Wenn Händler ihre Abverkaufskanäle nicht verstehen … Da werden fehlerhaft Angebote gelistet, um anschließend zu konstatieren, dass eBay nicht der geeignete Kanal sei. In einer Kategorie, welche vergangenes Jahr ein Wachstum von mehreren 100% erfahren hat … Darf dann die Frage gestellt werden ,woran das liegt? Ja, die Antwort liegt auf der Hand: Diese Händlerin hat ›online‹ NICHT verstanden, oder?
Über die Händlerin Julia Ritter aus Köln mit desiary.de berichtete Ingrid Lommer auf shopanbieter.de. Leider aber weder mit einer Einordnung noch Bewertung des ›großen Marktplatz-Experiments‹, sodass der Leser alleine mit seinen Überlegungen bleibt. Zusammengefasst könnte gelesen werden, dass die Händlerin dort erfolgreich ist, wo es keinen Wettbewerb gibt (Welch Wunder!) und dort versagt, wo an die Händler-Skills Ansprüche gestellt werden.
Als Enttäuschung entpuppte sich dagegen eBay. »Dort machen wir fast gar keine Umsätze«, meint Ritter. »Das scheint für uns nicht die passende Plattform zu sein, deshalb werde ich unsere Listings dort auslaufen lassen.«
Jetzt steigen wir aber mal konkret ein und schauen auf die Angebote und den Account: Der Accountname verstößt gegen die eBay-Grundsätze. Er enthält eine URL und ist erst 2018 eröffnet worden. 33 Bewertungen wurden generiert und die Händlerin hat keinen ›Top-Verkäufer‹-Status. Das bedeutet, ihre Listings sind kaum sichtbar!
Nun schauen wir uns einmal einige Listings an:
Bilder:
Der Bildsatz ist unvollständig. Es fehlen weitere Abbildungen in der Anwendung des Produkts sowie die Abmaße. Grundsatz: Ein Verbraucher sollte anhand der Bilder in die Lage versetzt werden, eine Kaufentscheidung zu treffen. Das ist hier nicht der Fall.
Produktdaten:
Diese – wie auch die Artikelmerkmale – sind unvollständig und falsch ausgefüllt. Für diesen Artikel stünde grundsätzlich auch der eBay-Produktkatalog zur Verfügung. In dieser Form bleibt er aber auch bei Anwendung der Filtermöglichkeiten unsichtbar.
Rückgabefristen:
Die Rückgabe- und Widerruffristen sind für den Verbraucher irreführend. Einmal schreibt die Händlerin ›30 Tage‹, in der Widerrufsbelehrung finden sich dann aber ›14‹.
Amazon vs. eBay vs. eBay-Wettbewerb:
Das wirklich erschreckende ist, dass Julia ALLE Daten und Bilder großartig in ihren Amazon-Angeboten verwendet. Hier passt der Bildsatz, auch die Produktdaten sind vollständig und es ist ein Variantenangebot gelistet. Das Amazon-Listing ließe sich inhaltlich 1zu1 auf eBay übertragen.
Das sich ein ›Schmuckbaum‹ nicht auf eBay verkaufen lassen soll, darf bezweifelt werden. Ein Wettbewerber verkaufte den identischen Artikel – einen Euro teuer – bereits 162-mal.
Fazit:
eBay hatte in der Kategorie ›Home & Living‹ pandemisch bedingt ein außerordentliches Wachstum. Wenn das händlerseitig nicht mitgenommen werden kann, wirft das Fragen auf. Hier die Händlerin als online Volldeppin abzutun, ist aber sicherlich falsch. Wichtig ist zu fragen, wo die Ursachen der Herausforderungen liegen. Und da darf sich auch eBay einige Fragen gefallen lassen!
Exkurs: ›Top-Verkäufer‹-Status. Dieser ist in der jetzigen Gestaltung kaum mehr zeitgemäß. Er benachteiligt primär alle Neustarter auf der Plattform und erhöht die Einstiegsbarrieren für neue Händler. Die Angebote sind kaum sichtbar. Die Grundidee aller Handelsbarrieren war und ist, den Käufern maximale Sicherheit zu bieten. Damals war das notwendig, doch eBay verfügt mittlerweile über einen ganzen Blumenstrauß an Messmöglichkeiten um die Zuverlässigkeit eines Händlers zu bewerten. Daher sind diese ›Zügel‹ schon lange nicht mehr nötig! – Hier wäre eBay gut geraten, seine Handelsbarrieren einzureißen.
Julia Ritter ist nicht die erste Händlerin, die anmerkt, dass eine Erweiterung des Geschäfts auf eBay nicht gut funktioniert. Viele Händler klagen darüber. Aber warum ist das so? Die Perspektive der Händler-Fehler können wir alle an dem Beispiel sehen. Es sind alle Daten vorhanden, aber warum werden sie nicht auf eBay gespielt? Sind es die ERP-Systeme, die das erschweren, oder sind es die Händler selbst? ABER: Warum greift die Plattform den Händlern nicht stärker unter die Arme? Fehlen vielleicht Schulungsmöglichkeiten? Aber wenn nicht, werden sie nicht angenommen?
Den Schluss zu ziehen, dass eBay nicht funktioniert, ist genauso falsch, wie der Händlerin zu unterstellen, sie könne keinen Onlinehandel. Die Herausforderungen lassen sich auch nicht pauschal und einfach beantworten. Jedoch ist es wichtig, sich genau mit den Ursachen zu beschäftigen. Viele erfolgreiche Amazon-Händler scheitern mit ihrem Versuch, bei eBay einen zweiten starken Absatzkanal zu bespielen. Das muss einen Grund haben …
Als Ergänzung noch: die Daten und Bilder in ihren Amazon-Angeboten hat die Dame nicht selbst erstellt, sondern sich an das vorhandene Listing drangehängt. Da gibt es nichts zu loben.
Ich vermute, außer ein bißchen Deko kann diese Dame nichts. Die negativen Bewertungen bei Amazon runden das Bild entsprechend ab. Und so eine Trantüte ist Teilnehmerin bei „Unternehmerinnen der Zukunft“. Undassbar.