Der BGH hat entschieden, dass Amazon eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb hat. Damit hat das Gericht erstmals  über eine Beschwerde gegen eine Feststellung gemäß §19a GWB entschieden. Gegen diese Feststellung gibt es keine weiteren rechtlichen Möglichkeiten.

Hintergrund: Bundeskartellamt vs. Amazon

Das Verfahren wurde ursprünglich 2021 vom Bundeskartellamt angestoßen. Die Behörde wollte feststellen ob Amazon eine überragende Stellung im Markt hat. Dabei nutzen die Beamten die ebenfalls 2021 eingeführten neuen Regelungen des § 19a Abs. 1 GWB. Dieser sieht ein 2-Stufiges Verfahren vor. Erst ist die Marktstellung festzustellen um dann in Schritt 2 dem Unternehmen Verhaltensweisen zu untersagen. Gegen die Entscheidung in Schritt 1 hatte Amazon Beschwerde eingelegt. Über diese Entscheidung hat nun der BGH als letzte Instanz entschieden.

Amazon ist weltweit unter anderem im Bereich des E-Commerce, als stationärer Einzelhändler und als Anbieter von cloudbasierten IT-Dienstleistungen (Amazon Web Services, AWS) tätig.

“Der Konzern war zum 27. Dezember 2021 mit einer Marktkapitalisierung von 1,721 Billionen USD das fünftwertvollste Unternehmen der Welt, wobei der Börsenwert innerhalb der vorangegangenen sieben Jahre um etwa 443 % gestiegen war. Das Unternehmen erzielte im Geschäftsjahr 2021 weltweit Umsätze von rund 469,8 Mrd USD. Auf Deutschland entfielen davon rund 37,3 Mrd USD. Damit stellte Deutschland auf den Umsatz bezogen nach den USA den zweitwichtigsten (Absatz-)Markt für Amazon dar. Die jährlichen Gewinne stiegen von (weltweit) 3 Mrd USD im Geschäftsjahr 2017 auf 33,4 Mrd USD in 2021, mithin um 1013 %. Amazon gehört mit 1,6 Mio Mitarbeitern zum 31. Dezember 2021 zu den größten Arbeitgebern weltweit.

Das Bundeskartellamt hat mit Beschluss vom 5. Juli 2022 nach § 19a Abs. 1 GWB festgestellt, dass Amazon.com, Inc. einschließlich der mit ihr verbundenen Unternehmen eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt.

Die Feststellung ist auf fünf Jahre nach Eintritt der Bestandskraft befristet.

Gegen diesen Beschluss haben Amazon.com, Inc. und eine deutsche Konzerngesellschaft Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, den Beschluss aufzuheben. Während des Beschwerdeverfahrens wurde Amazon von der Europäischen Kommission als Torwächter gemäß Art. 3 Digital Markets Act (DMA) benannt. Für die von Amazon betriebenen Vermittlungsplattformen Amazon Marketplace und Amazon Advertising gelten in der Europäischen Union seit dem 7. März 2024 die das Marktverhalten regelnden Vorschriften des DMA. “, so die Pressemitteilung.

In ihrer Entscheidungsbegründung drücken sie sehr klar aus, wie sie Amazons Stellung im Markt bewerten: “Die Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb setzt keine konkrete Wettbewerbsgefahr oder Wettbewerbsbeeinträchtigung voraus. Vielmehr reicht dafür das Vorliegen der strategischen und wettbewerblichen Möglichkeiten aus, deren abstraktes Gefährdungspotential durch die Vorschrift adressiert wird.” und weiter “Der Konzern ist auf einer Vielzahl von verschiedenen, vertikal integrierten und in vielfältiger und konglomerater Weise miteinander verbundenen Märkten tätig und hat eine marktbeherrschende Stellung auf dem deutschen Markt für Online-Marktplatzdienstleistungen für gewerbliche Händler.” ist in der Pressemitteilung des BGH vom gestrigen Tage zu lesen.

Welche Bedeutung hat nun diese höchstrichterliche Entscheidung

Tatsächlich war der Entscheid über Amazon marktbeherrschende Stellung bereits rechtskräftig. Die Behörde hat seitdem die Möglichkeit effizienter gegen das Unternehmen vorzugehen um ihm Verhaltensweisen zu untersagen. In der täglichen Händlerpraxis ist dieses Damoklesschwert welches latent über Amazon schwebt zu spüren: Amazon ist netter zu den Sellern geworden.

Damit zeigt sich in der Praxis, dass Experten wie z.B. Prof. Dr. Gerrit Heinemann sich geirrt haben. Heinemann bezeichnete das Amt gegen Amazon als >zahnlosen Papiertiger<.

Auch wenn für viele Politik, Behörden und Gesetze abstrakt und ohne Einfluss wirken, es ist nicht so. Zwar sind politische Wege lang und oftmals sind es Wege der kleinen Schritte, aber sie helfen.

Hier ein paar mutmaßliche Amazon Entscheidungen bei denen der § 19a Abs. 1 mit gewirkt haben kann:

  • Schnellere Freigabe von einbehaltenen Zahlungen
  • Verschiebung der Rücklagenrichtlinie
  • Aufhebung von Suspendierungen
  • Aussenkommunikation bei Händlerthemen

Was denkt ihr, wo behandelt euch Amazon noch unfair und wo würdet ihr euch mehr Aktivität wünschen?