Um den Jahreswechsel traten zwei wichtige Gesetze zur Reform des Insolvenzrechts in Kraft. Das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens mit Wirkung vom 1. Oktober 2020 und das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts am 1. Januar 2021.

Mit dem Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens wird überschuldeten Unternehmerinnen und Unternehmern sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern ein schnellerer Neuanfang ermöglicht. Die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre statt wie bisher im Regelfall sechs Jahre sorgt dafür, dass Betroffene schneller wieder aktiv am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilhaben können.

Mit diesem Gesetz werden Vorgaben der europäische Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie (EU 2019/1023) umgesetzt. Die Regelungen zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens werden über die Vorgaben der Richtlinie hinaus nicht nur für unternehmerisch tätige Schuldner gelten, sondern, wie von der Richtlinie empfohlen, auch für Verbraucherinnen und Verbraucher. Eine Befristung der Einbeziehung von Verbraucherinnen und Verbraucher ist – anders als im Regierungsentwurf – nicht mehr vorgesehen.

Die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre wird rückwirkend auch für alle Insolvenzverfahren gelten, die ab dem 1. Oktober 2020 beantragt wurden. Damit können auch diejenigen Schuldnerinnen und Schuldnern bei einem wirtschaftlichen Neuanfang unterstützt werden, die durch die Covid-19-Pandemie in die Insolvenz geraten sind. Für Insolvenzverfahren, die im Zeitraum vom 17. Dezember 2019 bis einschließlich 30. September 2020 beantragt wurden, wird das derzeit sechsjährige Verfahren monatsweise verkürzt.

Anders als bislang wird es künftig für eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren nicht mehr erforderlich sein, dass die Schuldnerinnen und Schuldner ihre Verbindlichkeiten in einer bestimmten Höhe tilgen. Allerdings müssen Schuldnerinnen und Schuldner auch weiterhin bestimmten Pflichten und Obliegenheiten nachkommen, um eine Restschuldbefreiung erlangen zu können, z.B. einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich um eine solche bemühen. Darüber hinaus werden die Schuldnerinnen und Schuldner in der sog. Wohlverhaltensphase stärker zur Herausgabe von erlangtem Vermögen herangezogen. Außerdem wird ein neuer Grund zur Versagung der Restschuldbefreiung geschaffen, wenn in der Wohlverhaltensphase unangemessene Verbindlichkeiten begründet werden.

Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts wird ein Rechtsrahmen für Restrukturierungen eingeführt, mit dem Insolvenzen abgewendet werden können. Davon können insbesondere auch Unternehmen Gebrauch machen, die infolge der Corona-Pandemie in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Mit der Einführung der neuen Restrukturierungsoptionen wird zugleich die europäische Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie (EU 2019/1023) umgesetzt. Das Gesetz beinhaltet zudem eine Fortentwicklung des geltenden Sanierungs- und Insolvenzrechts.

Für die von der Pandemie betroffenen Unternehmen werden zudem weitergehende Erleichterungen geschaffen: So wird der für die Überschuldungsprüfung maßgebliche Zeitraum übergangsweise auf vier Monate reduziert, um auf die derzeitigen Prognoseunsicherheiten Rücksicht zu nehmen.

Für Unternehmen, bei denen die Auszahlung der seit dem 1. November 2020 vorgesehenen staatlichen Hilfeleistungen noch aussteht, wird zudem die Insolvenzantragspflicht bis zum 31. Januar 2021 ausgesetzt.

Daneben werden auch die bestehenden Sanierungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren fortentwickelt. Es wird sichergestellt, dass der Verzicht auf die Bestellung einer Insolvenzverwalterin oder eines Insolvenzverwalters in den sogenannten Eigenverwaltungsverfahren grundsätzlich nur gut und solide vorbereiteten Vorhaben vorbehalten bleibt. Den Unternehmen wird zugleich ein rechtssicherer Weg zu den eigenverwaltungsbasierten Sanierungsoptionen eröffnet. Da sich die Erfüllung dieser Anforderungen unter den gegenwärtigen Krisenbedingungen nicht immer wird sicherstellen lassen, sollen die neuen Anforderungen aber nicht für Unternehmen gelten, deren Insolvenz auf die Corona-Pandemie zurückzuführen ist. (Pressemitteilung BMJV)

Kommentar

Für betroffene Verbraucher und Unternehmer mag die Reform ein Segen sein, auch dürfte die Reform das ›gefühlte‹ Risiko bei Gründern nachhaltig senken. Ob jedoch eine andere Gründungskultur in Deutschland sichtbar werden wird, ist fraglich.

Grundsätzlich wird das Scheitern einfacher und risikoloser und es bleibt zu hoffen, dass die Reform ein weiteres Puzzlestück bei der Veränderung der gesellschaftlichen Haltung zum wirtschaftlichen Scheitern sein wird.

Was ist aber, wenn sich durch die schnelle Abarbeitung einer Pleite die Anzahl der Insolvenzen erhöht? Kann sich hierdurch nicht eine restriktivere Kreditvergabepolitik begründen? Schaut einmal über den großen Teich, in die USA. Dort scheint ein risikoloses Scheitern gut zu funktionieren!

Jedoch muss auch klar festgestellt werden, dass bei der Wahl der richtigen Unternehmensform das Vermögen des Gesellschafters und Geschäftsführers ausreichend geschützt ist. Und wäre mit einem priorisierten Schutz gegen Überschuldung von Privathaushalten den Schuldnern nicht ein größerer Gefallen getan? Fördert diese Reform nicht sogar die Verschuldungsneigung bei den Verbrauchern?

Insgesamt ist die Reform gut. Auch im Hinblick auf einfachere Sanierungsmöglichkeiten von Unternehmen in Schieflage scheint die Reform hilfreich zu sein.