Auf den verschiedenen Markplätzen und Plattformen findet ihr immer wieder unzulässige Angebote. Ihr meldet den Vorfall und sie werden – mit ein wenig Glück – auch entfernt. Dieses Verfahren ist bekannt als >Notice & Take down<. Laut altem BGH-Urteil müssen die Plattformen in der Folge auch dafür sorgen, dass sich solche Verstöße nicht wiederholen (Notice & Stay down). Aber wie sieht es denn mit gleichartigen Verstößen aus, die sich zum Zeitpunkt der Meldung auch auf der Plattform befunden haben? Genau darüber hat jetzt das Landgericht Frankfurt zu entscheiden gehabt.

Das Landgericht sieht eine erweiterte Haftung der Plattformen

In der nun von der Wettbewerbszentrale veröffentlichten Mitteilung ist zu lesen, dass die Richter eine erweiterte Haftung der Marktplätze erkennen. Amazon hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

„Die Haftung von Plattformbetreibern für Wettbewerbsverstöße Dritter ist für den Handel von enormer Bedeutung. Während stationäre und Online-Händler für jeden Rechtsverstoß unmittelbar haften und jedes einzelne Produkt vorher umfassend prüfen, haften Plattformbetreiber zunächst nicht unmittelbar. Wenn sie aber auf Verstöße hingewiesen werden, müssen sie nicht nur die gemeldeten Angebote entfernen. Sie müssen auch dafür sorgen, dass gleiche Rechtsverstöße nicht wieder auftreten. Kommen sie dieser Verpflichtung nicht hinreichend nach und erwirtschaften sie weiterhin Verkaufsprovisionen für rechtsverletzende Produkte, verschaffen sie sich damit einen unlauteren Wettbewerbsvorteil zu Lasten der rechtstreuen Mitbewerber“, meint Dr. Tudor Vlah, zuständiger Referent bei der Wettbewerbszentrale.

Dieses Urteil ist zu begrüßen. Es schafft dem Handel und euch Sellern eine einfachere Möglichkeit, nachhaltig und wirkungsvoll gegen unzulässige Produkte und unfairen Handel vorzugehen.

Was ist passiert?

Wie weit diese Erfolgsabwendungspflicht bei Wettbewerbsverstößen reicht, ist bisher gerichtlich noch nicht abschließend geklärt. Amazon ist der Auffassung, dass diese Verpflichtung „nur in Ausnahmefällen bei ganz besonders schutzwürdigen Interessen (Jugendschutz/Produktsicherheit)“ besteht und nicht gleichartige Verstöße umfasst, die zum Zeitpunkt des Hinweises bereits vorlagen.

Vor diesem Hintergrund hat die Wettbewerbszentrale einen  Fall vor das Landgericht Frankfurt am Main gebracht, in dem dieses nun auf Antrag der Wettbewerbszentrale Amazon untersagt hat, Dritten zu ermöglichen, auf seiner Verkaufsplattform die Begriffe „Sojamilch“, „Hafermilch“ und „Reismilch“ für vegane Milchersatzprodukte zu verwenden (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 02.09.2022, Az. 3-12 O 42/21, nicht rechtskräftig).

Nach Hinweisen der Wettbewerbszentrale auf Rechtsverstöße gegen den absoluten EU-Bezeichnungsschutz für Milchprodukte im üblichen Notice & Take Down-Verfahren waren die gemeldeten Angebote zunächst von Amazon entfernt worden. Anschließend wurden aber weiterhin vegane Milchersatzprodukte mit denselben unzulässigen Bezeichnungen auf dem Marketplace angeboten. Diese weiteren Verstöße lagen auch zum Zeitpunkt des Hinweises bereits vor. Die Wettbewerbszentrale sprach daraufhin eine Abmahnung direkt gegen Amazon aus. Nachdem Amazon sich weigerte, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, erhob die Wettbewerbszentrale Klage.

Das Gericht folgt der Auffassung der Wettbewerbszentrale. Es stellt in seiner Entscheidung klar, dass die Prüf- und Erfolgsabwendungspflicht des Marktplatzbetreibers nicht nur bei jugendgefährdenden, volksverhetzenden oder gewaltverherrlichenden Inhalten besteht, sondern auch bei Verstößen gegen formale Marktverhaltensregeln, wie hier dem EU-Bezeichnungsschutz für Milchprodukte. Es sei Amazon zuzumuten, Wörter wie „Sojamilch“, „Hafermilch“ und „Reismilch“ aus Angeboten Dritter herauszufiltern. Es genüge, die Angebote durch Filterprogramme laufen zu lassen, was keinen großen Aufwand bedeute. Nach Abwägung der jeweiligen Interessen treffe Amazon hier eine vollumfängliche Erfolgsabwendungspflicht.

Einordnung

Wenn dieses Urteil durch das Berufungsgericht bestätigt wird, hat es enormen Einfluss auf die Plattformen. Diese müssen nämlich dann zukünftig selbständig andere und ähnliche Verstöße von ihren Marktplätzen entfernen. Das erweitert die Haftung, macht aber den Handel für euch fairer.

Des Weiteren dürfte das Urteil auch Einfluss auf die Rechtsmissbräuchlichkeit von Abmahnungen haben. Es ist vorstellbar, dass Gerichte sie als rechtsmissbräuchlich beurteilen, wenn der Abmahner direkt gegen den Händler und nicht gegen die Plattform vorgeht. Denn das Vorgehen direkt gegen die Plattform ist effektiver als jeweils einzelne Abmahnungen auszusprechen. Hier könnte ein Gebührenerzielungsinteresse unterstellt werden.

Ergänzung: Meinung eines Rechtsanwalts

“Was für ein Nonsens bei der Schlussfolgerung. Täter ist doch hier der rechtwidrig handelnde Täter und den mahne ich kostenpflichtig ab. Wenn ich meine, gegen die Plattform schießen zu müssen, so steht mir das natürlich mit all den Risiken, die das Urteil konkludent nennt, frei. Nämlich, ob es der Plattform im Einzelfall zumutbar ist, eine Algorithmus aufzusetzen. Keineswegs sollte das dazu führen, dass der eigentliche Täter privilegiert wird, indem er nicht mehr wirksam abgemahnt werden darf.

Ein Rechtsmissbrauch liegt da eher bei Fallgestaltungen vor, wo ich den Importeur kenne, aber erst die ganzen Händler abmahne, bevor ich den Importeur aus dem Spiel nehme. Das ist dann missbräuchlich und wurde bereits so entschieden. Deine Argumentation hätte trefflich vom Föhlisch kommen können, der dann direkt wieder fragt wie viele Abmahnungen wegen google fonts vorliegen, die wirklich keine Sau interessieren, missbräuchlich hoch 10 sind und nach altem wie neuem Recht von jedem Gericht weggebügelt worden wären/ werden. Die IT Recht Kanzlei insistiert aktuell und brüllt Alarm und Gesetzesverschärfung bla bla……Wofür? Weil ein Grieche, ein Ösi und ein Berliner sich auf der Kegelbahn einen Dreck ausgedacht haben, der es nie zu Gericht schafft? Ich sage den Mandanten, sie sollen den Shop ändern und das Schreiben ignorieren. Da ziehe ich den Leuten nicht unseriös Geld aus der Schatulle.”, so ein Rechtsanwalt, der nicht genannt werden möchte.