Vor wenigen Wochen ist der neue Amazon-Service auch in Deutschland gestartet. Prime Wardrobe bündelt eine Menge Serviceangebote, die den Endverbrauchern das Einkaufen erleichtern sollen. Angewendet wird der Dienst zunächst nur im Fashionbereich. Damit möchte Amazon einmal mehr unterstreichen, dass es sich als das kundenzentrierteste Unternehmen auf unserem Planeten sieht. Und in der Tat kuschen viele vor dieser gefühlten Allmacht des amerikanischen Konzerns. Was aber, wenn alle Händler, egal ob klein oder groß, von diesen Moves lernen können?

Was ist Amazon Prime Wardrobe eigentlich?

Das sind die Leistungen, die Amazon Prime Kunden seit einigen Wochen bei ausgewählten Produkten in Anspruch nehmen können:

  • zwei bis sechs Artikel können in eine Prime Wardrobe-Bestellung
  • sieben Tage Zeit zur Anprobe und zur Auswahl
  • Lieferung erfolgt in einer wiederverschließbaren Versandtasche
  • frankiertes Retourenlabel liegt bei, muss nicht aus dem Amazon-Retourencenter generiert werden
  • keine Bezahlung nach dem Versand, sondern erst nach Fristablauf für die Rücksendungen

Im Kern ist Amazon Prime Wardrobe also nichts anderes als eine einfache Retourenmöglichkeit. Der Plattformbetreiber hat noch nicht sein gesamtes Sortiment für >Wardrobe< geöffnet. Das deutet darauf hin, dass dieser Service zunächst im deutschen Markt getestet werden soll.

Einfache Retouren sind wichtig

Neben einem schnellen Versand schätzen die deutschen Verbraucher eine einfache Retourenmöglichkeit. Für viele Kunden ist das Angebot von einfachen Rückgaben ein kaufentscheidender Grund, so zumindest das Ergebnis einer Vielzahl von Verbraucherstudien. UPS fand heraus, dass unklare Rückgaberichtlinien bei 23 % der befragten Verbraucher zu einem Kaufabbruch führen.

Wenn auch aus Sicht der Händler klar ist, dass Retouren ein leidiges und vor allem teures Thema sind, so steht auf der anderen Seite fest, dass Verbraucher einfache Retouren schätzen. Wobei auch nicht vergessen werden darf, dass gefühlt immer mehr Händler über missbräuchliches Rückgabeverhalten der Kunden klagen.

Aber wie könnt ihr als Händler nun davon profitieren?

Da ist erst einmal das Grundsätzliche. Bei jeder Innovation oder Veränderung solltet ihr euch die Frage stellen: Was kann ich davon lernen? Welche Aspekte kann ich nutzen? Was kann ich für mein eigenes Business umsetzen? Eigentlich ist das mehr eine eigene unternehmerische Mindset-Frage, die ihr immer parat haben solltet, und sie ist unabhängig von diesem Service.

Aber es geht auch konkreter: Unterscheidet einmal zwischen euren Marktplatzangeboten und eurem Onlineshop. Das ist wichtig, denn die Marktplatz-Plattformen geben euch meistens nicht die gestalterische Freiheit individueller Prozesse. Das bedeutet, ihr seid in weiten Teilen in das Korsett der Plattform gepresst. In eurem Shop hingegen seid ihr weitestgehend frei. Wobei ihr auch hier in den Grenzen des Shopsystems und eurer Wawi/ERP gefangen seid. Es gibt zwei verschiedene Fälle zu betrachten.

Marktplatzhändler

Je nach Regeln, die euch die Plattform auf das Auge drückt, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Hier ein paar Ideen:

Rücksendelabel dabei legen: Das vereinfacht nicht nur die Retoure, sondern ermöglicht euch auch die proaktive Prozesssteuerung der Rückgaben. Wenn ihr die Label vorher bereits erfasst, dann könnt ihr auch die Rückgaben tracken und bereits mit den Kunden Kontakt aufnehmen. Das reduziert euren Telefonsupport deutlich.

Einfache Rückgabe bei Bundle: Bei einigen technischen Produkten wird erst nach Demontage deutlich, welches Ersatzteil gebraucht wird. Wenn ihr nun beide Möglichkeiten liefert und der Kunde den unpassenden Artikel einfach zurückgeben kann, realisiert ihr einen Vorteil gegenüber eurem Wettbewerb. Diese Idee lässt sich natürlich auch auf Fashionangebote ausweiten oder im KFZ-Bereich auch aufs Inspektions-Kit.

Onlineshops

Ein eigener Onlineshop bedeutet in der Ausgestaltung verschiedener Service Angebote nahezu die pure Händlerfreiheit. Ihr seid lediglich durch die Hürden eurer Wawi oder des Shopsystems eingeschränkt. Grundsätzlich könntet ihr also den Service von Amazon eins zu eins kopieren und sogar Namensbestandteile des Amazon Prime Wardrobe-Dienstes übernehmen. >Wardrobe< ist wohl nicht schützenswert und bedeutet nichts anderes als Kleiderschrank auf Deutsch.

Fazit: Die Idee der Bündelung verschiedener Dienste für den Kunden bringt zwei wesentliche Vorteile für euch. Zum einen macht es eure Kunden glücklicher, ihr habt mehr Chancen auf Sales und zum anderen vereinfacht es eure Prozesslogik. Das spart gleichfalls Kosten. Einem Test steht nichts im Weg!

Das kann schiefgehen

Natürlich können solche Erweiterungen eures Serviceangebots auch zu unerwünschten Effekten führen. Kunden missbrauchen euer Angebot. Daher tut es Amazon gleich und testet zunächst einmal Veränderungen an einer kleinen Anzahl an Listings/Angeboten. Und setzt einen validen Test auf! – Denn nur eine höhere Retourenquote sagt rein gar nichts aus, wenn z. B. der Sale um ein Vielfaches mitansteigt.

Achtet auf rechtlich einwandfreie Formulierungen, nutzt einen Anwalt, der eure veränderten Texte einmal unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten bewertet. Das schützt vor Abmahnungen.

Testet, testet und verdammt noch mal testet

Nichts ist schlimmer für euch als Stillstand und nicht jede Innovation verschlingt einen Haufen an Ressource. Versucht also einmal für euer eigenes Business herauszufinden, wie ihr die Kernidee von >Prime Wardrobe< nutzbar machen könnt. Wie teuer käme euch ein Test? Und abstrahiert! Versucht ein grundsätzliches Fragenset in eurem Kopf zu implementieren: Was kann ich von der Beobachtung für mich nutzbar machen? Wie kann ich einen Test aufsetzen? …

Das sind Fragen, die ihr euch viel zu selten stellt. Und man sollte meinen, dass Fragen eine fast verlernte Kunst ist.😊