Löschfunktion.

Wer sich in die Öffentlichkeit des Wirtschaftslebens begibt, muss damit leben, dass seine Daten dokumentiert, archiviert und langfristig einsehbar bleiben. Das mag im Zeitalter des „digitalen Vergessens“ unangenehm erscheinen, ist aber ein notwendiger Preis für Rechtssicherheit und Vertrauen im Geschäftsverkehr.

Der Versuch, über die DSGVO eine Löschung zu erzwingen, mag nachvollziehbar sein – rechtlich aber ist er von vornherein zum Scheitern verurteilt.


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